Società | Flüchtlinge

Wohin?

Bringt Brüssel praktikable Vorschläge für eine Verteilung des Flüchtlingsstroms? Wo entstehen sieben neue Südtiroler Unterkünfte? Die Flüchtlingsthematik in aller Munde.

Die Flüchtlingsthematik beherrscht auch am heutigen Mittwoch die Aktualität. Am Nachmittag wird sich die bayerische Integrationsministerin Emilia Müller bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Landesrätin Martha Stocker und ihrer Tiroler Amtskollegin Christine Baur im Bozner "Schwefelbad"  wohl auch die eine oder andere scharfe Frage zur Schließung der deutschen Grenzen im Vorfeld des G7-Gipfels gefallen lassen müssen. Seit Dienstag sind die Schengen-Vereinbarungen bekanntlich ausgesetzt. Für Flüchtlinge auf dem Weg nach Norden bedeutet dies strengere Kontrollen und vermutlich bis 15. Juni ein weit schwierigeres bis unmögliches Weiterkommen. Während einige Meldungen davon sprechen, dass sich die Neuigkeit bis Lampedusa durchgesprochen hat, und viele Flüchtlinge erst einmal in Süditalien ausharren würden, wird auf anderer Seite bereits von den ersten 80 Fällen gesprochen, die am Dienstag wegen Schengen am Brenner zurückgeschickt wurden.

"Wir sind gerüstet"

Sowohl in Südtirol als auch in Tirol wird in jedem Fall auf Beruhigung gesetzt. „Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet“, erklärt Tirols Landeshauptmann Günther Platter. Er kündigt im Laufe der kommenden Tage jedoch ebenfalls ein Hochfahren der Kontrollen im Grenzbereich an.  „Wir sind gerüstet“, sagte am Dienstag auch sein Südtiroler Amtskollege Arno Kompatscher. Er rechnet mit einem Maximum von bis zu 1000 Flüchtlingen, die in den kommenden beiden Wochen täglich zu versorgen sein könnten. Sowohl der Zivilschutz als auch die Hilfsorganisationen seien jedoch entsprechend darauf vorbereitet. „Wer uns mit Lampedusa vergleicht, irrt sich“, versicherte der Landeshauptmann.

Für Unruhe sorgt indes seine Ankündigung, dass bereits weitere Standorte für  fixe Flüchtlingsunterkünfte in jeder der sieben Bezirksgemeinschaften des Landes ausgemacht worden sind. Das Rätselraten, wo diese entstehen sollen, wird aber zumindest laut seinem Vorhaben erst ein Ende finden, wenn mit den Bürgermeistern vor Ort gesprochen wurde. Vorwiegend soll es sich um alte Kasernen handeln, hieß es; insgesamt soll so die Kapazität für die Aufnahme von Flüchtlingen um rund 200 Plätze gesteigert werden. Wichtig sei, dass nicht nur Bozen und Meran die Flüchtlingslast tragen, sondern jeder Bezirk seinen Teil leiste, unterstrich Arno Kompatscher.

„Ich würde mir einen gleichen Eifer bei der Aufnahme und Aufteilung der Flüchtlinge wünschen, wie beim Versuch, ein UNO-Mandat für das Beschießen von Schlepperbooten zu bekommen."

Dasselbe Ziel wird auch auf EU-Ebene angestrebt. Die Kommission will am heutigen Mittwoch ihren Gesetzesentwurf zur gerechteren Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Mitgliedsstaaten vorstellen. Doch schon davor werden angesichts des heftigen Widerstands Zweifel an der Umsetzbarkeit einer solchen Quote laut. Rigorose Ablehnung kommt aus Osteuropa, auch Frankreich ziert sich, Großbritannien, Irland und Dänemark sind vertraglich nicht dazu verpflichtet, Spanien und Portugal motzen angesichts zu hoher Anteile. „Ich würde mir einen gleichen Eifer bei der Aufnahme und Aufteilung der Flüchtlinge wünschen, wie beim Versuch, ein UNO-Mandat für das Beschießen von Schlepperbooten zu bekommen“, sprach der österreichische ÖVP-Politiker Othmar Karas am Dienstag in Wien von „einer Schande“. Auch Volker Türk, stellvertretender UN-Flüchtlingshochkommissar, warnte in der österreichischen Hauptstadt vor einer Vogel-Strauß-Politik bei der Thematik. „Abschotten funktioniert nicht“, sagte er, „wenn ein Weg verschlossen wird, werden andere genutzt.“ 

Hilfsbereite Hoteliers

Die Tiroler Tageszeitung bringt am Mittwoch ein Beispiel dafür, wie Solidarität vor Ort die weltweite Problematik zumindest im Kleinen lindern kann. In Tirol legen sie auch jene an den Tag, die sich die Gastfreundschaft seit jeher auf die Fahne geschrieben haben. So nimmt der Ex-Präsident der österreichischen Hoteliersvereinigung und NEOS-Politiker Sepp Schellhorn gegen den Widerstand seiner Gemeinde 40 Flüchtlinge in seinem Haus in Bad Gastein auf. Auch die aktuellen Präsidenten des Hoteliersverbands stellen eine Pension in Wien und ein Mitarbeiterhaus in Lech zur Verfügung. Der Obmann der Sparte Tourismus in der Tiroler Wirtschaftskammer Franz Hörl kündigt indes an, eine Flüchtlingsfamilie in seinen Betrieb aufzunehmen und für ihre Sprachkurse und soziale Betreuung zu sorgen. Kleine Gesten, die vielleicht auch auf der anderen Seite des Brenners die Hilfsbereitschaft jenseits der zahlreichen aktiven Freiwilligen steigern.