Endlich volljährig!

Müller und Schiller
Die polnische Komponistin, Sängerin und Performerin Agata Zubel eröffnet Transart 18 am 6. September mit einer Uraufführung: die Bildbeschreibung des Autors Heiner Müller wird dabei zu einem musikalisch-bildnerischen Erfahrungsraum in der Bozner Bahnhofsremise; das Publikum betritt das Werk als Installation und erlebt später den betretenen Raum als Echoraum der eigenen Erinnerung. Es spielt das Klangforum Wien unter Leitung von Titus Engel, Agata Zubel ist auch als Sopranistin an der Aufführung beteiligt.
Deutsche Lyrik meets Elektro-Beats: Philipp Hochmair und seine Band Die Elektrohand Gottes verwandeln Schillers berühmte Balladen einen Tag später in ein exzessives Rockkonzert. Hochmair greift in das große Sprachwerk Schillers, sucht den pochenden Herzschlag der Worte, treibt damit ein schier unglaubliches Selbstexperiment.
Drohnen am Vigiljoch, Avantgarde-Flamenco in Eppan
Die japanische Choreographin und Pianistin Tomoko Mukaiyama wird am 8.9. mit dem Konzertflügel in freier Landschaft und Klangdrohnen am Himmel über der Vigilius Kirche eine Extremweitung des Klangraumes vornehmen, Agata Zubel begegnen wir auf einem See sängerisch schwebend. Das Vigiljoch, mittlerweile ein fixer Spielort des Festivals, entfaltet hier all seine mythisch-magischen Energien.
Das spanische Klaviertrio Arbos und der Sänger Rafael de Utrera hieven am 12.9. den Flamenco in unsere Gegenwart, garantiert ohne Folklorekitsch, aber voll mit dem Brennen einer alten Kultur, die zur Zukunft spricht.
Neue Spielorte: NOI und Recyclinghof Bruneck
In Crises, einem Projekt des italienischen Choreographen Matteo Levaggi mit Samantha Stella und dem mdi ensemble kommen am 13.9. Werke der innovativsten und experimentierfreudigsten Komponisten der musikalischen Avantgarde auf die Bühne des NOI. Eine freigeistige Produktion, die sich entlang verschiedener Ausdrucksmöglichkeiten entwickelt: Post-Ballett, Tanz, Musik, Theater. Nach der Uraufführung bei der Biennale Gherdeina im Juni 2018 legt die in Wien lebende Bruneckerin Sissa Micheli mit dem venezolanischen Soundkünstler Marcos Rondon nochmals Hand an und unterwirft ihre Oper „Dolomieu“ am 14.9. einer Massivpressung. Der kanadische Multimediaperformer Herman Kolgen schießt mit virtuellen Kanonen in eine materielose Zukunft. Beides inmitten der Sortiermüllberge unserer Gegenwartsgesellschaft am Brunecker Recyclinghof.
Neue Musik in unakademischen Formaten: Inaudito im Stadtmuseum Bozen, Fast Forward‘s Feeding Frenzy im Autohaus
Inaudito, entwickelt und co-kuratiert vom Komponisten Hannes Kerschbaumer, steht für Unerhörtes. Über fünf Stunden wird zeitgenössische Musik als große begehbare Architektur präsentiert, die der Besucher mit eigenen Blick- und Hörwinkeln erkunden darf. Die MusikerInnen des mdi Ensembles und weitere Weggefährten nehmen das Stadtmuseum am 15. September dazu in eine Art „musikalische Geiselhaft.“
Sechs Chefs de cuisine wetteifern am 20.9. kulinarisch mit sechs Instrumentalisten, die Kochgeräusche verweben sich mit der Musik. Während der kulinarischen Musikperformance, bzw. musikalischen Kochperformance des New Yorker Komponisten und Musikers Fast Forward, agieren Musiker und Köche simultan. Ein kulinarisches Festkonzert mit sechs Chefs de cuisine und sechs Solisten, Video und freundlicher Bedienung.
Rückkehr nach Schlanders: Sozialkritisch, populär, engagiert
Transart ist auch in diesem Jahr mit einem Doppeltermin zu Gast in Schlanders: Der amerikanisch-französische Rapper Napoleon Maddox verschränkt am 21.9. virtuos populäre Musikgenres ineinander, ohne dass dies willkürlicher musikalischer Selbstzweck wäre, er ist ein engagierter Aktionist und Denker. „Twice the First Time“ erzählt die Geschichte zweier siamesischer Schwestern die im 19. Jahrhundert in Amerika in Sklaverei geboren wurden. Es erzählt von Diskriminierung, Identität und sozialen Unterschieden. Mit dem von Gianpaolo Chiriacò kuratierten Projekt „I’m singing black“ wird darüberhinaus eine Brücke zur afrikanischen Migrantenwirklichkeit in unserem Land geschlagen: Eine Performance von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Südtirol.
Mehr experimentelle Musik im Alperia Tower, MuseRuole in der Gärtnerei Schullian
Das Kölner Kollektiv hand werk ist am 22.9. der faszinierenden Klangwelt historischer Elektrogeräte auf der Spur. Zwischen Performance, Klangabtasterei und Rückkoppelungstriller wird ein knisterndes Klangfeuerwerk entfacht, das den Strom als Hauptakteur in den Mittelpunkt des künstlerischen Geschehens stellt. Stefano Bernardi wird den Barockkomponisten Telemann in die Vertikale des Fernheizwerkturmes jagen und zum visuellen Siedepunkt führen. Der Alperia Tower in Bozen Süd ist passenderweise Schauplatz dieses elektrisierenden Gesamtkunstwerkes.
Das Festival MuseRuole widmet sich Musikformen, die die Möglichkeiten der Improvisation und der Komposition ausloten. In diesem Jahr ist das von Valeria Merlini gegründete Festival in Zusammenarbeit mit The Heroines of Sound bei Transart zu Gast und lädt am 27.9. zu einem musikalischen Rundgang in die schlicht schönen Glashäuser der Gärtnerei Schullian ein. Unterschiedliche Instrumentierung, von akustisch bis elektronisch, tragen zur Vielfalt der eingeladenen Künstlerinnen ein.
„Die Weber“ von Johannes Kalitzke; moderne Musik für einen Filmklassiker mit dem Haydnorchester
Das Haydn Orchester ist am 29.9. in der Bahnhofsremise in der Bozner Schlachthofstraße zu hören. Der Regisseur Friedrich Zelnik traf mit seiner Verfilmung des Dramas „Die Weber“ von Gerhart Hauptmann den Nerv seiner Zeit und überraschte mit einer der besten Hauptmann-Adaptionen der deutschen Filmgeschichte. Der Film kommentiert die wirtschaftliche und soziale Instabilität in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre, die der Nationalismus bald für sich zu instrumentalisieren wusste. Erst mit Johannes Kalitzkes sinfonischer Orchestersuite „Die Weber“ ist 2011 eine dem Film zugeschnittene Begleitmusik entstanden. Das im Film dargestellte Drama der Weber verwandelt sich in einen bedrückend klingenden Albtraum.
Fliris Masken- und Klangspiegel auf der Franzensfeste, Charlemagne Palestine & Islands Songs in Eppan
Polymorphic Archetypes ist eine audio-visuelle Installation von Michael Fliri, bestehend aus drei Videoprojektionen, die sich am 29.9. in der Franzensfeste der Technik des Schattenspiels bedient. Das Durchleuchten von transparenten Körpern verleiht ihnen eine dreidimensionale Ästhetik, die überraschenderweise an ein digital erschaffenes Bild erinnert. Ein Spannungsbogen von Licht und Schatten, Analogem und Digitalem, Archaischem und Zeitgenössischem.
Biowein, Plüschtiere, ein E-Piano – der Held der amerikanischen Minimal Music Szene, Komponist und Objektkünstler Charlemagne Palestine folgt mit dieser Performance einer Einladung des Künstlerduos Islands Songs. Er wird seine Aufführung in Reaktion auf eine Klangumgebung entwickeln, die das Duo komponiert und den in der Weinbereitung aktiven Mikroorganismen gewidmet hat. Aufnahmen dieser Aufführung am 29.9. auf Schloss Gandegg (Eppan) werden im Anschluss von Islands Songs bearbeitet und einem fermentierenden Weinfass im benachbarten Keller von Thomas Niedermayr aufgespielt.
Toy Piano in Bozen, Kuhglocken auf dem Salten
Margaret Leng Tan schuf ein Musiktheater voller Nostalgie und Humor, das auf einem Spielzeugklavier und weiteren Spielzeuginstrumenten gespielt wird. Sie behandelt Spielzeug wie echte Musikinstrumente, bezieht sich auf die Auffassung des Dadaisten Marcel Duchamp, dass „schlechte Werkzeuge bessere Fähigkeiten erfordern“. Damit wird sie auch der Überzeugung ihres Mentors John Cage gerecht: Er deklariert jedes Objekt, dass fähig ist Töne zu erzeugen, zum Musikinstrument. Ihr Konzert findet am 30. September am Platz des Museion in Bozen statt.
Der deutsche Künstler Olaf Nicolai hört Bilder und setzt Musik. Mit der großen Glockenperformance Carillon vor wenigen Monaten für das Museion Bozen hat ein Projekt seinen Lauf genommen, das sein Ende am 30.9. auf den Almwiesen des Salten finden wird. Glocken, Kühe und die Neuen Vocalsolisten Stuttgart sollen den Weg in dieser reichen Zufallskonstellation weisen.
Clubbing, Movie Monday, Mittagstisch
Kein Transart Festival ohne Clubbing: Vom Rave zum Deadbeat führt bei Transart der Weg über Montreal. Kurator Alain Mongue hat für das Advanced Clubbing herausragende Acts des MUTEK Netzwerkes eingeladen. Die Ex-Masten Halle in Bozen Süd wird am 8.9. Bühne und Tanzfläche sein.
Die Movie Mondays schauen über den Tellerrand: auf zwei Filme (10.9. und 17.9.) der chilenischen Filmemacherlegende Alejandro Jodorowsky folgt ein Metafilm der iranische Fotografin und Regisseurin Shirin Neshat am 24.9. über die Bedeutung und Größe der Ikone Oum Kulthum aus der Perspektive einer Künstlerin der Jetztzeit erzählen. Shirin Neshat wird im Anschluss an die Filmvorführung per Skype zum Gespräch zugeschaltet.
Die von BAU kuratierten Mittagstische im Stadtmuseum Bozen widmen sich in diesem Jahr der Apfelproduktion. Ausgehend von Nico Angiuli’s Performance Futura, die im Juli in Terlan aufgeführt wurde, werden die unterschiedlichen Produktionsschritte in der Apfelproduktion von der Züchtung der Sorten bis zum Verkauf des Apfels gemeinsam mit Pomologen, Bauern und Kommunikationsexperten im Rahmen von drei unterschiedlichen Mittagstischen diskutiert. Kulinarisch werden die Gäste von Luis Agostini mit einem leichten Mittagessen ganz im Thema des Apfels verwöhnt. Termine: 13., 20. und 27.09.
Wippen am Obstplatz
Nach 10 Jahren Aktivität und Förderung der (Sub)Kultur in Südtirol und in den kulturell-aktivsten europäischen Städten, feiert das Südtiroler wupwup “Tanzen ist auch Sport” Kollektiv seinen 10. Geburtstag. Dazu wird einer der bekanntesten Plätze des Landes bespielt: der Obstplatz. Jeweils am 8., 15. und 22. September.