Zank der Gewerkschaften

Beim Südtiroler Gewerkschaftsbund herrscht Verwunderung. Aus der Presse hat man dort erfahren, dass man als SGBCisl mit Schuld sein soll, dass den Südtiroler Arbeitnehmern keine verbesserten Gesundheitsleistungen zur Verfügung gestellt werden können. Denn, so der Vorwurf den ASGB-Chef Tony Tschenett am heutigen Dienstag in den Raum stellt, die anderen Südtiroler Gewerkschaftsbünde und deren Fachgewerkschaften hätten die Gründung eines Landesgesundheitsfonds in den Sand gesetzt.
Verzicht aus Angst?
Seit 2010 liegt die Idee, einen Landesgesundheitsfonds zu errichten, auf dem Tisch. Dadurch sollen Gelder, die die Arbeitnehmer bisher in den gesamtstaatlichen Gesundheitsfonds einzahlen, in Südtirol bleiben. Mit den 15 Millionen Euro, die dadurch jährlich in den Landesfonds fließen würden, könnten Gesundheitsleistungen, die die öffentliche Hand nicht trägt, mitfinanziert werden. 2012 kamen alle zwölf Arbeitgeberverbände mit den Gewerkschaftsbünden überein, diesen territorialen Gesundheitsfonds für Südtirol zu errichten. Doch dazu wird es so schnell nicht kommen. Denn es fehlt die nötige Zustimmung. Denn um den Fonds einrichten zu können, wird nicht nur das Ok der einzelnen Gewerkschaftsbünde benötigt, sondern auch jenes der einzelnen Fachgewerkschaften. Bei einem vor Kurzem stattgefundenen Treffen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden lagen schließlich nur die Unterschriften der Fachgewerkschaften des ASGB (Autonomer Gewerkschaftsbund Südtirol) vor. Jene der konföderierten Gewerkschaften verweigerten ihre Zustimmung. “Die rechtliche Grundlage ist immer noch unklar, und die Fachgewerkschaften, die ja die Kollektivverträge unterschreiben, haben Angst”, startete CGIL/AGB-Sekretär Alfred Ebner einen ersten Erklärungsversuch in der Dienstag-Ausgabe der Dolomiten.
“Da nur ein Teil der vertretungsstärksten Gewerkschaften die Gründung eines Südtiroler Gesundheitsfonds unterstützen würde und das Risiko von Streitfällen nicht ausgeschlossen werden kann, bestehen derzeit nicht die Voraussetzungen, einen Südtiroler Gesundheitsfonds zu gründen.” (Martha Stockers Ressortdirektor Michael Mayr in einem Schreiben)
Den Fachgewerkschaften der Konföderierten fehle die Courage, kritisiert indes Tony Tschenett. “Ich kann da nicht still sein, denn der Großteil des Südtiroler Geldes fließt nach Rom ab”, wird der ASGB-Sekretär zitiert. Dabei hätten die Südtiroler Arbeitnehmer fast nichts von dem Geld, das sie in den staatlichen Gesundheitsfonds einzahlen, “weil sie in Südtirol diese Leistungen nicht in Anspruch nehmen können”, so Tschenett. Die zuständige Landesrätin Martha Stocker gibt ihm Recht: “Die Gesundheitsangebote sind weiter weg und Südtirol verzichtet dadurch auf einen Teil der eingezahlten Gelder.”
So einfach ist das nicht
Schützenhilfe bekommt indes Alfred Ebner vom SGBCisl: “Wir sind verwundert, dass der ASGB einen derartigen Angriff startet, wo doch auch Fachgewerkschaften des ASGB nicht gerade durch Überzeugung und Tatkraft geglänzt haben”, schreibt der Südtiroler Gewerkschaftsbund am Dienstag Nachmittag. Dort sieht man die Angelegenheit ähnlich wie beim CGIL/AGB: “Dass es nicht einfach sein würde, einen ergänzenden Gesundheitsfonds auf lokaler Ebene einzurichten, war allen Beteiligten von Anfang an klar. Die Einrichtung von Gesundheitsfonds ist von den Kollektivverträgen der jeweiligen Branche geregelt, und aus diesen auszuscheren ist nicht einfach, für die Arbeitnehmerseite genauso wie für die Arbeitgeberseite. Einfach ist es hingegen für die Fachgewerkschaften des ASGB, weil diese keine gesamtstaatlichen Kollektivverträge unterschreiben”, kontert der SGBCisl, der die Verantwortung für die bislang ergebnislosen Verhandlungen von sich weist. “Wir sind seit Jahren die treibende Kraft hinter diesem Fonds und setzen uns stark dafür ein”, so die Verteidigung. Auch in Zukunft wolle man das Engagement vorantreiben.
Wahlfreiheit und Rechtssicherheit
Ein erster Warnschuss kommt bereits von der Arbeitnehmerseite. “Um die zusätzliche Möglichkeit eines Landesgesundheitsfonds zu schaffen, müssen alle Sozialpartner am selben Strang ziehen”, mahnt der Unternehmerverband Südtirol, der alle Beteiligten auffordert, eine gemeinsame Lösung zu finden. “Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und die einzelnen Fachgewerkschaften stehen alle in der Verantwortung”, meint Unternehmerverbandspräsident Stefan Pan. Wie eine mögliche Lösung aussehen könnte, erklärt Josef Negri: “Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten selbst die Wahl haben, ob die Beiträge weiterhin beim nationalen Gesundheitsfonds eingezahlt werden sollen oder ob sie lieber auf den Landesgesundheitsfonds umsteigen möchten. Dies gibt den Angestellten die Möglichkeit, das für sie beste Angebot zu wählen”, so der Direktor des Unternehmerverbands. Zugleich müsse aber auch Rechtssicherheit für die Unternehmen gegeben sein, “die sie vor dem Risiko einer eventuellen doppelten Zahlung sichert“, so Negri. Für den SGBCisl steht fest: “Wir werden uns weiterhin für die Stärkung der ergänzenden Gesundheitsfürsorge auf territorialer Ebene einsetzen.” Dabei wolle man “konstruktiv arbeiten”, denn: “Polemik hilft nicht weiter”.