Politica | Euro-Krise

Intrigen und Komplotte in Griechenland

Zwei Tage vor der entscheidenden letzten Parlamentssitzung zur Wahl eines neuen Staatspräsidenten deutet alles auf Neuwahlen hin. Alarmstimmung in Brüssel.

Glückliches Griechenland: im Gegensatz zu Italien, wo das Parlament auch monatelang erfolglos über einen neuen Staatspräsidenten abstimmen kann (was nach dem angekündigten Rücktritt Giorgio Napolitanos ab 14. Jänner bittere Realität werden wird), gibt es in Griechenland eine Beschränkung. Wenn bei drei Parlamentssitzungen und insgesamt vier Wahlgängen kein neues Staatsoberhaupt gewählt wird, müssen innerhalb der darauffolgenden 10 Tage Neuwahlen angesetzt werden. Und diese wiederum müssen innerhalb eines Monats stattfinden. Wieviele unnütze, teure und monateange Wahlwerbung kann auf diese Weise vermieden werden!   

Was aber die Intrigen, die unmoralischen Bündnisse, den Postenschacher und die Korruptionsversuche betrifft, sind sich  Griechenland und Italien sehr ähnlich. Einige Kostproben aus Athen: ein für seine Käuflichkeit und Prahlerei bekannter Parlamentsabgeordneter hat vor Fernsehkameras erklärt, ihm seien drei Millionen Euro angeboten worden , wenn er den Kandidaten der konservativen  Nea Demokratia, Dimos Stavros , wählen würde. Das ist insofern anzuzweifeln, als seine Stimme allein keine Mehrheit schaffen würde.

Dem regierenden Antonis Samaras  fehlen nach wie vor 18  Stimmen. Und die kommen auch dann nicht zustande, wenn der "worst case" eintreten würde, dass  die neonazistische  Partei "Goldene Morgenröte" am Montag bei der entscheidenden Parlamentssitzung Stavros wählen würde. Davor hat Nea Demokratia mehr Angst als vor einem Scheitern bei der Präsidentenwahl. Ein Nahverhältnis zu den Neonazis würde der Regierungspartei einen schweren Imageschaden zufügen. 

Präsidentschaftskandidat Stavros Dimas hat bereits erklärt, er werde diese Stimmen nicht annehmen . Und ein Drittel der Abgeordneten von Nea Demokratia hat den Austritt aus der Partei angekündigt, sollte Ministerpräsident Samaras auch nur einen Augenblick mit dem Gedanken spielen, die neonazistischen  Stimmen anzunehmen.

Was aber bewegt die "Goldene Morgenröte" dazu, die sonst so verhasste Regierungspartei zu unterstützen?  Da ist erstens der für Jänner angekündigte Schauprozess gegen neun Abgeordnete der neonazistischen Partei, die verbrecherischer Aktivitäten (Mord, Raub, Erpressung usw.) angeklagt sind. Weil die griechische Justiz unter der Fuchtel der Regierung steht, erhoffen sich die Angeklagten ein milderes Urteil unter Samaras als unter dem mutmasslichen Sieger der nächsten Wahlen, Alexis Tsipras.  

Auch hat "Goldene Morgenröte " in letzter Zeit viel Sympathie bei den Wählern eingebüsst. Derzeit würden die Extremisten nur noch knapp fünf Prozent der Stimmen bekommen. Dieser Einbruch  ist auch damit zu erklären, dass die Partei keine Finanzmittel mehr hat, um den Armen und Verzweifelten zu helfen, die sich mit Wählerstimmen dafür revanchiert hatten.

Noch eine Partei könnte neben Nea Demokratia auseinanderbrechen: es ist die historische PASOK (Sozialisten) , die auf wenige Abgeordnete zusammengeschrumpft ist, nachdem der Grossteil der Wähler  direkt zur Syriza-Partei von Tsipras übergewechselt hatte. Der ehemalige PASOK- Ministerpräsident Georgios Papandreu erwägt deshalb, eine neue Partei zu gründen, um diese Wähler zurückzugewinnen.

Der Sohn des legendären Vollblutpolitikers Andreas Papandreu zehrt noch immer vom Ruhm seines Vaters, deshalb könnte diese Partei-Neugründung  ihm persönlich nützen.  Zurückbleiben würde der zweite starke Mann der Partei, Evangelos Venizelos, der PASOK weiterführen will. Voraussehbare Folge dieser Parteispaltung: dass beide Teile die erforderliche Fünf-Prozent-Hürde verfehlen und nicht mehr im nächsten Parlament vertreten sein werden.       

Einige Optimisten unter den  griechischen Journalistenkollegen glauben, dass Ministerpräsident Samaras im letzten Moment einen neuen Präsidentschaftskandidaten aus dem Zylinder zaubern könnte. Einen Mann, der weniger EU-belastet ist als Dimas ( ehemaliger EU-Kommissar ) und der eventuell auch von einigen unabhängigen konservativen Parlamentariern gewählt werden könnte.  Diese sind aus der Regierungspartei ausgetreten, nachdem  Samaras kritiklos alle Bedingungen der Troika akzeptiert hatte, die Griechenland immer neue Opfer auferlegt.

Meine konservative, griechische Verwandtschaft ist in heller Aufregung wegen der bevorstehenden Neuwahlen, die einen Sieg der Linken zur Folge haben könnte. Von Alexis Tsipras, dem Führer der Syriza-Linksopposition, halten Schwager und Schwägerin wenig: er sei zwar ein begabter Politiker, aber seine Berater seien katastrophal. 

Auch vermuten sie ein Komplott der USA: die Amerikaner würden Tsipras unterstützen, um die EU aus den Angeln zu heben.  Diese Theorie teilen auch meine "linken " Athener Bekannten . Demnach wollten die USA mithilfe von Tsipras der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel eins auswischen.

Ob das nicht ins Auge geht...