Economia | Öffentliche Bauten

Gefährliche Schieflage

Das Bauunternehmen Emaprice hat um einen gerichtlichen Vergleich angesucht. Jetzt schrillen gleich bei drei großen öffentlichen Bauträgern die Alarmglocken.
Emaprice
Foto: Fisi Veneto
Die ersten, die draufzahlen sind meistens die Kleinen.
Die Arbeiter der Baufirma „Emaprice“, die am Tunnel für die Umfahrung von Kastelbell arbeiten, haben seit November keinen Lohn mehr bekommen. „Das Unternehmen hat um einen Vergleich angesucht (domanda di ammissione alla procedura di concordato preventivo in continuità) und lässt seine Angestellten ausgerechnet zu Weihnachten ohne Lohn dastehen“, schreibt die Südtiroler Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter Feneal im UIL/SGK in einer Aussendung. Die Gewerkschaft spricht offen „von einer unerklärbaren Bosheit“ der Firmenleitung, denn die Arbeiter werden - wenn überhaupt - ihre Löhne erst rund in einem Jahr bekommen.
Die Nachricht des beantragten gerichtlichen Vergleichs hat aber nicht bei den Arbeitern der Emaprice zu Wut und Unverständnis geführt, dieser Paukenschlag hat auch die öffentlichen Auftraggeber des Bauunternehmens kurz vor Weihnachten in Alarmbereitschaft versetzt. Der Grund dafür: Das Bauunternehmen arbeitet derzeit an drei besonders wichtigen und sensiblen Großprojekten, die durch diese firmeninterne Entwicklung jetzt ist Stocken geraten oder gar stillstehen können. „Das Ganze ist eine halbe Katastrophe sagt ein Bauleiter“, zu Salto.bz.
 

Schneller Aufstieg

 
Die „E.MA.PRI.CE. Spa“ ist ein 40 Jahre altes Familienunternehmen aus Treviso, das in ganz Norditalien tätig ist. Vor einigen Jahren verlegte die Emaprice ihren Rechtssitz nach Südtirol und stieg auch hier sehr schnell zum Big Player auf. Weil Emaprice dabei auch bei den öffentlichen Aufträgen ordentlich mitmischt, führt das in der Branche schon bald zu Gerüchten und Vermutungen.
 
 
 
So hat das Bauunternehmen auch einen Sitz in Innsbruck und ist dabei auch beim Bau des Brennerbasistunnels tätig. 2012 gewann die Emaprice eine Ausschreibung für den Bau eines Portalbereiches für den Entwässerungsstollen Padastertal bei Steinach am Brenner. Die Arbeiten dazu wurden im Mai 2013 beendet. Ebenso baut das Unternehmen beim Erkundungsstollen „Wolf 2“ mit. Hier ist nicht die BBT SE der Auftraggeber, sondern das österreichische Bauunternehmen „Swieteisky Tunnelbau“, das einen Unterauftrag an die Emaprice vergeben hat. Zudem hat die Emaprice einen Unterauftrag für die Südtiroler Firma Erdbau an der Nordtiroler BBT-Baustelle zur Deponiesicherung übernommen.
Weil das Bauunternehmen seine Büros im Sparkassen-Gebäude am Bozner Waltherplatz hat, das der Stiftung Sparkasse gehört und gleichzeitig Stiftungspräsident Konrad Bergmeister jahrelang einer der obersten BBT-Verantwortlichen war, wird in einer Ermittlung der Staatsanwaltschaft ein berufliches Nahverhältnis untersucht. In einer Eingabe der M5S-Bewegung wurde ein möglicher Interessenskonflikt und ein angebliches Nahverhältnis Bergmeisters zu einem Bauunternehmen unterstellt. Nach Information von Salto.bz haben die Ermittlungen in diesem Fall aber zu keinem konkreten Ergebnis geführt.
Tatsache aber ist, dass Branchenkenner den schnellen Aufstieg des Familienunternehmens aus dem Veneto zu einem der wichtigsten Player in der Südtiroler Baubranche seit längerem mit Argusaugen beobachten.
 

 Die Umfahrung

 
Der Versuch einen möglichen Konkurs durch einen gerichtlichen Vergleich abzuwenden, ist keine Seltenheit. Dass dieser Schritt aber für besondere Aufregung sorgt, lieg daran, dass das Unternehmen Emaprice derzeit die Arbeiten für drei Großprojekte der öffentlichen Hand ausführt, denen im schlechtesten Fall jetzt Stillstand drohen könnte.
 
 
 
Eines dieser Projekte ist die Umfahrung Kastelbell-Galsaun. Die neue insgesamt 3,36 Kilometer lange Umfahrung, zwischen Schloss Kastelbell und der Gewerbezone Galsaun, umfasst einen 2495 Meter langen Tunnel. Es handelt sich nach dem Tunnel Leifers (2856 Meter) um den zweitlängsten Tunnel in Südtirol. Die Ausschreibung für dieses Projekt gewann im Jänner 2019 das Unternehmen Emaprice zusammen mit der die Passeirerbau GmbH aus St. Martin in Passeier.
Am 27. Juli 2021 wurde der Tunneldurchstich offiziell gefeiert. Der Plan ist es, dass die Umfahrung im Sommer 2022 befahrbar sein soll. Dieser Zeitplan könnte jetzt aber wackeln.
 

Vinschger Bahn und Zufahrt

 
Noch kritischer aber könnte diese Entwicklung für die Vinschger Bahn werden.
Die „Südtiroler Transportstrukturen AG“ (STA) arbeitet seit Jahren an der Elektrifizierung der Vinschger Bahn. Der größte Brocken dabei ist die Anpassungen der Infrastruktur, vor allem die Bau- und Instandhaltungsarbeiten in den Eisenbahntunnels Josefsberg und Töll.
In diesen Tunnels muss das Gleisbett für die Elektrifizierung deutlich abgesenkt werden. Die Arbeiten dazu haben am 22. November 2021 begonnen und sollen bis Sommer 2022 abgeschlossen werden.
Auch hier ist das Unternehmen Emaprice tätig. Nach Informationen von Salto.bz werden im Josefbergstunnel gerade die Schienen entfernt. Ein Baustopp wäre in diesem Fall eine Katastrophe.
 
 
 
Zudem arbeitet das jetzt in finanzielle Schieflage geratenes Unternehmen nicht nur in Nord- sondern auch Südtirol für das Jahrhundertprojekt Brennerbasistunnel (BBT).
2018 gewinnt die Emaprice die 7,5-Millionen Ausschreibung der BBT SE zur Errichtungen einer „Neuen Zufahrtsstraße Riol“ in Franzensfeste. Emaprice hat zusammen mit der Transbagger GmbH aus Sand in Taufers die Arbeiten dort im März 2019 begonnen. Auch diese Arbeiten haben sich deutlich verzögert. „Der Grund dafür ist eine schlechte Bauleitung“, kritisiert man beim Auftraggeber.
Inzwischen stellt man beim Land aber eine andere bange Frage: Was passiert, wenn Emaprice den gerichtlichen Vergleich nicht schafft?