Economia | Handwerk

Die Bildungslücke im System

Weil Fachkräfte den Umgang mit Maschinen weder in der Berufsschule noch an der Uni erlernen, hat Niederstätter vor elf Jahren ein eigenes Schulungszentrum eröffnet.
Niederstätter Academy
Foto: Seehauserfoto
  • Sie sind Südtirols größter Ausbilder für den Bau: Die Niederstätter Academy in Bozen Süd bietet möglichst praxisnahe Kurse für den Umgang mit Baumaschinen und Arbeitssicherheit an, Unterrichtssprache ist Deutsch oder Italienisch. Auf dem Programm stehen Kurse für einzelne Baumaschinen wie Stapler oder Kran, allgemeine Sicherheit, Brandschutz und persönliche Schutzausrüstung. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass für bestimmte Berufe oder Tätigkeiten diese Grundkurse erfolgreich abgeschlossen sein müssen. 

  • Das Know-how fehlt

    Die Nachfrage ist groß: Seit dem Jahr 2014 hat das Unternehmen mit Sitz in Steg bei Atzwang mehr als 40.000 Personen ausgebildet, heute werden auch in Treviso und Bergamo Kurse angeboten. Im Jahr 2024 haben rund 14.000 Personen einen der Kurse besucht. Eigentlich verkauft und vermietet Niederstätter Baumaschinen hochwertiger Marken, etwa die Kräne von Liebherr oder die Radlader von Kramer. Aber was hilft die beste Baumaschine, wenn die Arbeiter vor Ort nicht viel mit ihr anfangen können?

    Das denkt sich auch der Südtiroler Straßendienst. An einem regnerischen Vormittag in Bozen Süd nehmen rund ein Dutzend Angestellte des Landes an einem Grundkurs für Bagger teil. In neonorangen Schutzanzügen stehen sie unter einer Plastikplane, die an Festzelte und Bierbänke erinnert. „Die meisten Baufirmen haben gute Maschinen, aber noch keine Computertechnik. In den letzten Jahren haben sie durch die Industrie 4.0 viel mehr in Maschinen investiert und wünschen sich, dass sich ihr Personal damit auskennt“, erklärt Lukas Rottensteiner von der Niederstätter Academy

  • Astrid Politz und Lukas Rottensteiner: Sie leiten das Ausbildungszentrum in Bozen Süd. Foto: Seehauserfoto
  • „Wir wollen nicht nur Pflichtschulungen anbieten, sondern in Zukunft verstärkt Führerscheinneulingen mehr Praxiserfahrungen ermöglichen“, sagt Astrid Politz von der Niederstätter Academy. Wer in kleiner Teilnehmerzahl zum Beispiel drei Tage lang baggert, sei besser auf den Arbeitsalltag vorbereitet als nach einem Grundkurs mit großer Teilnehmerzahl.

    „Die Maschinen werden komplexer, sie haben zum Beispiel ein 3D-System und messen automatisiert Abstände ab. Mit einem solchen Bagger braucht es mehr Zeit, um sich an der Maschine auszukennen. Zwar steuert noch immer der Fahrer die Maschine, aber ein solches System ist sehr hilfreich, vor allem weil Fachkräftemangel herrscht und nicht jeder ausreichend Arbeitserfahrung mitbringt“, erklärt Rottensteiner. Das erhöhe auch die Arbeitssicherheit: „Wenn beispielsweise ein Fahrer eine Person in der Nähe des Staplers nicht sieht, stoppt das Fahrzeug automatisch.“ 

     

    „Unternehmen können nicht riskieren, dass ihre Angestellten gehen.“

     

    Innovation wird beim Familienunternehmen Niederstätter traditionell großgeschrieben. „Unsere Partner investieren in Forschung und Entwicklung. Sie wollen beispielsweise Krane bauen, die leiser und leicht beweglich sind und weniger Strom brauchen. Das ist für uns ausschlaggebend“, erklärte die 72-jährige Gründerin Maria Niederstätter bei einem Firmenbesuch gegenüber SALTO

    Das über Jahrzehnte gesammelte Wissen soll nicht nur an die nächste Generation der Familie Niederstätter weitergegeben werden, sondern auch an die Fachkräfte am Bau. Rottensteiner hält seit zehn Jahren Kurse ab, der gelernte Mechaniker wurde bei BMW in Brixen ausgebildet. „Wenn die Teilnehmer sehen, dass man selbst einmal in dieser Branche gearbeitet hat, dann entsteht eine ganz andere Beziehung zwischen Referenten und Teilnehmer.“ 

  • Schulung zu Arbeitssicherheit: Die Kurse beinhalten Theorie und Praxis. Foto: Seehauserfoto
  • Die Herausforderungen am Bau

    Zunehmend haben die Teilnehmer einen Migrationshintergrund, Sprachkenntnisse in Deutsch oder Italienisch sind nicht immer vorhanden. Die Umgangssprache auf der Baustelle ist also teils sehr unterschiedlich. „Viele sind aus Italien, Albanien oder Marokko. Es hängt auch vom Berufsbild ab, zum Beispiel kommen Gipser oder Eisenbinder häufig aus derselben Region“, sagt Rottensteiner. Die verschiedenen Ethnien mache die Kommunikation nicht einfacher. „Dieses Sprachproblem bemängeln Vorarbeiter immer wieder.“ Niederstätter überlegt deshalb, auch Integrationskurse anzubieten.

    Heute genieße die Baubranche einen besseren Ruf als noch um die Jahrtausendwende. „Es hat in Südtirol ein Umdenken stattgefunden. Chefitäten denken heute anders und lassen ihr Personal aus- und weiterbilden“, sagt Rottensteiner. In den letzten Jahren zieht die Branche auch einige wenige junge Frauen an, die an den Kursen teilnehmen. „Im Vergleich zu sozialen Berufen wie zum Beispiel Tagesmutter verdient man besser. Es ist aber körperlich sehr anstrengend, obwohl Maschinen heute vieles erleichtern. Zudem werden die Gehälter in den nächsten Jahren eher steigen, weil häufig der Nachwuchs fehlt und Unternehmen nicht riskieren können, dass ihre Angestellten gehen“, prognostiziert der Ausbildner. 

  • Astrid Politz: Frauen für die Baubranche begeistern – bisher besuchen nur wenige weibliche Teilnehmerinnen die Kurse. Foto: Seehauserfoto
  • In der Zwischenzeit versuchen Initiativen wie „She builds“ von dem Südtiroler Baukollegium, gezielt Frauen anzusprechen. Auch Astrid Politz setzt sich für die Kamera in die Fahrerkabine des Baggers. Sie habe schon einiges gelernt, seit sie im Büro der Niederstätter Academy arbeitet, sagt sie. 

ATTENZIONE!
La diversità di opinioni è in pericolo!

Se venissero accettati i requisiti per i contributi ai media, non potresti vedere i commenti senza registrazione.

Ecco perchè