Società | Identität

Jung und in Südtirol zu Hause

Wie sehen sich junge Südtiroler selbst, wodurch bilden sie ihre Identität und wie werden sie von zugezogenen Studenten wahrgenommen?
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Foto: Maria Detering

100 Jahre Anschluss Südtirols an Italien, Kampf und Identitätsbewahrung und am Schluss die Autonomie. Wie definieren sich junge Südtiroler 100 Jahre nach diesem historischen Ereignis und wie schätzen Studierende von auswärts die Situation zwischen den beiden Sprachgruppen ein?

Kirchtage und Schützenfeste, Alpenverein und Bergmessen. Südtirol ist voller Traditionen, Bräuche und Besonderheiten. Gerade die früheren Generationen halten mit Stolz daran fest, sie formen ihre Heimat und somit auch ihre Identität. Doch wer sind sie, dieses Südtiroler? Österreicher? Italiener? Keins davon oder alle drei? Und noch wichtiger: Wie sehen sie sich selbst, wodurch bilden sie ihre Identität und wem fühlen sie sich näher – der Schutzmacht Österreich oder doch der Hauptstadt Rom?

„Südtirolerin“, antwortet die Kindergärtnerin Anna (26) ohne zu zögern auf die Frage nach ihrer Nationalität. Die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschen und Italienern seien allerdings nach wie vor spürbar. Auch ihr Freundeskreis ist generell eher deutsch- beziehungsweise italienischsprachig ausgerichtet – statt bunt durchmischt. Von dieser Trennung spricht auch Joe (21) aus Oxford, der an der Universität Bozen Ingenieurwesen studiert: „Seit dem ersten Kurstag ist die ungeschriebene Regel, dass in den ersten zwei Reihen des Vorlesungsraumes die Italiener und in den letzten zwei Reihen die Südtiroler sitzen“.

Mi sento altoatesino, non mi voglio né definire italiano né tedesco, mi sento semplicemente altoatesino.

Heimat und Identität – unabhängig von der Staatsbürgerschaft. Die Sozialarbeiterin Ruth aus Terlan hat einen deutschen Pass und sieht sich klar als Südtirolerin: „Deutschland würde ich nicht als meine Heimat bezeichnen.“ Trotzdem merkt Ruth immer wieder, dass sie nicht zu 100 Prozent eine echte Südtirolerin sei: „Ich bin nicht hier aufgewachsen, nicht katholisch und auch in keinem Verein aktiv. Der Unterschied ist aber hauptsächlich im Dorf spürbar, in der Stadt sieht die Sache schon wieder ganz anderes aus.“ 

 

„Mi sento altoatesino, non mi voglio né definire italiano né tedesco, mi sento semplicemente altoatesino”, sagt Luca (18) aus Bozen. Da er sowohl Deutsch als auch Italienisch spricht, nimmt er den Unterschied zwischen den beiden Sprachgruppen nicht so stark wahr.

Definiert Sprache Identität und wenn ja, welche Rolle spielt sie in einem dreisprachigen Land, das sich kosmopolitisch und modern gibt? „Ich finde es schön, dass wir Südtirolerisch in den unterschiedlichsten Dialekten reden und jeder Ort seine ganz besonderen Eigenheiten hat“, so Anna aus Tramin. „Natürlich, in der Schule müssen wir Hochdeutsch reden, aber gerade durch den Dialekt wird unsere Südtiroler Identität bewahrt.“. „Die Sprache spielt ganz klar bei der Identität mit hinein“, bekräftigt Ruth. „Ich spreche verschiedene Sprachen und fühle mich in allen beheimatet, doch in jeder Sprache bin ich jemand anders.“ 

Ich finde die Zweisprachigkeit großartig.

Auch Joe aus England sagt, er habe gemerkt, dass der Dialekt identitätsstiftend sei. „Manchmal höre ich, dass Italiener den Südtiroler Dialekt belächeln, aber ich sehe nicht, was das Problem mit dem Südtirolerischen ist. Ich finde auch die Zweisprachigkeit großartig, hin und wieder merke ich, was das für eine Möglichkeit ist, an einem Ort mehrere Sprachen sprechen zu können.“ Kontakt mit Italienern hat Ruth hauptsächlich an ihrem Arbeitsplatz; mit ihren Freunden spricht sie Deutsch und im Dialekt. Die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschen und Italienern bestehen nach wie vor, doch dies sei nicht unbedingt negativ: „An Südtirol schätze ich vor allem die sprachliche und kulturelle Vielfalt", so Ruth. Für viele junge Leute bedeutet Südtiroler sein, sich im Dialekt zuhause fühlen zu können und von der Vielfalt der Mehrsprachigkeit zu profitieren. Dies ist eine recht neue Errungenschaft.

 

Die aus Padua zugezogene Wirtschaftsstudentin Alice (21) spricht einen weiteren Punkt an: „Essendo una regione a statuto speciale, molti non si sentono italiani del tutto. Conosco gente del Trentino-Alto Adige che dice: Vedi, quello è un edificio statale, vedi quanto fa schifo, questo invece è un edificio della regione tenuto bene. Questo secondo me definisce tanto l’identità qua.“ Dabei ginge es vor allem um die jüngeren Leute, die in den Zeiten aufgewachsen sind, in denen größere politische Unruhen und identitäre Konflikte sich entkrampft haben: „Le nuove generazioni hanno sempre vissuto in questo tipo di situazione quindi non si pongono il problema di „qual è casa mia?“ quando „casa mia“ è sempre stata questa realtà.“ Vielleicht ist auch das der Grund dafür, dass an „Identität“ nicht mehr viele Adjektive attribuiert werden. Südtiroler sein kann für junge Leute heißen: Südtiroler in Italien, unter Statuto Speciale, in Europa, in der Welt. Die Grenzen sind flüssiger geworden, wie Kreise, die über das Wasser wandern.

Durch den Dialekt wird unsere Südtiroler Identität bewahrt.

Und doch gibt sich Südtirol manchmal noch als separat. „Die einzigen Male, in denen ich mich irgendwie fremd gefühlt habe, war bei beim Erledigen von bürokratischen Themen. Da hat man mir öfter vermittelt, dass ich ausländisch war, dass ich komplizierter bin als die Standard-Fälle, dass ich ein Problem für sie bin“, sagt der Oxforder Joe. Die dreisprachige Freie Universität Bozen, die an sich als Mittel dienen könnte, um Türen zwischen verschiedenen Sprachgruppen, zwischen Südtirol und der Welt zu öffnen, ist noch zu weit von der hier gelebten Realität entfernt. „Ich habe nicht das Gefühl, wirklich in einer Südtiroler Gemeinschaft integriert zu sein, da die meisten Studenten der Universität aus anderen italienischen Regionen kommen“, so Joe.

 „L’unico problema è che l’università è un contesto a parte. Non viene considerata dagli altoatesini“, meint auch Alice aus Padua. Dennoch sind auch Studenten von außerhalb daran interessiert, an einer verstärkten Annäherung der Sprachgruppen mitzuwirken. Alice liest zum Beispiel gerade das Buch Eva schläft von Francesca Melandri, um die Geschichte Südtirols besser zu verstehen.
Es wäre wünschenswert, dass die junge Generation die sprachliche Vielfalt in Südtirol mehr und mehr zu schätzen weiß, die sich durch das Zusammenleben der unterschiedlichsten Kulturen ergibt.

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Dietmar Holzner Gio, 08/29/2019 - 09:58

Ich verstehe das Ziel dieses Beitrages nicht. Sollte hier ein Querschnitt der Studenten der UNI Bozen gebildet werden? Dann darf im Vorspann nicht stehen "DIE jungen Südtiroler". Oder war es reine Bequemlichkeit, weil man selbst an der Uni ist und damit schnell und einfach ein paar Eindrücke sammeln kann? Dann sollte man wenigstens darauf verzichten, ausländische Studenten, die erst (und nur für) kurze Zeit hier sind, zu befragen.
Aber vor allem: Gehen Sie bitte mal raus in die Dörfer oder rein ins Europaviertel in Bozen, dann werden Sie vermutlich (sic!) ein ganz anderes Bild bekommen. Ich will da gar nicht von Kosmopolitismus sprechen, denn dieser Anspruch wird so oft erhoben, von Leuten, die gar nicht merken wie sie sich darin verrennen und sich dabei vielen Sichtweisen entziehen. Aber der Trend der (zwei) Volksgruppen, sich immer weiter voneinander zu entfernen, ist wohl nicht von der Hand zu weisen.

Gio, 08/29/2019 - 09:58 Collegamento permanente