Sinicher Blase
Der folgende Artikel ist am 28. September 2015 auf Salto.bz erschienen. Am Montag erklärte das Landesgericht Bozen den Konkurs der Solland Silicon. Das Unternehmen hat einen Schuldenberg von über 30 Millionen Euro angehäuft. Dass dieser Ausgang seit langen vorhersehbar war, zeigt die Recherche von Salto.bz vom September 2015. Besitzer Massimo Pugliese hatte bereits Insolvenzen hinter sich, war rechtskräftig verurteilt und bei der Übernahme des Unternehmens nicht mehr kreditwürdig. Trotzdem hat ihn die Landes- und Gemeindepolitik als Retter der Ex-Memc hoffiert. Die Chronik einer Seifenblase, die jetzt geplatzt ist.
Seifenblasen sind schön anzuschauen und laden zum Träumen ein. Bis sie platzen.
Demnächst könnte es in Sinich bei Meran genau so sein.
Im Mittelpunkt der Seifenblase stehen das Sinicher Ex-Memc-Siliziumwerk, rund 155 Arbeitsplätze und sein neuer Besitzer Massimo Pugliese. Der 48jährige Unternehmer aus Avellino hat Ende 2014 das angeschlagene Siliziumwerk der SunEdison in Sinich übernommen. Seit drei Jahren steht die Produktion inzwischen still. Pugliese und seine Solland Silicon waren ein Hoffnungsschimmer.
Doch bisher wurde keines der vom neuen Besitzer öffentlich abgegebenen Versprechen gehalten.
Mehrmals ist der Start der Produktion bereits angekündigt und dann aber immer wieder verschoben worden. Zuletzt war von Oktober 2015 die Rede. Im vergangenen Sommer präsentierte Pugliese stolz ein Lieferabkommen mit dem chinesischen Marktführer von Photovoltaik-Modulen Trina Solar. Das in Sinich produzierte Silizium – die Rede war von 5000 Tonnen im Jahr – soll in der Pufin Power-Niederlassungen in Holland, der Konzernmutter von Solland Silicon zu Solarzellen weiterverarbeitet werden.
Weil die Mitarbeiter seit Monaten kein Geld mehr bekommen, kam es in den vergangenen Wochen zu offenen Protestkundgebungen. Am 18. September versicherte der Firmeninhaber Massimo Pugliese bei einem Treffen mit Arbeitslandesrätin Martha Stocker und den Gewerkschaften, dass er innerhalb 15. Oktober alle Zahlungen vornehmen werde. Diese Woche am Donnerstag 1. Oktober soll es in römischen Arbeitsministerium zu einem weiteren Treffen kommen, um die Situation in Sinich genauer zu klären.
Vieles spricht aber dafür, dass es kaum mehr etwas zu klären gibt.
Nicht kreditwürdig
Die Cerved Group ist einer der bekannteste Dienstleister für Unternehmensauskünfte in Italien. Das Unternehmen liefert nicht nur Bilanzen, sondern auch Presseberichte, Analysen und offizielle Finanzunterlagen. Recherchiert man in diesem Portal nach der Solland Silicon Srl mit Sitz in Sinich bei Meran, dann erscheint ein roter Balken. Darin zu lesen: „Non esistono le premesse per la concessione di un fido“. Dazu wird angegeben, dass das Risikopotential des Unternehmens höher ist als im Durchschnitt.
Diese vernichtende Einschätzung fußt nicht nur auf die ausstehenden Zahlungen in Sinich, sondern auch auf die bisherigen unternehmerische Tätigkeit von Massimo Pugliese und auf den Zustand der holländischen Muttergesellschaft des Unternehmens in Sinich.
Cerved Auszug: Nicht zuverlässig
Insolvenz in Holland
Die Solland Silicon Srl hat ein Gesellschaftskapital von 10.000 Euro und gehört zu 100 Prozent der holländischen Pufin Power Holland BV. Dieses Unternehmen mit Sitz in Maastricht hat ebenfalls eine Gesellschaftskapital von 10.000 Euro.
Die holländische Unternehmensgruppe, deren Besitzer wiederum Massimo Pugliese und seine Pufin Spa in Avellino sind, hat eine weitere Unternehmenstochter: Die Solland Solar. Die Pufin Group wollte unter der Marke Solland Solar eigentlich im September mit der Fertigung von Photovoltaikzellen in Sinich starten
Doch darauf wird nichts werden. Denn die Solland Solar hat vergangene Woche Konkurs anmelden müssen.
Das Gericht im holländischen Limburg hat bereits vor Monaten Dominique Roomberg als Verwalter bestellt, der bei der Restrukturierung der Schuldverschreibungen unterstützend tätig sein soll. Die Ernennung erfolgte auf Antrag der Gewerkschaft, die diesen stellvertretend für die 80 Beschäftigten von Solland Solar in Holland stellte, die seit Wochen keinen Lohn mehr erhalten. Weil Pugliese immer noch nicht gezahlt hat, wurde jetzt der Antrag auf Insolvenz gestellt.
Politisches Netzwerk
Massimo Pugliese ist ein hochgefeierter Unternehmer. Der Mann aus Avellino hat in den vergangenen Jahren mehrere Preise gewonnen. So wurde er im Oktober 2012 von ehemaligen Minister Gianfranco Rotondi und vom ehemaligen Unterstaatssekretär Carlo Giovanardi in Saint Vincent zum Unternehmer des Jahres gekürt. In der Begründung heißt es: „Pugliese rappresenta l’eccellenza dell’industria italiana nel mondo, il fiore all’occhiello del fare impresa“.
Arbeiterproteste in Sinich: Vergebliches Warten auf den Lohn?
Die Ehrung scheint aber eher parteipolitischer Natur zu sein. Denn Massimo Pugliese ist politisch im Mitte-Rechts-Lager bestens vernetzt. Sein um vier Jahre jüngerer Bruder Marco Pugliese, der ebenfalls in der Pufin Power Group tätig ist, saß von 2008 bis 2013 für Silvio Berlusconis Popolo della Libertá im römischen Abgeordnetenhaus. Er selbst soll hin und wieder bei Silvio Berlusconi privat zu Gast.
Die Auszeichnung in Saint Vincent erhielt Massimo Pugliese als Präsident des Unternehmens Elital Spa. Pech, dass genau diese Unternehmen wenig später in Richtung Konkurs rutscht. Ein Restrukturierungsabkommen der Schulden rettet die Firma zwar, doch wurde ein Teil des Immobilienvermögens Puglieses gepfändet. Im Geschäftsjahr 2013 machte die Elitalia zudem einen Verlust von über 4,8 Millionen Euro.
„Pugliese rappresenta l’eccellenza dell’industria italiana nel mondo, il fiore all’occhiello del fare impresa“
Die Konkurse
Überhaupt ist der Weg des Unternehmers aus Avellino mit Konkursen und nicht ganz freiwilligen Liquidationen gepflastert. Massimo Pugliese hat fast ein Dutzend Unternehmen in den Sand gesetzt. Spektakulär war der Konkurs des Fussballvereins Avellino Calcio, dem der Unternehmer vier Jahre lang als Präsident vorstand.
Ebenso schwerwiegend aber ist der Konkurs der Ixfin Spa, einem Elektronikunternehmen aus Marcianise bei Caserta. Die Pugliese-Firma mit einem Gesellschaftskapital von 5 Millionen Euro, rutschte ebenfalls in den Bankrott. Dabei versickerten fast 20 Millionen Euro an öffentlichen Zuwendungen.
Massimo Pugliese und seine inzwischen liquidierte Maxifin Srl waren auch in den betrügerischen Rekurs des Olivetti-Nachfolge Unternehmens Oliit Spa verwickelt. Im Oktober 2011 wurde Pugliese vom Landesgericht Ivrea wegen betrügerischen Konkurses deshalb zu 5 Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt. Der Unternehmer selbst beteuert bis heute seine Unschuld. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Ein Großteil der Immobilien der Familie Pugliese ist seitdem mit Hypotheken belastet oder unter Pfändung. Pugliese hat gegen die Pfändungen zuerst vor dem Landesgericht Turin und dann vor dem Kassationsgerichtshof rekurriert. Aber alle Verfahren verloren.
Die Alarmsignale
Dass es Massimo Pugliese und seiner Pufin Power wirtschaftlich derzeit nicht besonders gut geht, zeigt sich an einem anderen Unternehmen. Die Pufin Power Service Srl mit Sitz in Avellino ist eine weitere Tochter des holländischen Konzerns. Auf das Unternehmen wurden im Juni und Juli 2015 vier Wechselproteste in der Höhe von insgesamt 700.000 Euro eingetragen.
Dazu kommt ein Vorfall, den die Landespolitik bisher nicht an die große Glocke gehängt hat. Der größte Kostenpunkt in der Siliziumherstellung ist die Energie. Aus diesem Grund haben sowohl die Memc, wie auch die SunEdison immer wieder darauf gedrängt, zu billigerem Strom zu kommen.
Treffen Puglieses mit Landeshauptmann Kompatscher (Nov. 2014): Starke Zweifel.
Bereits vor Jahren wurde auf Betreiben der Landesregierung zwischen dem italienischen Netzbetreiber Terna, der Landesenergiegesellschaft SEL AG und der Memc ein Abkommen zur Errichtung einer Merchant-Line über den Brenner abgeschlossen. Dadurch würde das Werk in Sinich mit billigen Strom beliefert werden.
Bereits bei der Übernahme im vergangenen Winter lies Massimo Pugliese aber durchblicken, dass ihn dieses Abkommen anscheinend nicht interessiert. Es ist für manchen Landesrat ein mehr als starkes Indiz dafür, dass die Produktion in Meran erst gar nicht mehr aufgenommen wird.
Auch bei den Gewerkschaften ist man inzwischen auf alles gefasst. In den vergangenen Tagen hat man indirekt die Marschroute festgelegt. Sollte der Unternehmer nicht innerhalb 15. Oktober die ausstehenden Löhne zahlen, will man einen Konkursantrag stellen.
Man darf noch auf ein Wunder hoffen. Oder die Seifenblase in Sinich wird wirklich platzen.
Sollen wir jetzt weinen?
Sollen wir jetzt weinen? Hätte man die Belegschaft vor Jahren in Frührente geschickt, hätte man sich Unsummen gespart, vor allem aber Ärger und Meran wäre diese Umwelthypothek endlich los gewesen. Ein Industriemuseum hätte sich gut gemacht in den alten, abgerissenen Hallen.
In risposta a Sollen wir jetzt weinen? di Oskar Egger
Messner hat für ganz andere
Messner hat für ganz andere Projektchen Geld bekommen.