Belohnte Bauvergehen?

Hans Heiss nimmt sich kein Blatt vor den Mund: „Die Frage ist ob man massive Bauvergehen sogar belohnen kann“, sagt der grüne Landtagsabgeordnete. Und fügt dann hinzu: „Der neu gewählte Gemeinderat in St. Christina/Gröden und Bürgermeister Moritz Demetz stehen hier vor einem grundlegenden Glaubwürdigkeitstest“.
Der Anlass für das Statement ist die Sitzung des Gemeinderates von St. Christina am Dienstag, den 29. Dezember. Auf der Tagesordnung steht die Ausweisung einer neuen Tourismuszone beim „Smarthotel Saslong“ am Westrand von St. Christina. „Im Waldstreifen hinter dem Hotel soll eine neue Zone das Hotelangebot sprunghaft erweitern, was eine rechtlich bereits unhaltbare Situation auf die Spitze treiben würde – im mehrfachen Angriff auf Legalität, Raumordnung und Umwelt“, heißt es dazu in einer Landtagsanfrage, die Hans Heiss, Brigitte Foppa und Riccardo Dello Sbarba jetzt eingebracht haben.
Salto.bz hat unter dem Titel „St. Spekulina“ bereits mehrmals über die wundersame Bettenvermehrung in der Grödner Gemeinde berichtet.
2004 wurde für die damals an der Stelle des alten ‚Sasslong‘ bestehende Pension um eine kleine Erweiterung von 20 auf 25 Betten angesucht, die von der Gemeinde zwar anstandslos genehmigt, aber von den Bauherren nicht durchgeführt wurde. Im Jänner 2010 genehmigte die Gemeinde unter Bürgermeister Bruno Senoner dann aber eine Variante des Projekts auf völlig neuen Grundlagen:
Nun sollte gemäß Wünschen des Bauherrn aufgrund neuer Planung die Bettenzahl von 25 auf 94 Betten katapultiert werden; statt des Residence sollte ein Drei-Sterne-Hotel entstehen. Weit mehr als eine Variante also, stattdessen ein völlig neues Vorhaben in ungleich größerer Dimension, auf der rechtlich anfechtbaren Basis einer alten Baukonzession, aber mit neuem Bauherren, da Anfang September 2010 die Saslong GmbH von Ezio Prinoth die bisherige Eigentümerin Saslong SAS von Alois Rabensteiner ablöste: Prinoth ist seit 2015 auch Präsident des Tourismusvereins. Zudem sollte die Verlegung der öffentlichen Bushaltestelle vor dem Hotel den Mangel an Parkplätzen ausgleichen.
Im Juli 2010 genehmigte der im Mai 2010 neu gewählte Bürgermeister Eugen Hofer, dann eine weitere Variante mit 46 Zimmern und 94 Betten – das nun zügig erneuerte „Smarthotel Saslong“ eröffnete am 4. Dezember 2010. Bald nach Eröffnung genehmigte die Baukommission eine zweite Variante: Nach dieser Genehmigung konnten mit einem Kubaturbonus 2067,25 Quadratmeter gebaut werden. Der Planer musste später aber zugeben, dass man in Wirklichkeit 2.126,88 Quadratmeter verbaut hatte. Zudem kommt ein vom Bozner Landesgericht ernannter Sachverständiger zum Schluss, dass der Kubaturbonus nicht rechtens war.
Smarthotel Saslong: Systematische Trickserei?
Auch mit der Benutzungsgenehmigung des Hotels stimmt einiges nicht. Obwohl das Hotel bereits im Dezember 2010 eröffnet wurde, gab es nur eine befristete Benutzungsgenehmigung. „Bis man die Genehmigung ausgestellt hat, operierte das Hotel hat ganze 22 Monate ohne Benützungsgenehmigung“, sagt Hans Heiss.
Die BausündenDas Urteil der grünen Landtagsabgeordneten ist vernichtend: „Von einer kleinen Überdehnung ist keine Rede, sondern es geht um systematische Trickserei“.
Untermauert wird dieser Anklage von amtlicher Seite. Seit über einem Jahr ermittelt auch die Bozner Staatsanwaltschaft in Sachen Smarthotel Saslong. Staatsanwalt Giancarlo Bramante hat dabei einen Sachverständigen ernannt. Der bekannte Südtiroler Architekten hat alle Pläne, Unterlagen und Berechnungen analysiert und mit dem jetzt gebauten Hotel verglichen.
Das Ergebnis des Gutachtens ist für den Bauherrn und für die Gemeindeverwaltung vernichtend:
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Die erlaubten Gebäudehöhen von max. 9 bzw. 9,5 Metern wurden souverän ignoriert und übertrafen das zulässige Maß mit 12,97 oder 15,45 Metern um 44% bzw. 63%.
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Das zulässige Raumvolumen wurde geradezu gesprengt. Das oberirdische Bauvolumen wurde um 1021 Kubikmeter, das unterirdische um 431 Kubikmeter überschritten.
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Zudem drang das Bauvolumen des Hotels teilweise in eine Wohnbauzone und in landwirtschaftliches Grün ein, deren raumordnerische Parameter ignoriert wurden.
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Auch die Zahl der vorgeschriebenen Parkplätze vor allem im Freien bei weitem verfehlt, sodass dem Hotel das notwendige Kontingent an Parkraum fehlte.
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Die unter Beanspruchung des Kubaturbonus höchstzulässige Fläche von 2067 qm wurde bereits zufolge des Architekten um knapp 60 qm überschritten, faktisch aber erreicht die Bruttogeschossfläche 2.362, 66 qm und liegt damit um 790,16 qm über dem erlaubten Wert.
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Im Hotel wurden statische Hohlräume widerrechtlich zu Zimmern umgebaut.
Nachdem diese schweren Bauvergehen bekannt wurden, hat Bürgermeister Eugen Hofer eine Strafe von 159.724 Euro verhängt. 2011 wurde das Strafmaß auf zunächst 103.622 Euro, 2012 dann auf 41.165 Euro und damit auf gut 25% des Ausgangswertes gesenkt.
Trick TourismuszoneDoch der Ausbau des Smarthotel Saslong ist noch nicht abgeschlossen. Seit Jahren plant man bereits eine neue Erweiterung mit der man auch die alten Bausünden sanieren will.
Die von der Landesregierung seit 2007 gesetzlich neu geregelten Tourismuskonzepte eröffneten auch für St. Christina und das ‚Saslong‘ neue Chancen: Am 2. Mai 2011 verabschiedete der Gemeinderat ein Tourismusentwicklungskonzept mit insgesamt 400 zusätzlichen Betten.
Auch ‚Saslong‘-Hotelier Ezio Prinoth wurde davon begünstigt. Am 29. Juli 2013 genehmigte der Gemeinderat eine neue Zone für touristische Beherbergungsbetriebe am bereits überdimensionierten Hotel.
„Man will nun den Akt vornehmen, gegen alle rechtlichen, raumordnerischen und naturschützerischen Hürden, offenbar im Blindflug friedvoller Feiertagsstimmung.“
Diese Bauleitplanänderung wird aber von Landeskommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung und der Landesregierung wegen vielfältiger Formgebrechen und inhaltlicher Mängel am 22. Juli 2014 zurückwiesen. Unerschrocken verabschiedete der Gemeindeausschuss dennoch am 18. November 2014 zum zweiten Mal eine Tourismuszone für das Smarthotel Saslong, die trotz nur geringfügiger Änderung trotz schwerer Bedenken seitens des Landes am 16. April 2015 angenommen wurde.
Nun ist der neue, im Mai 2015 gewählte Gemeinderat am Zug. Bereits am 23. November sollte sich der Gemeinderat mit der Eintragung der Zone in den Bauleitplan befassen. Aufgrund rechtlicher Einwände der Anrainer hat man die Entscheidung aber auf den 29. Dezember vertagt.
In der stillen Weihnachtszeit soll die Verabschiedung jetzt über die Bühne gehen. „Man will nun den Akt vornehmen, gegen alle rechtlichen, raumordnerischen und naturschützerischen Hürden, offenbar im Blindflug friedvoller Feiertagsstimmung“, sagt Hans Heiss.
Hans Heiss, Brigitte Foppa und Riccardo Dello Sbarba haben am Montag im Landtag eine Anfrage zu den Vorgängen um das Smarthotel Saslong und die geplante Ausweisung einer Tourismuszone eingereicht.
In der Anfrage heißt es:
"Das Smarthotel Saslong liegt bereits jetzt nach Raumvolumen, Fläche und Höhe, ebenso im Hinblick auf die mangelnden Parkplätze weit jenseits aller rechtlich zulässigen Limits; eine weitere staatsanwaltliche Ermittlung dürfte bevor stehen.
Die Erschließungsbeiträge für das illegal erreichte Raumvolumen von 1453 Kubikmeter wurden nicht erhoben, mit erheblichem Schaden für die Allgemeinheit. Wird dem mit einer Vielzahl von illegalen Pferdefüßen behafteten Hotel ‚Saslong‘ auch noch eine Tourismuszone zugeschlagen, so segnet der Gemeinderat damit nicht nur eine systematische Serie von Übertretungen ab, sondern belohnt diese auch noch durch einen neuen Bonus".
Für die grünen Landtagsabgeordneten steht außer Zweifel, „dass der neue Bürgermeister und der neue Gemeinderat von St. Christian mit einem positiven Bescheid für die Tourismuszone ihre Glaubwürdigkeit ebenso aufs Spiel setzen würden, wie auch die Landesregierung bei einer endgültigen Genehmigung der Zone in schiefes Licht geriete.“
Spätestens am Dienstag Abend wird sich zeigen, welche Prioritäten Moritz Demetz & Co setzen.