Società | Gebärdensprache

Minderheit in einer Minderheit

Das Parlament in Rom hat gestern der Anerkennung der verschiedenen Gebärdensprachen sprachlicher Minderheiten, sowie des Fingeralphabets zugestimmt.
Gestern wurde ein von der Ministerin für Menschen mit Behinderungen, Alessandra Locatelli, vorgebrachtes Gesetzdekret in ein Gesetz umgewandelt, das Anerkennung, Förderung und Schutz von Gebärdensprachen in den öffentlichen Einrichtungen der Regionen und Provinzen vorsieht. Damit sieht Locatelli „einen bedeutenden Schritt zur Inklusion, der das Ziel verfolge, allen Bürgerinnen und Bürgern mehr Eigenständigkeit, Autonomie und ein Leben in Würde zu ermöglichen“, gemacht. Landeshauptmann Kompatscher, der in einer Presseaussendung der Provinz angibt, bereits öfters in Rom auf eine Anerkennung der Gebärdensprache sprachlicher Minderheiten gedrängt zu haben, wertet den Schritt „als erfreuliches Zeichen der Inklusion und für den Minderheitenschutz“. Er sei „zum einen als Signal gegenüber Menschen, die aufgrund ihrer körperlichen Einschränkung erschwert Zugang zum gesellschaftlichen Leben und zu Informationen aus der öffentlichen Verwaltung finden, zum anderen als Signal gegenüber den sprachlichen Minderheiten“ zu werten.
In Südtirol kommen neben der italienischen Gebärdensprache (lingua dei segni Italiana, kurz: LIS) vor allem die Österreichischer Gebärdensprache (ÖGS), sowie Mischformen und Dialekte der beiden Sprachen zum Einsatz. Das Österreichische Sprachenkompetenz Zentrum betont im Kontext von der 2005  als eigenständige Sprache anerkannten ÖGS (zum Vergleich: für die LIS war dies erst 2021 der Fall), dass es sich nicht um die „gebärdete Form einer Lautsprache“ handelt, sondern um eine unabhängig entstandene Sprache mit eigener Struktur und Grammatik. Es gäbe, wie bei allen natürlich entstandenen Sprachen, eigene „regional geprägte Dialekte“. Derzeit leben etwa 10.000 Menschen in Österreich, welche mittels ÖGS kommunizieren. Damit ist ÖGS, wie Gebärdensprachen überall auf der Welt, bereits für sich eine Minderheitensprache. Wie bei den Standardzeichensprachen existiert auch das Fingeralphabet, welches unter anderem zum buchstabieren von Fremdworten dient in verschiedenen Ausprägungen.
In Südtirol werden seit der Covid-Pandemie wichtige Pressekonferenzen sowohl in LIS, wie auch in ÖGS übertragen, was den Zugang zu wichtigen Informationen für Menschen mit Beeinträchtigung erleichtert. Landeshauptmann Arno Kompatscher, welcher Alessandra Locatelli für die rechtliche Verankerung des Schutzes von Gebärdensprachen sprachlicher Minderheiten dankt, sieht durch die Entwicklung eine Chance gekommen: „Damit ist auch der Weg für die Anerkennung der Ausbildung für Übersetzer in österreichische Gebärdensprache (ÖGS) eröffnet.“
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△rtim post Ven, 06/30/2023 - 11:05

Nach all der Zeit der Diskriminierung hat es geklappt. Gebärdensprache als eigene Sprache darf nun mit Zustimmung Roms an Bozens öffentliche Einrichtungen verwendet werden. Besser spät als gar nicht.
Hoffen wir nun auch auf die Umsetzung der Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats vom 5. November 1992.
Seit Unterzeichnung Italiens am 27.06.2000 hat es diese noch immer nicht ratifiziert und in Kraft gesetzt.

Ven, 06/30/2023 - 11:05 Collegamento permanente