Mühselig, unselig
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Hunderte Kilo Müll sammeln Fischer laut Geschäftsführer des Fischereiverbandes Alex Festi jährlich in Südtirols Gewässern. Doch wie groß ist das Thema wirklich? Ist Müll längst zu einem Problem in unseren Flüssen, Bächen und Seen geworden? Und was hat das für Folgen? Darüber spricht Wasserökologe Vito Adami im SALTO Interview.
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SALTO: Herr Adami, als wie groß sehen Sie das Problem des Mülls in Südtirols Gewässern?
Im Bereich der Siedlungen gibt es manchmal ein Müllproblem. Es ist ein delikates Thema, weil ja ein Großteil vom Müll, der im und am Fluss liegt, vor allem im urbanen Bereich, mit provisorischen Siedlungen und Zeltlagern zusammenhängt. Die dort lebenden Menschen nutzen den Fluss als Wohnort, aber auch als Mülldeponie. In den vergangenen Jahren haben wir in Bozen auch mal Situationen gehabt, die jenseits von Gut und Böse waren. Unterhalb der Loreto-Brücke zum Beispiel haben wir vor einigen Jahren eine regelrechte Deponie gefunden. Da war von Schrott über Alteisen und Nylon bis hin zu viel Organischem alles dabei. Bozen hat aber auch eine besondere Situation. Sie ist nicht nur die größte Stadt Südtirols, sondern hat auch die größte Uferlänge. Wirklich gravierend ist die Situation nur in gewissen urbanen Bereichen wie eben Bozen oder Meran. Vor allem in der Landeshauptstadt ist das Problem oft den angesprochenen illegalen Siedlungen entlang des Eisacks geschuldet. Das ist aber eine ganz andere Problematik, denn wo sollen die Menschen hin, die dort leben? Sie haben ja nichts. Es kam schon öfter vor, dass sie verschickt und ihre Lager aufgelöst wurden. Am nächsten Tag lassen sie sich dann halt am anderen Ufer oder weiter flussabwärts nieder. Ein weiteres Problem, immer auf Bozen bezogen, sind Hundekotsäckchen. Entlang einiger Abschnitte des Rad- oder Fußgängerwegs am Eisack fanden wir Bäume, die wie Christbäume aussahen, mit 20 bis 40 Säckchen darin hängend. Ich meine, man macht sich die Mühe, den Kot aufzuheben, um ihn dann über die Flussmauer zu werfen? Diese Problematik hat sich in der Zwischenzeit teilweise gebessert. Allgemein entsorgen viel weniger Leute Müll in den Flüssen.
Und wie sieht die Situation im Rest des Landes aus?
Ein klarer Gradient ist wahrzunehmen. Das Problem tritt mehr in den Ballungsräumen auf. Nicht nur, weil mehr Leute dort leben, sondern auch, weil mehr Leute unter Umständen keine große Bindung zu ihrem provisorischen Wohnort haben. Zum Teil ist es auch ein kulturelles Problem. Thema Müll, wie wir das wahrnehmen, ist in Ländern der Dritten Welt eher nebensächlich. Wenn es ums Überleben geht, kümmert man sich nicht um die Entsorgung des Mülls.
Stimmt es, dass in den Dörfern Bäche oft als Alternative zu Mülldeponien verwendet werden?
Ja, es passiert auf jeden Fall. Aber ich habe Zeiten erlebt, in denen das Problem viel größer war. Damals wurde viel mehr Müll in der Natur und den Flüssen entsorgt. Auch Industriemüll und jener von Handwerkern. Das ist selten geworden.
Sind auch stehende Gewässer wie zum Beispiel Seen von der Verschmutzung betroffen?
Ich würde sagen, ganz wenig. Man muss aber auch dazusagen, dass bei uns sehr wenig Leute an einem See wohnen. Südtirol hat generell relativ wenige Seen in mittleren Höhen, anders als das Trentino zum Beispiel. In einem Umkreis von 20 Kilometern Luftentfernung von Trient sind ja mindestens 20 Seen, zum Teil Badeseen und so weiter, in einer Höhenlage von ein paar hundert bis zu 1.000 Meter. Die Leute bei uns, die zu diesen Badeseen fahren, tun das aus Freizeitgründen und nicht, um ihren Müll dort wegzuwerfen. Wäre ja auch unpraktisch, wenn jemand aus Bozen zum Beispiel bis nach Montiggl fährt, nur um seinen Müll loszuwerden (grinst).
Welche Folgen hat der Müll in den Flüssen?
Vor allem Plastikmüll hat Folgen. Nicht so sehr die Plastikteile, die man sieht, sondern die winzigen Teile, die daraus entstehen, das Mikroplastik, überwiegend aus Nylon und ähnlichem. Diese winzigen Kunststoffteile schaffen es nämlich in die Nahrungskette. Dieses Phänomen wird sowohl in den Binnengewässern, also Flüssen und Seen, als auch im Meer, zunehmend zu einem großen Problem. Trotzdem sind die wilden Müllablagerungen am Ufer nicht allein schuld. Plastik kommt in vielen Formen in den Fluss, es kommt auch durch den Wind, zum Beispiel. Das Problem liegt nicht so sehr im Vorhandensein von Plastik am Flussufer, sondern von der enormen Nutzung von Kunststoffen und zuletzt von fein fragmentiertem Plastik, das anderweitig dorthin gelangt.
Sie sprachen von einer positiven Entwicklung bezüglich der Entsorgung von Müll in den Flüssen. Sind die Menschen heute umweltfreundlicher?
Ich beobachte diese Entwicklung schon seit den 80er-Jahren und muss sagen, dass es sich definitiv gebessert hat. Vor vielen Jahren war ich in der Nähe der Loreto-Brücke fischen. Während ich also am Ufer stand, fiel etwa zwei Meter vor mir ein voller Nylonmüllsack in den Fluss. Als ich mich umdrehte, sah ich noch, wie im siebten oder achten Stock des Hauses hinter mir, das Fenster zuging. Solche Ereignisse sind aus drei Gründen seltener geworden: Erstens gibt es eine ökologische Haltung innerhalb der Bevölkerung, zweitens hat man Angst vor den Strafen und drittens schämen sich die Leute. Denn wenn einer auf der Straße etwas wegwirft, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ihn der nächste Fußgänger hinter ihm anspricht und fragt, wieso er seinen Müll auf den Boden wirft. Also es geht in diese Richtung, für meinen Geschmack allerdings etwas langsam.
Wie bedeutsam sind Bürgerinitiativen – die Fischervereine etwa – die den Müll aufsammeln?
Es sollte in meinen Augen, und das ist ja mein Wunsch, weniger ein Thema der Fischer sein, die irgendwie durch den Müll gestört werden. Es gibt auch andere Organisationen, von denen ich wirklich begrüßen würde, dass sie gewisse Aktionen für die direkte Wirkung, also das Entfernen von Müll, aber auch für die Steigerung der ökologischen Wahrnehmung, unternehmen würden. Natürlich ist es toll, wenn die Fischer auch etwas dazu beitragen, das geht in Ordnung und wird gerne gemacht, aber auch andere Umweltorganisationen sollten sich damit beschäftigen. Ich sehe keine große Hürde in einer besseren Zusammenarbeit der allgemeinen Naturschutz- und Umweltschutzorganisationen und den Fischern. Erfreuliche Ansätze dieser Zusammenarbeit gibt es zum Teil ja schon.