Economia | Gastbeitrag

Wo kein Wille, da gibt es tausend Ausreden

Am Sonntag, 5. Juni, stimmt die Schweiz über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle ab. Ein Gastbeitrag von Sepp Kusstatscher.

Die Schweiz ist das erste Land, in dem über ein bedingungsloses Grundeinkommen abgestimmt wird. Der Vorschlag ist im Prinzip sehr einfach: Der Staat garantiert jedem Bürger jenes Einkommen, das er zum Leben unbedingt braucht. Es besteht kein Zweifel, dass die Arbeitswelt sich dramatisch verändern wird. Die Produktivität hat vor allem durch Mechanisierung und Automatisierung enorm zugenommen und wird weiter zunehmen. Wir produzieren jetzt schon mehr, als wir brauchen, und wir konsumieren mehr, als uns gut tut.

Ökologisch betrachtet ist diese Lebensweise, die auf einer Ideologie ewigen Wachstums und Wegwerfens aufbaut, nicht tragbar. Das Grundeinkommen lehnt nicht den technologischen Fortschritt ab, gibt jedoch darauf eine humanistische Antwort. Beschäftigung ist für den Menschen häufig sinnstiftend, sie kann sogar therapeutisch nützlich sein. Manche Arbeiten bewirken jedoch das Gegenteil, sie führen zu Burnout und Versklavung. Der Mensch arbeitet, um zu leben, und nicht umgekehrt. Es ist eine sehr beschränkte Sicht der Dinge, wenn Arbeit nur als Lohnarbeit gesehen wird. Der Mensch arbeitet doch nicht nur des Geldes wegen! Oder? Äußerst wichtige und für die Gesellschaft wertvolle Arbeiten, z.B. in Erziehung, Betreuung und Pflege, werden ja ohne Lohn verrichtet.

Eine zentrale Überlegung, die hinter der Forderung nach einem Grundeinkommen steht, ist folgende: Nicht jede Arbeit soll differenziert nach Leistung bezahlt werden, sondern der Mensch soll von vorneherein ein ausreichendes Einkommen haben, damit er das tun kann, was er gut und gerne macht. Wie viele Freiheiten hätte der Mensch, wenn er wegen der ständigen Sorge ums Überleben, vor allem im Alter, nicht zu jeder beliebigen Arbeit sozusagen gezwungen werden kann.

"Gute Idee, aber nicht finanzierbar": so lautet der häufigste Einwand gegen das Grundeinkommen. Beim derzeitigen Steuersystem, wo vor allem die Arbeit besteuert wird und nicht oder kaum die Spekulation und der Reichtum, ist es in der Tat nicht möglich, ein Einkommen und somit ein Leben in Würde für alle zu garantieren. Es gibt eine Reihe von volkswirtschaftlichen Studien, welche die Finanzierbarkeit aufzeigen. Wo ein Wille, da gibt es auch einen Weg, wo kein Wille, da gibt es tausend Ausreden.

Die Initiatoren in der Schweiz sehen den Ausgang der Volksabstimmung recht realistisch und unverkrampft. Nachdem die Mehrheit der Medien und der führenden Politiker dagegen ist, wird es am kommenden Sonntag wohl keine Mehrheit für das Grundeinkommen geben. Eine Volksabstimmung sei jedoch – so die Initiatoren – eine werbewirksame Maßnahme, um eine Idee unter das Volk zu bringen. Man beabsichtigt daher jetzt schon, bald wieder Unterschriften für ein nächstes Referendum zu sammeln und man ist zuversichtlich, dass man nicht so viele Jahre brauchen wird, wie notwendig waren, um das Stimmrecht für die Frauen in der Schweiz zu erkämpfen.

Weitere Informationen und Antworten auf die häufigsten Fragen.


Sepp Kusstatscher war von 1974 bis 1985 Bürgermeister von Villanders. Von 1988 bis 1993 saß er für die SVP im Südtiroler Landtag, im Jahr 2004 wurde er als Kandidat der Grünen ins Europaparlament gewählt. Kusstatscher ist Mitglied im Bürgerkomitee für die Europäische Bürgerinitiative zur Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (Unconditional Basic Income - UBI) auf europäischer Ebene.

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Klemens Kössler Ven, 06/03/2016 - 17:21

Nach meinen Erkenntnissen ersetzt das Bedingungslose Grundeinkommen auch das Rentensystem, will heißen auch Rentner bekommen jenes Einkommen, das sie zum Leben unbedingt brauchen. Nachdem Herr Kusstatscher Rente als ehemaliger Landtagsabgeordneter und ehemaliger Europaparlamentarier bekommt wird es wahrscheinlich so sein dass diese Kaste von der Regelung ausgenommen wird. Oder hat Kusstatscher mal wieder nur bis zur Nasenspitze vorausgeschaut?

Ven, 06/03/2016 - 17:21 Collegamento permanente
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gorgias Ven, 06/03/2016 - 18:51

Was ich nicht verstehe ist, was das Frauenwahlrecht mit dem BGE zu tun haben soll.
Was mir bei Sepp Kusstatscher aufgefallen ist, dass er sich in vielen Fragen nicht auskennt. Und auf viele Fragen keine Antwort hat und obwohl er mehrere Jahre schon das Thema unterstützt diese Lücken nicht auffüllt.

zb Durch eine BGE besteht die Gefahr dass das Preisniveau steigt weil durch das BGE höhere Löhne verhandelt werden und damit das BGE in seiner Höhe nicht ausreicht ein auskommen zu garantieren das führt wiederum dazu dass man dieses Erhöht und das wiederum zu einer Steigerung des Preisniveau führt.

Ven, 06/03/2016 - 18:51 Collegamento permanente