Economia | Alpine Energy

Konzessionopoly

Gleich 14 große Konzessionen der Alperia stehen aktuell auf der Kippe. Zu welchem Preis werden auch sie gerettet? Eine Spurensuche unter stillschweigenden Verhandlern.

Der Energielandesrat gibt sich in der Sache bedeckt. „Ja, es hat schon mehrere Treffen gegeben“, sagt Richard Theiner. „Doch wir haben absolutes Stillschweigen vereinbart, was in der Situation auch absolut verständlich ist.“ Die Situation, das ist eine weitere Folge der Krimiserie, zu der sich der Kampf um Südtirols Energiekonzessionen im vergangenen Jahrzehnt entwickelt hat.  Gerade erst knallten die Sektkorken, weil die großen Baustellen im Energiestreit mit der Gründung des Kolosses Alperia endgültig bereinigt schienen. Saniert die getürkten Konzessionen, beigelegt die streckenweise erbitterte Konkurrenz zwischen SEL und Etschwerken, abgefunden private Kläger wie die Eisackwerk Gmbh oder bereits davor das Vinschger Energiekonsortium und die Brixner Stadtwerke. Doch Mitte Juli war der Frieden auch schon wieder gebrochen – mit einem Urteil des Obersten Wassermagistrats, mit dem die zwei Alperia-Konzessionen in Mühlen und Lappach annuliert wurden.  

Verantwortlich dafür? Die Alpine Energy GmbH, eine 2011 gegründete, derzeit inaktive Gesellschaft mit einem Stammkapital von 10.000 Euro. Sie hatte bereits  2013 mit der Anfechtung von 14 der 15 2009 vergebenen Großwasserkonzessionen vor dem römischen Wassermagistrat für Schlagzeilen gesorgt. Nun ist das Gericht zumindest bei zwei der angefochtenen Konzessionen ihrer Argumentation gefolgt: mit den damals noch geltenden Vorzugstitel für Lokalkörperschaften und scheidende Konzessionäre sei das EU-Wettbewerbsrecht verletzt worden. Das sah für große Wasserableitungen bereits damals einen öffentlichen Wettbewerb vor, der Transparenz und gleiche Rechte für alle Bewerber garantiert. Ein Urteil, das bei Bekanntwerden allgemein als Bombe interpretiert wurde. Denn was die Richter des Wassergerichts bei der Konzessionsvergabe in Mühlen und Lappach  beanstandeten, gilt schließlich auch für alle anderen 2009 vergebenen und nun angefochtenen Konzessionen. Und die werden nach der Anfechtung durch Alpine Energy nun mit Ausnahme von Mühlbach, wo die Anfechtungsfrist bereits verstrichen war, in einem halben Dutzend weiterer Verfahren ebenfalls vor dem Wassermagistrat behandelt.  Bereits im November wird das nächste Urteil im Fall Laas-Martell erwartet – zumindest sofern sich die Klägerin Alpine Energy nicht entschließt, ihre Rekurse zurückzuziehen.

Wie viel kostet die Rettung?

Die große Frage, die deshalb nun im Raum steht: Unter welchen Bedingungen ist sie dazu bereit? Schließlich handelt es sich in dem Fall nicht um einen Mitbewerber, der wie im Fall Eisackwerk GmbH und St. Anton ein Projekt für die umstrittenen Konzessionen vorgelegt hat. Was also will eine inaktive Gesellschaft vom Land dafür, dass sie nicht 14 Großwasserkonzessionen zum Kippen bringt?

Mit Antworten auf diese Frage geizen die Vertreter der Gesellschaft ebenso wie der Energielandesrat. „Das dürfen Sie nicht mich fragen, mir zahlt man die Spesen und der Rest interessiert mich nicht“, sagt Arthur Frei. Der Bozner Anwalt und rechtliche Vertreter der Alpine Energy hat sich seit langem darauf spezialisiert, rechtliche Schwachstellen der Südtiroler Energiepolitik zugunsten von Privaten aufzuspüren und anzufechten. „Frei ist federführend bei allen Rekursen vor dem Wassermagistrat “, heißt es in der Branche, „ob bei großen oder mittleren Konzessionen.“ Vielen dieser Rekurse seien wie Serientexte, bei denen überall dieselben Argumente vorgebracht und nur die Namen ausgetauscht würden. In Anwaltskreisen moniert so manch einer,  dass Anwaltskollege Frei immer wieder von der Landesregierung als Berater konsultiert wird und gleichzeitig gegen sie in Rom vorgeht. „Das ist moderne Wegelagererei“, lautet eine der wenig schmeichelhaften Interpretationen seiner Tätigkeit. Energielandesrat Theiner selbst beurteilt die Figur Frei weit sportlicher. „Wir leben in einer freien Markwirtschaft“, meint er, „da kann jeder eine Eingabe machen. Es gibt eben Unternehmen und Einzelpersonen, die sich darauf spezialisiert haben – und Herr Frei gehört dazu.“

„Sprechen Sie mit Anwalt Frei“

Dazu gehört im Fall Alpine Energy aber auch ein Duo, das bisher vor allem aus dem Ahrntaler Stromstreit bekannt ist: Josef Steinhauser, laut Firmenbuch alleiniger Gesellschafter der Alpine Energy GmbH, und der Brunecker Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Karl Hellweger, der nebenbei privat mit Landesrat Theiner befreundet ist. Beide konkurrieren im Ahrntal mit der privaten Stromgesellschaft Ahr Energie seit Jahren mit Gemeinde und Genossenschaft um Wasserkonzessionen. Derzeit stehen sie mit ihrer Gesellschaft beim jüngsten Projekt Ahrstufe 4 vor dem Problem, nicht zum staatlichen Wettbewerb für regenerative Energie zugelassen zu werden. Dank dem sichern sich Betreiber einen geförderten Strompreis, der aktuell vier bis fünf Mal so hoch ist wie der Marktpreis. Voraussetzung zur Zulassung ist mittlerweile jedoch das Vorweisen eines Umweltzertifikats. Und genau das fehlt nun all jenen Südtiroler Kraftwerksbetreibern, die wie die Ahr Energie bei diesem Projekt ihre Konzession von der Landesregierung entgegen einem negativen Gutachten des Umweltbeirates erhalten haben.

Ob auch diese Causa Gegenstand der aktuellen Verhandlungen mit dem Land ist, ist aber weder vom Josef Steinhauser noch von Karl Hellweger zu erfahren.  Hotelier Steinhauser hat seinen Lebensmittelpunkt bereits seit längerem von seinem Ahntaler Haus Untersteinerhof  ins Tiroler Brixental verlegt, wo er das 4-Sterne-Hotel Alpenhof Brixen betreibt. Dort lässt er nach mehreren telefonischen Versuchen über sein Sekretariat nur ausrichten, sich in der Angelegenheit doch an Anwalt Frei zu wenden. Karl Hellweger wiederum, der von gleich mehreren Quellen als Ansprechpartner für die Alpine Energy genannt wird, wehrt die Frage nach dem Ziel der aktuellen Verhandlungen umgehend an. „Ich mache für die Gesellschaft einzig und allein die Bilanz und die rechtliche Abwicklung aller administrativen Angelegenheiten“, sagt er. „Da müssen Sie schon mit Herrn Steinhauser reden.“ 

Niedrige Schmerzgrenze

Kurzum: das absolute Stillschweigen wird gewahrt. Zumindest bis zu einer möglichen Einigung des Trios mit der Landesregierung. Deren Schmerzgrenze bei möglichen Zugeständnissen an Kläger Alpine Energy scheint allerdings weit niedriger zu sein als gemeinhin angenommen. Grund dafür ist die aktuelle Gesetzeslücke bei der Ausschreibung von Großwasserkonzessionen. Nach der Abschaffung des diesbezüglichen Landesgesetzes gilt hierzulande bekanntlich staatliches Recht. Doch in Rom sind seit Jahren die Durchführungsbestimmungen zur Neuregelung der Konzessionsvergabe für Großkraftwerke ausständig. Und zwar weniger wegen Ineffizienz als aus Berechnung, wie ein Marktexperte erklärt. Schließlich hat Italien mittlerweile verstanden, dass es die strengen EU-Vorgaben zur Ausschreibung weit päpstlicher interpretiert hat als viele Nachbarstaaten wie Frankreich, Österreich oder Deutschland.

Während dort Konzessionen einfach nicht ausgeschrieben werden oder für 99 Jahre verlängert werden, hat sich Italien bei gesetzestreuen europaweiten Ausschreibungen ausländische Konkurrenten ins Land geholt ohne in deren Ländern die Chance zu haben, ebenfalls an Ausschreibungen teilzunehmen. Indem die Durchführungsbestimmungen in der Schublade bleiben, wird gewissermaßen ziviler Ungehorsam gegenüber Brüssel ausgeübt. Damit wird aber auch dem Schreckgespenst europaweite Ausschreibung der Gruseleffekt genommen. Denn mangels rechtlicher Regelung können derzeit auch bei Annullierung oder verordneter Neuausschreibung die scheidenden Konzessionäre die Werke vorerst weiterführen. „Sollte es dennoch irgendwann zu einer Neuausschreibung kommen, ist angesichts des aktuellen Preisverfalls an der Strombörse klar, dass die Umweltgelder weit geringer ausfallen würden als sie aktuell bezahlt werden“, gilt auch in Landesämtern als sicher. Sprich: Sollte die Alperia bei einer solchen Neuausschreibung erneut gewinnen, könnte sie dieselben Verträge weit billiger bekommen – während die Ufergemeinden die großen Verlierer wären. Auch solche Überlegungen müssen bei der wohl letzten Runde des Konzessionopoly berücksichtigt werden.  Zu wessen Gunsten, ist nun zu sehen. 

Bild
Profile picture for user Marcus A.
Marcus A. Lun, 08/01/2016 - 09:10

Lese ich hier richtig?????? Ich zitiere aus dem Artikel: "In Anwaltskreisen moniert so manch einer, dass Anwaltskollege Frei immer wieder von der Landesregierung als Berater konsultiert wird und gleichzeitig gegen sie in Rom vorgeht. "

Und der Herr Landesrat: "Energielandesrat Theiner selbst beurteilt die Figur Frei weit sportlicher. „Wir leben in einer freien Markwirtschaft“, meint er, „da kann jeder eine Eingabe machen. Es gibt eben Unternehmen und Einzelpersonen, die sich darauf spezialisiert haben – und Herr Frei gehört dazu.“

Und Herr Hellweger ist laut Artikel mit dem Landesrat befreundet und ganz neben habe ich gerade rausgefunden, dass Herr Hellweger auch im Verwaltungsrat des Südtiroler Energieverbandes sitzt, sofern es der gleiche Herr Hellweger ist: http://www.sev.bz.it/de/der-verband/das-team/18-0.html

Man kann nur mehr den Kopf schütteln........

Lun, 08/01/2016 - 09:10 Collegamento permanente