Lily - eine Ikone lesbischer Liebe

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Lily Gottardi wuchs in Neumarkt auf. Der Arbeit wegen zog sie später nach Bayern, kehrte jedoch nach ihrer Pensionierung wieder regelmäßig nach Neumarkt zurück und pendelte zwischen ihren beiden „Heimaten“.
Lily führte ein selbstbestimmtes, kraftvolles Leben – sie überstand eine Brustkrebserkrankung und blieb bis ins hohe Alter aktiv, lebensfroh und offenherzig.
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Legendäre Feste
Legendär waren ihre Feste in ihrer Wohnung und auf ihrem Balkon in Neumarkt: Treffpunkt für Lesben und Schwule aus Südtirol und Bayern. Lily bekochte ihre Gäste mit Hingabe, scheute keine Mühe – es ging ihr darum, Menschen zusammenzubringen. Viele Freundschaften (und mehr) entstanden in ihrer Wohnung. Hin und wieder musste wegen des ausgelassenen Treibens sogar die örtliche Carabinieri-Streife vorbeischauen.
Die vielleicht bekannteste ältere Lesbe in Südtirol
In der Szene war Lily bald eine Institution – bekannt für ihre charismatische, fröhliche Art und ihre Präsenz bei zahlreichen Discoabenden im „Melody Club“ in Laag/Neumarkt, einem beliebten Treffpunkt der lesbisch-schwulen Community Anfang der 2000er-Jahre. Sie wurde zur vielleicht bekanntesten älteren Lesbe in Südtirol und zu einer wichtigen Bezugsperson für viele jüngere wie ältere Lesben und Schwule. Ihr Stil war einzigartig: elegante Anzüge, Frauenhemden und -krawatten gehörten ebenso zu ihrem Repertoire wie Rock und Stöckelschuhe. Sie rauchte gerne Zigarren oder Zigarillos und war einem guten Glas Wein nicht abgeneigt. Ihre Frauengeschichten erzählte sie mit einem Augenzwinkern – stolz, selbstbewusst und ganz ohne Scham.
Zu diesem Text
SALTO hatte seine Leserinnen und Leser aufgerufen Geschichten queeren Lebens zu erzählen. Lillys Lebensgeschichte ist eine Zusendung, die uns unter [email protected] erreicht hat. Verfasst wurde sie von Thomas Andreaus, der Frau Gottardi Ende der 1990er Jahre als junger Erwachsener kennenlernte. Andreaus war mit Lily Gottardi sehr gut befreundet.
Wenn auch du deine Geschichte erzählen möchtest, schreib uns an [email protected] .
Traunreut, München, Rosenheim
In ihrer Zeit in Traunreut führte sie eine langjährige Beziehung mit Rosie, mit der sie zusammenlebte und in derselben Fabrik arbeitete. Während sich Lily damals gern betont feminin gab, liebte es Rosie, sich maskulin zu kleiden – beide ergänzten sich perfekt.
Lily war gut vernetzt, kannte viele Lesben in München und Rosenheim, streifte gern durch die damaligen Kultlokale der Münchner Lesbenszene wie „Inge’s Karotte“, „Bei Carla“ und das „Kaminstüberl“. Die Wirtinnen kannte sie persönlich – genauso wie viele, die sie in Südtirol regelmäßig besuchten.
Möge Lily unvergessen bleiben
Nach dem Tod einer engen Freundin zog sich Lily allmählich nach Traunreut zurück und kam nur noch selten nach Südtirol. Dass in ihrer Heimat eines Tages ein CSD (Christopher Street Day, Anm. der Red.) stattfinden würde, hat sie nicht mehr erlebt. Sie verstarb 2019 im Alter von 80 Jahren im bayerischen Traunreut. Doch wer sie kannte, ist sich sicher: Lily wäre mit stolz geschwellter Brust vorne mitmarschiert und hätte danach selbstverständlich mitgefeiert.
Nach dieser ersten Pride Südtirols mit tausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern denke ich an Lily – als mutige Vorkämpferin, als lebenslustige Gastgeberin, als „lesbische Ikone“ Südtirols. Möge sie unvergessen bleiben in unseren Geschichten, unseren Herzen und in der Geschichte unserer Community.