Novemberende
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Jubiläum
Vor 50 Jahren wurde die GAV (Grazer Autorinnen Autorenversammlung) gegründet. Mitunter von schillernden Gründungsmitglieder H. C. Artmann, Valie Export, Barbara Frischmuth, Peter Handke, Ernst Jandl, Gert Jonke, Alfred Kolleritsch oder Friederike Mayröcker. Aktuell zählt die GAV rund 700 Mitglieder und ist mit viel Programm und Einsatz in den österreichischen Bundesländern und in Südtirol aktiv. Regionaldelegierter für Südtirol (und Nachfolger von Sepp Mall) ist der Performer, Musiker und Schriftsteller Jörg Zemmler. Nach seinen einführenden Worten zur Novemberlesung und den Grußworten des Gastgebers Johannes Andresen (Landesbibliothek Dr. Friedrich Teßmann) begrüßte Moderatorin Maria Piok (Literaturhaus am Inn) das Publikum und lud die geladenen Autor*innen – für jeweils 20 Minuten – zu Lesung und Gespräch. Den Anfang machte Bertrand Huber.
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Im Garten
In seinem jüngstem Buch Villa Borghese veröffentlichte Bertrand Huber verschiedene Essays und Kurztexte. In den Park der Villa Borghese in Rom pflanzt er sorgenvolle Überlegungen und überträgt sie in literarisch-philosophische Metaphern „für Leben und Vergehen, für Ruhe und Entschleunigung, für Begegnung und Trennung, nicht zuletzt auch für Einsamkeit.“ In seinem Textvortrag stellte er die Sorge in den Mittelpunkt. Und den Garten.
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Er habe sich bewusst für den Garten entschieden, „weil das der Ort ist, wo wir uns begegnen“, erzählte er im Anschluss und beschrieb sich als einen, der „seinem Charakter entsprechend“ lieber „aus einer stillen Ecke heraus“ beobachte.
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Im Konjunktiv
Nach Huber kam Josef Oberhollenzer an die Reihe. Er las Textproben und ausführlich Fußnoten aus seinem jüngsten Buch Prantner oder Die Erfindung der Vergangenheit. Unter anderem (mit Verlaub) folgende "beschissene" Textstelle:
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Moderatorin Maria Piok wollte im anschließenden Gespräch mit Oberhollenzer unter anderem etwas über seine sorgfältig eingearbeiteten literarischen Brechungen in Erfahrung bringen, da Oberhollenzer in seinem Schreiben „stets auf den Konjunktiv setze“, und seine ohnehin bereits gebrochenen Texte „damit noch einmal eine Brechung erfahren“ würden. Warum? Ihm komme der Indikativ „viel zu fix“ vor, wäre „so festgelegt“ ließ Oberhollenzer wissen. Der Konjunktiv wäre „viel schöner“, und man sei „mehr frei.“ Er sprach auch über das Erzählen von Geschichte, erwähnte die Großmutter als Beispiel für eine, die erzählen konnte. Sie habe übrigens, „was mir dann während des Schreibens aufgefallen ist, das gleich Geburtsdatum wie der Prantner Kaspar und ist am gleichen Tag gestorben wie der verschwunden ist“, sagte er beinahe zufällig und spannte vom Prantner einen literarischen Bogen in seine eigene Biografie.
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Mit Humor
Mit Die Dauer der Liebe von Sabine Gruber ging es nach Oberhollenzer in die zweite Halbzeit des GAV-Abends. Gruber las Auszüge aus ihrem vielbesprochenen Roman, einer innigen wie bissigen Trauerbewältigung. Ihr eigentlich „sehr trauriges Buch“, so Maria Piok im Anschluss zu Publikum und Autorin, enthalte auch einige „komische Passagen“ und befragte zur Verflechtung Komik und Trauer. „Also man muss nur Dating Apps öffnen, dann ist die Komik schon von allein da, man muss sie gar nicht suchen. Übrigens auch auf den Seiten der Frauen“, so Gruber. Sie denke, Humor habe eine „realitätsabweisende Wirkung“, die auch ihrem Buch gut tun würde. Sie habe aber vor allem nach „einer Form gesucht, Trauer darzustellen“, ohne „übliche Verben oder Beschreibungen“ und sie versuche indirekt Dinge zu beschreiben, vor allem „diesen körperlichen Liebesentzug zu zeigen“, eines Paares, „welches sich körperlich geliebt hat und über viele Jahre zusammen in einem Bett geschlafen hat. Das plötzlich durch den Tod des einen, auseinandergerissen wird.“ Dies bedeute für den anderen „einen extremen Liebesentzug“, vergleichbar „einem Drogenentzug“.
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Der Linkshänder
Den Schlussakzent setzte ein zunächst humorvoller und später im Gespräch durchaus ernster Matthias Schönweger. Er sprach über Kindheit und Elternhaus, über „Grauwähler in der Optionszeit“ und eine „militante Dableiberin“. Und er outete sich als Linkshänder, dem dies in der Schule versucht wurde auszutreiben. „Die Schule war für mich immer eine Tragödie“, erinnerte Schönweger und erzählte die Anekdote, wie er einmal beim Nachsitzen 100 mal Ich Depp schreiben sollte. Und wie er dies wunderschön umzuformen wusste. „Ich Depp - Ich Depp - Ich Depp -“, über Deppich, zu „Teppich - Teppich - Teppich - einem wunderschönen Teppich.“
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