„Der Sektor ist nicht gesund“

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Vor Kurzem versammelten sich in Brüssel die Mitglieder des European Milk Board (EMB), um über die Zukunft ihrer Branche zu diskutieren. Mit dabei: Markus Hafner vom Paulihof in Mals, der als Simultanübersetzer im Einsatz war.
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Laut Pressemitteilung des EMB rücken kostendeckende Preise zwar verstärkt in den Fokus, die grundlegenden Probleme des Milchsektors seien damit aber noch nicht gelöst und müssten dringend angegangen werden. „Die wirklichen Kosten zuzüglich einer Gewinnmarge, die wir bekommen sollten, werden immer noch nicht gedeckt. Der Sektor ist nicht gesund“, umschreibt der EMB-Vorsitzende Kjartan Poulsen die Situation am Milchmarkt. Sein Kollege, EMB-Vizevorsitzender Boris Gondouin, ergänzt: „Es braucht eine positive und nachhaltige Regulierung. Wir haben jetzt eine Art Regulierung im Sektor, aber die ist ungemein problematisch, denn sie beruht auf dem Wegsterben vieler bäuerlicher Betriebe, wodurch die Menge knapper geworden ist. Das kann und darf nicht die Zukunft des Milchsektors sein!“
Positiv wurde auf der Versammlung die aktuelle Position der EU-Kommission zur Reformierung der Gemeinsamen Marktorganisation aufgenommen. Die Milcherzeuger machen jedoch deutlich, dass es nun auch vom EU-Parlament und dem Rat konkrete politische Entscheidungen brauche, um die Reformen tatsächlich auf den Weg zu bringen. Denn nur so können Landwirte auf den Höfen gehalten werden und Neueinsteiger eine echte Perspektive vorfinden, ist der Verband überzeugt.
Zu den zentralen Reformforderungen des EMB gehören:- Kriseninstrumente mit Präventivwirkung:
Das EMB fordert die Integration vorausschauender Maßnahmen zur Marktstabilisierung, wie das Marktverantwortungsprogramm (MVP), um extreme Preisschwankungen und Verluste wirksam zu verhindern. - Stärkung der Erzeugergemeinschaften:
Produzentenorganisationen sollten europaweit eine kollektive Verhandlungsmacht von bis zu 30 Prozent des EU-Marktes erhalten. Dies soll zu gerechteren Preisen in den Marktbeziehungen mit Molkereien und dem Einzelhandel führen. - Faire Handelspraktiken durch gesetzliches Verbot von nichtkostendeckenden Preisen:
Preise unterhalb der Produktionskosten sollten verboten werden, um unlauteren Wettbewerb und die Ausnutzung von Marktmacht entlang der Wertschöpfungskette zu verhindern. - Verpflichtende Verträge mit fairen Klauseln:
Das EMB fordert EU-weit verbindliche Verträge zwischen Milcherzeugern und Verarbeitern, die eine ausgeglichene und partnerschaftliche Zusammenarbeit sicherstellen. - Einbindung der genossenschaftlichen Verarbeiter in ein gerechtes Marktsystem:
Genossenschaftliche Molkereien müssen als integraler Bestandteil der Marktordnung einbezogen werden – mit allen Rechten und Pflichten. - Bürokratische Maßnahmen, die den Erzeugern und der Produktion das Leben schwer machen, müssen identifiziert und drastisch reduziert werden. Trotz höherem Milchpreis verlassen viele Erzeuger die Produktion, da sie mit steigenden Anforderungen und einem ständigen Mehr an Bürokratie die Erzeugung nicht weiterführen können. Wer dennoch weiterproduziert, kappt einen Großteil seiner Investitionen, da er nicht mehr an eine Zukunft in der Milchproduktion glaubt.
Landwirtschaft mit ZukunftIn der EMB-Mitgliederversammlung wurde eindringlich betont, dass ohne entschlossene Strukturreformen Europas Milchwirtschaft in eine Sackgasse geraten wird. „Unsere Vorschläge zeigen den Weg hin zu einer krisenfesten, fairen und nachhaltigen Milchproduktion. Jetzt ist es an der Zeit, sie umzusetzen“, so EMB-Präsident Poulsen.
European Milk Board (EMB)Das European Milk Board (EMB) ist ein Zusammenschluss von Milchviehhalter-Organisationen aus mehr als 15 europäischen Ländern. Gegründet im Jahr 2006, vertritt das EMB die Interessen von rund 100.000 Milchbauern in Europa. Ziel des EMB ist eine faire und kostendeckende Bezahlung für die Erzeuger. Es fordert eine Milchwirtschaft, die wirtschaftlich tragfähig, ökologisch nachhaltig und sozial gerecht ist. Zentrale Forderung ist die Einführung eines europaweiten Instruments zur freiwilligen Mengenreduzierung in Krisenzeiten, um Überproduktion und Preisdruck entgegenzuwirken. Das EMB fordert unter anderem Kostenwahrheit: Milchpreise sollen die tatsächlichen Produktionskosten abbilden – zum Schutz der bäuerlichen Landwirtschaft und als Grundlage für eine zukunftsfähige Agrarpolitik. Mehr Informationen unter: www.europeanmilkboard.org
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