Politics | Landtagswahl 2018

“Wir sind keine Berufskritiker”

Der Spitzenkandidat der Bürgerunion, Andreas Pöder, erinnert, wozu es Oppositionsarbeit braucht – und verrät, dass er seine Partei für die bessere Südtiroler Lega hält.
Andreas Pöder
Foto: Hannes Prousch

salto.bz: Herr Pöder, welche sind drei zentrale Punkte im Wahlprogramm der Bürgerunion für den 21. Oktober und darüber hinaus?

Andreas Pöder: Ganz klar die Familienpolitik. Ein zentrales Anliegen ist die Unterstützung von Eltern, die in der Privatwirtschaft arbeiten und ihre Kinder für einige Jahre zu Hause erziehen wollen. Und daneben natürlich genügend Betreuungsstrukturen für alle berufstätigen Eltern. Ein zweiter Punkt ist selbstverständlich die Gesundheitspolitik. Es muss eine Reform der Gesundheitsreform, die ich schon im Landtag versucht habe, zu blockieren, geben. Insgesamt ist meine Aufgabe drittens, keine Kuschelopposition zu betreiben, sondern der Mehrheit im Landtag auf die Finger zu klopfen.

Inwiefern muss die Gesundheitsreform reformiert werden?

Essentielle Punkte sind: Abschaffung der Gesundheitsbezirke – wir haben derzeit fünf Sanitätsbetriebe, statt einem gibt es vier in einem, übergestülpt über die restlichen –; die drei kleinen Bezirkskrankenhäuser wieder als eigenständige Strukturen führen; den obersten Verwaltungsapparat abbauen und vor allem die Rolle des Pflegepersonals wesentlich stärken. Das ist ganz, ganz wichtig.

In der Zuwanderungspolitik hat Salvini meiner Meinung nach keinen schlechten Job gemacht.

Die Sanität ist grundsätzlich ein Thema, dem Sie sich in den vergangenen Jahren vermehrt angenommen haben. Unter Ihren Landtagskollegen werden Sie als “Vater der Impfgegner” bezeichnet. Sie selbst sehen sich nicht als Impfgegner, oder?

Ich bin ein Gegner des Impfzwangs. Und ich bin kritisch gegenüber einer Reihe von Aspekten im Zusammenhang mit Impfungen. Ich sehe es als nicht nötig, zehn Pflichtimpfungen zu machen, bin ein dezidierter Gegner der Pflichtimpfung für Windpocken oder MMR (Masern-Mumps-Röteln, Anm.d.Red.). Weil ich glaube, dass der potentielle Schaden größer als der potentielle Nutzen ist. Insofern bin ich ein Gegner dieser Impfpflicht, des Zwangs. Aufklärung ja, etwa durch ein verpflichtendes Impfgespräch. Aber dann entscheiden die Eltern.

Nach außen vermitteln Sie über das Impfthema hinaus den Eindruck, nicht selten extremistische Positionen zu vertreten. Ist das so? Oder kommt man als Oppositioneller um eine zugespitzte Wortwahl nicht herum, um sich Gehör zu verschaffen?

Extremistisch ist meine Position im Bereich Impfen sicher. Ich sage: Nein zum Zwang und basta. Für mich ist es ganz klar, zu sagen, was man will. Das schätzen die Menschen draußen. Sie können sich daran reiben, sagen, der spinnt oder das ist Blödsinn. Aber akzentuierte Botschaften sind ganz wichtig in der heutigen Zeit.

Die Arbeit des Oppositionellen ist hart und wenig erfüllend. Aber dass dann alle in die Regierung streben, kann in einer Demokratie nicht die Lösung sein.

“Wir sind und wollen Oppositionspartei bleiben”, sagen Sie klar über die Bürgerunion. Machen Sie es sich damit nicht etwas einfach? Immerhin können Sie vor den Wahlen den Wählern beliebig Vorschläge präsentieren, die dann ohnehin nicht umgesetzt werden – weil es aus der Opposition heraus schwer ist, Vorhaben zu verwirklichen.

Das sehe ich anders. Es wollen jetzt alle mitregieren – dann muss ja jemand noch konkurrieren. Das soll man dem Wähler klar sagen.

Sie wollen keine Verantwortung übernehmen?

Dazu bin ich selbstverständlich gerne bereit. Wenn man mir morgen das Gesundheitsressort übergeben würde, würde ich es sofort übernehmen. Aber es ist nicht so, dass die Oppositionsarbeit nicht in die politische Arbeit einfließt. Als Abgeordneter der Opposition war ich in dieser Legislaturperiode mit Sicherheit derjenige, der zwischen Beschlussanträgen und Gesetzentwürfen die meisten Anträge und Gesetzentwürfe im Landtag eingebracht hat. Von den insgesamt 400 Anträgen wurden über 50 angenommen bzw. beschlossen. Es ist nicht so, dass wir Oppositionelle ständig an der Mehrheit scheitern.

Mitgestalten geht also auch aus der Opposition?

Je nachdem, wie man sich bewegt, bringt man auch Dinge durch. Auf der einen Seite ist es wichtig, Vorschläge zu bringen, davon bin ich überzeugt. Und wenn man mir sagt, pass auf, du kannst das Ressort jetzt übernehmen, dann sage ich selbstverständlich, gerne. Wenn aber niemand mehr da ist, der zum Beispiel sagt, da ist eine Milliardenausschreibung für Bus-Konzessionen, die manipuliert wird, und das niemand mehr aufdecken will, weil alle in der Landesregierung sitzen – damit ist dem Bürger nicht gedient.

Für mich ist es ganz klar, zu sagen, was man will. Das schätzen die Menschen draußen.

Kritisieren Sie den Wankelmut Ihrer Oppositionskollegen im Landtag, von denen sich zumindest Grüne, Paul Köllensperger und auch die Freiheitlichen eine Regierungsbeteiligung vorstellen können?

Dazu sage ich: Jedem seine Wahl. Aber ich muss Hans Heiss beipflichten. Er hat bei seiner Abschiedsrede im Landtag gesagt, die Opposition war zahlenmäßig noch nie so stark, aber arbeitsmäßig noch nie so schwach wie in dieser Legislaturperiode. Wir hätten der SVP wesentlich mehr Schwierigkeiten bereiten können. Und ich muss sagen, einige Oppositionelle haben sich nicht durch harte Arbeit verdient gemacht. Die Sanitätsreform hätten wir der SVP wirklich zum Problem machen können. Es war kein Spaß, als ich Obstruktion dagegen betrieben habe – und der einzige, der mich unterstützt hat, war Walter Blaas. Alle anderen haben hochnäsig gesagt, nein, das machen wir nicht. Jetzt maulen alle.
Also, ganz klar: Wer mitregieren will – wunderbar! Aber das harte Brot der Opposition ist auch sehr wichtig, denn viele Menschen verlassen sich auf uns, darauf, dass wir der Mehrheit auf die Finger schauen. Wobei (lacht), wie Sigmar Gabriel jetzt bei Markus Lanz gesagt hat – das hat mir gefallen –: Demokratie ist kein Versprechen auf Fehlerfreiheit, sondern nur ein Versprechen, dass ich Fehler gewaltfrei korrigieren kann.

Beispiel IDM. Da rudert die Landesregierung zurück und spaltet den Betrieb nach nur zweieinhalb Jahren wieder auf. Weil man bei der Organisation Fehler gemacht habe, räumen die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung ein. Trotzdem gibt es von Ihrer Seite Kritik?

Nur muss man dazusagen, wenn man manchmal dem Oppositionellen am Anfang mehr zuhören würde… Es ist ja nicht so, dass wir Berufskritiker sind. Ich sehe meinen Auftrag als Oppositioneller darin, Vorschläge, die von der Mehrheit kommen, viel kritischer zu durchleuchten als es ein Abgeordneter der Mehrheit selbstredend tut. Und wenn ich der Meinung bin, bestimmte Dinge sollten anders gemacht werden, zeige ich das auf. Wie bei der IDM. Wir haben von Beginn an gesagt, naja, so umwerfend sieht das Konstrukt auch nicht aus, es ist zu groß. Da hätte man ein bisschen mehr auf uns hören können. Dasselbe gilt auch für andere Dinge wie die Sanitätsreform oder die Raumordnung.

Mehr zuhören führt zu besseren Gesetzen?

Vierzig Mal – aber bei vierzig habe ich aufgehört zu zählen – haben wir in dieser Legislaturperiode Landesgesetze, die von der Landesregierung vorgebracht wurden, kurz nach deren Genehmigung wieder korrigiert. Es ist also nicht so, dass die Mehrheit immer recht und die Opposition immer unrecht hat. Jeder hat manchmal recht und manchmal unrecht. Wenn die Mehrheit schlau genug wäre, würde sie hie und da etwas mehr auf die Opposition hören.

Sprich, Sie wünschen sich für die neue Legislatur auch ein neues Verständnis vonseiten der Mehrheit für die Arbeit der Opposition?

Landeshauptmann und Landesregierung sind ja gut gestartet mit dem “neuen Stil”. Aber es ist schlimmer geworden. Im Vergleich dazu hatte Luis Durnwalder mehr Respekt vor der Institution Landtag als die derzeitige Regierung. Es gibt Bürgermeister im Land, die verstanden haben, ich höre dem Oppositionellen ein bisschen aufmerksamer zu als meinen eigenen Leuten. Denn die eigenen Leute nicken alles ab und der Oppositionelle durchforstet tatsächlich etwas kritischer – er mag mir zwar auf die Socken gehen, aber wenn ich ihm mehr zuhöre, kann meine Arbeit besser werden. Von dem her ja, die Mehrheit wäre gut beraten, dem Oppositionellen etwas mehr zuzuhören.
Die Arbeit des Oppositionellen ist hart (lacht auf) und bis zum Schluss wenig erfüllend. Aber dass dann alle in die Regierung streben, kann in einer Demokratie nicht die Lösung sein.

Vor den Parlamentswahlen im März haben Sie eine Wahlempfehlung für die Lega ausgesprochen. Was ist aus Ihrer Sympathie für die Lega geworden?

Die Wahlempfehlung ist damals aufgrund von zwei, drei Punkten geschehen. Einmal war es Wahnsinn, was die anderen deutschen Oppositionsparteien gemacht haben: Es ist ein demokratiepolitischer Nonsens zu sagen, gehen wir nicht wählen. Das halte ich für falsch. Dann habe ich mir überlegt, tja, wen würde ich jetzt am ehesten wählen. Ich bin zum Schluss gekommen, die Lega. Aus mehreren Gesichtspunkten. Sie hat tatsächlich eine andere Sichtweise als sonst auf EU-Ebene in Sachen Zuwanderungspolitik und sie haben versprochen, auch das Zwangsgesetz zum Impfen zu “killen”. Heute bin ich etwas ernüchtert. Beim Impfen und auch in anderen Dingen hat die Lega die Wähler an der Nase herumgeführt. In der Zuwanderungspolitik hat Salvini meiner Meinung nach keinen schlechten Job gemacht, er hat die EU doch etwas zum Umdenken bewegt.

Wir als Opposition hätten der SVP in dieser Legislaturperiode wesentlich mehr Schwierigkeiten bereiten können.

Würden Sie die Lega wieder empfehlen?

Wenn ich noch einmal eine Wahlempfehlung aussprechen müsste, weiß ich nicht, ob ich es noch einmal würde. Aber nach Abwägen bin ich damals zu dem Schluss gekommen. Was man aber schon ganz klar sagen muss: In Südtirol ist die Lega nicht Salvini.

Wobei der Großteil der Stimmen, die Lega am 21. Oktober erhält, in erster Linie Stimmen für den starken Mann an der Spitze, Matteo Salvini sein werden. Wer in Südtirol Lega wählt, wählt Salvini – unabhängig vom Profil des lokalen Ablegers.

Das denke ich auch, ja. Er ist einer, der aktiv, der permanent im Wahlkampf ist. Obwohl, ich weiß nicht, ob das die Aufgabe eines Innenministers ist… Auf jeden Fall ist die Südtiroler Lega bei Weitem nicht Salvini.

Sondern die Bürgerunion?

Wenn man jetzt manche Aussagen ausklammert, würde ich sagen, dass in Südtirol eher wir die politische Vertretung sind, die dem ähnelt, was die Lega sagt, als die Lega selbst.

Das heißt, Sie bieten sich offen auch den italienischen Wählern an?

Auf jeden Fall. In den vergangenen eineinhalb Jahren und speziell mit der Impffrage haben sich sehr viele Italienerinnen und Italiener mit Fragen und Sorgen an mich gewandt, die sagen, uns unterstützt sonst niemand. Ich habe gleich gesagt, gerne, ich stelle mich auf jeden Fall zur Verfügung. Wir haben Elmar Balbo aus Leifers auf der Liste, der von der Partei SiAmo unterstützt wird. Er ist zwar deutscher Muttersprache, aber sicher zwischen den beiden Welten unterwegs. Wir haben einen Stefano Rosa, der auch wegen dem Impfthema zur Liste gestoßen ist. Es gibt also keinerlei Berührungsängste.

Die Arbeit der Opposition ist zum Teil härter als die der Mehrheit.

Wie gestalten Sie die letzten, heißen Wochen vor den Landtagswahlen?

Es sind zwar keine Landtagssitzungen mehr, aber es gibt noch viel aufzuarbeiten, es kommen Antworten auf Anfragen, die ich für Bürger gestellt habe. Diese Arbeit soll nicht liegenbleiben.

Keine Zeit für Wahlkampf?

Wenn Sie damit den klassischen Wahlkampf meinen, also auf einmal vor den Menschen draußen stehen und sagen, ich werde jetzt alles toll und super machen – mah… Es gibt so Pop-Up-Politiker, die pünktlich vor den Wahlen immer wieder aufhüpfen und dann wieder verschwinden…
Ich muss sagen, ich bin seit eineinhalb Jahren wirklich viel unterwegs. Nicht wahlkampfmäßig, sondern auf Veranstaltungen im ganzen Land, die auch nicht ich organisiert habe. Jetzt werde ich auch nichts anderes machen als ein bisschen draußen unter den Leuten zu sein, Gespräche führen, Anfragen von Bürgern beantworten – also meine normale Arbeit machen, die ja nicht weniger wird.

Das Ziel der Bürgerunion ist und bleibt zwei Sitze im Landtag?

Ich glaube, dass die Wähler mittlerweile nicht mehr sagen, was sie wählen, ob sie wählen oder nicht. Deshalb gebe ich nicht viel auf Umfragen. Aber klar wird das Ziel immer sein, mehr zu werden. Wir haben engagierte Menschen bei uns, und wer weiß, ob wir nicht eine Überraschung erleben. Ich jedenfalls freue mich darauf, weiterzuarbeiten. Entscheiden wird der Wähler.

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Simon Lanzinger Thu, 10/04/2018 - 08:31

Fast schon eine Frechheit den Landtag komplett lahm zu legen und sich dann auch noch damit zu brüsten. Was Herr Pöder betreibt ist keine Oppositionarbeit sondern billiger Populismus.

Thu, 10/04/2018 - 08:31 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Thu, 10/04/2018 - 12:28

Man hätte Pöder fragen sollen was er davon hält, wenn Kinder mit Immunschwäche der Schule fern bleiben müssen, nur weil ein Paar Eltern meinen ihre Kinder bräuchten keine Impfungen.

Thu, 10/04/2018 - 12:28 Permalink