Society | Unfalltod von René Eppacher

Fall Kammerlander: „Hier geht es um Klein gegen Groß“

Ob in Bars oder auf Facebook: Hans Kammerlander und der Unfall in Uttenheim bewegen die Gemüter. Woher kommt die Wut, was rührt vor allem junge Menschen derart auf an diesem Fall? Die Suche nach Erklärung mit einem von ihnen: dem 28-jährigen Pusterer JG-Vertreter Hans Christian Oberarzbacher.

Herr Oberarzbacher, mehr als 7000 Likes für die Facebook-Gruppe „Gerechtigkeit für René“ in zwei Tagen. Was ist los bei Ihnen im Pustertal?
Hans Christian Oberarzbacher: Diese Facebook-Gruppe ist wirklich beeindruckend. Ich bin am Sonntag am frühen Nachmittag eingeladen worden, sie zu liken, da hatte sie schon ungefähr 1000 Fans, was extrem viel war in der kurzen Zeit. Aber einen Tag später mehr als 7000. Ich  glaube, keine andere Seite hat in der Zeit eine derart große Anhängerschaft bekommen. Doch auch wenn man draußen unterwegs ist in den Bars oder am Abend ausgeht, ist der Unfall und vor allem die Frage, was wirklich passiert ist, Gesprächsthema Nummer Eins. Die Empörung, der Aufschrei in der Bevölkerung ist wirklich riesengroß. Wenn in einer Bar nur irgendwo am Nebentisch der Name Kammerlander fällt, redet schon die ganze Bar darüber.

Und was wird da geredet?
Es gibt vor allem eine brutal große Kritik an den Medien, weil sie gleich einmal berichtet haben, dass der René der Schuldige ist. Und nun empört man sich eben auch darüber, dass es Kammerlander gewesen sein könnte. Das sehe ich schon ziemlich kritisch. Die Aufgabe, den Unfallhergang zu ermitteln, haben immer noch die Carabinieri und die Staatsanwälte. Also, ich finde es einfach nicht richtig, jemanden vorab zu verurteilen, ob das nun der René oder der Hans Kammerlander ist.

Aus vielen Posts der Facebook-Gruppe ist eine Wut, ein Gefühl, ungerecht behandelt  zu werden, herauszulesen. Geht es da nur um diesen Fall oder hängt sich hier ein breiterer Frust auf?
Primär hört man derzeit bei den Leuten einen totalen Unmut gegenüber Hans Kammerlander heraus. Aber ich glaube, dabei geht es nicht um den Hans Kammerlander als Person sondern als Prominenten. Also, ich beobachte in der ganzen Diskussion auch eine generelle Frustration, einen Unmut von Klein gegen Groß. Zum Beispiel bei der Befürchtung der Leute, dass jemand anders behandelt wird, weil er einen Prominentenstatus hat. Wie gesagt: Ich persönlich würde zum derzeitigen Zeitpunkt weder René Eppacher noch Hans Kammerlander verurteilen. Aber die Bevölkerung hat ihr Urteil schon gefällt, obwohl niemand weiß, was genau passiert ist. Und das ist eindeutig Klein gegen Groß.

Sie haben nicht das Gefühl, dass es gegen Hans Kammerlander generelle Vorbehalte in der Bevölkerung geben würde?
Nein, das ist ebenfalls interessant. Vor dem Unfall hatte der Hans Kammerlander hier einen gewissen Heldenstatus. Als Spitzensportler war er ein Vorbild, so ähnlich wie ein Politiker, also zumindest wie in früheren Jahren ein Magnago. Aber kaum fällt irgendein schlechtes Licht auf ihn, wird er fallen gelassen und es wird gleich gegen ihn geschrieben. Genau diejenigen, die bisher gesagt haben, was der Hans Kammerlander alles erreicht hat, sind nun die, die am lautesten schreien.  Aber dass er davor ein schlechtes Image gehabt hätte, kann man wirklich nicht sagen, ganz im Gegenteil.

Auch nicht in Bezug auf etwaigen Alkoholkonsum?
Dazu hab ich beim besten Willen nichts zu sagen.

Täuscht das Gefühl, dass der Unfall vor allem junge Menschen bewegt oder geht die Aufregung quer durch alle Altersschichten?
Die umfasst die 15- bis 99-Jährigen, würde ich sagen. Aber klar, nachdem das Opfer leider ein sehr junger Mensch ist, ist die Tragik natürlich umso größer. Und der René hatte auch noch einen riesengroßen Freundeskreis, deswegen betrifft es die Jugend umso mehr. Vor allem urteilen Jugendliche eben auch gerne schneller, deshalb ist unter ihnen in dem Fall sicher auch die Empörung größer. Vielleicht geht es in der ganzen Geschichte auch ein wenig um Jung gegen Alt, neben Klein gegen Groß.

Kammerlander selbst hat am Montag auf seiner Facebook-Seite gepostet, dass das Medium in diesem Moment laut ihm nicht die geeignete Plattform für Diskussionen ist, weshalb auch alle eingehenden Kommentare gelöscht werden. Sehen Sie eine reale Gefahr, dass eine solche Geschichte über die Mechanismen der Sozialen Medien eskalieren kann? 
Diese Gefahr sehe ich durchaus. Denn wie gesagt: Hier wird einfach von einer  Facebook-Gruppe über einen Menschen geurteilt, bevor irgendetwas klar ist. Ich bin schon der Meinung, dass die Unschuldsvermutung generell zu gelten hat. Deshalb habe ich zum Beispiel die Seite nicht geliked. Obwohl ich natürlich dafür bin, dass herauskommt, was wirklich geschehen ist. Aber diese Facebook-Seite geht leider eindeutig in eine Richtung, und die heißt Verurteilung von Hans Kammerlander, bevor die Ergebnisse vorliegen.

Was also würden Sie sich wünschen?
Mein Appell an alle wäre: Lassen wir die Gerechtigkeit siegen, aber nicht nur die für René Eppacher, sondern die Gerechtigkeit generell. Und hören wir auf, über Menschen und Situationen zu urteilen, bevor nicht feststeht, was wirklich passiert ist.