"Fest steht gar nichts"
Selten entfaltet sich der Ausdruck Sammelpartei so schön wie im Bozner Wahlkampf. 23 KandidatInnen, sechs davon Frauen, treten am 10. Mai für die Südtiroler Volkspartei um die Wählergunst an. Wer sich da unter Spitzenkandidat Klaus Ladinser so alles tummelt, kann nach verschiedensten Kategorien eingeteilt werden. Traditionell nach den großen SVP-internen Lagern wie Wirtschaft, Arbeitnehmer und Bauern, klassisch nach Newcomern oder alten Hasen, aktuell nach Benko-Gegnern oder Benko-Befürwortern - oder auch einfach nach originellsten und vielversprechendsten Kandidaten. Zu ersteren zählt beispielsweise das Urgestein der Südtiroler Rockszene Elmar Streitberger, zu letzteren werden nicht zuletzt der Bauernkandidat Luis Walcher oder die bisherige Stadtviertelrätin und Präsidentin des Verein „Zukunft Bozen“ Anna Pitarelli gerechnet. „Wir waren immer schon relativ breit und ein bissl bunt aufgestellt, vor allem seit ich bei den Wahlen ein bissl mitgestalte“, sagt Spitzenkandidat Klaus Ladinser bei seinem dritten Bozner Wahlkampf. In einer Volkspartei müssen verschiedene Meinungen Platz haben, lautet das Motto. Und zwar mehr denn je aus politischem Kalkül: Immerhin heißt das große Ziel, gemeinsam mit „Freund Gigi“ , bereits im ersten Wahlgang eine Mehrheit zu erzielen – genauer gesagt mit dem Partito Democratico, Spagnollis Bürgerliste, Rudi Benedikters Projekt Bozen und Claudio della Rattas PSI.
Als Zünglein an der Waage macht auch der Bozner Koordinierungsobmann Dieter Steger Matteo Bonvicini und seine Leute aus. „Entscheidend für die Mehrheit wird sein, ob es der Liste von Spagnolli gelingt, die traditionellen italienischen Zentrumswähler zu aktivieren“, sagt der SVP-Fraktionssprecher im Landtag und ehrenamtliche Stadtobmann. Doch auch seine Partei hat als - mit aktuell zehn Sitzen - stärkste Fraktion im Gemeinderat eine wichtige Rolle beim Erreichen einer möglichst stabilen Mehrheit. 9000 Stimmen, also knapp 20 Prozent aller Stimmen, hatte das Traumergebnis der Bozner SVP 2010 gelautet. Ein Rekord, der vorher nie erreicht wurde. Ob er diesmal gehalten werden kann, ist die Frage. Rechnet man die drei Stadtratsposten mit ein, gingen damals 13 SVP-KandidatInnen erfolgreich aus den Wahlen hervor. Schon allein aufgrund der Verkleinerung des Bozner Gemeinderat von 50 auf 45 Sitze werden sich die zehn Sitze im Gemeinderat zumindest auf neun verringern, kalkuliert Steger.
Schreckgespenst astensionismo
Noch scheint die Frage, wer diese bekommt, hinter einer ganz anderen zu verschwinden: Schaffen wir es genügend WählerInnen an die Wahlurnen zu bekommen? „Die Politik ist einmal nicht gerade hoch im Kurs“, bestätigt Spitzenkandidat Klaus Ladinser die am meisten gehörte Klage vor diesen Gemeinderatswahlen. „Man merkt, dass die Leute allgemein enttäuscht sind von der Politik, vom Stillstand in Bozen", sagt auch Anna Pitarelli, „und nicht sehr motiviert zur Wahl zu gehen, und zwar unabhängig von der Sprachgruppe.“
„Im italienischen Umfeld ist die Stimmung noch schlechter“, meint ihr Stadtviertelrats-Kollege Kilian Bedin, der in diesen Wochen vor allem in den beiden Stadtvierteln seiner Ortsgruppe Don Bosco und Europa-Neustift unterwegs ist. Vor allem wegen der zersplitterten Parteienlandschaft seien viele WählerInnen dort unsicher, wen sie wählen sollen. „Einige haben schon angekündigt SVP zu wählen“, erzählt Bedin. „Bei Euch wissen wir wenigstens, was wir haben, sagen sie.“ Ob die Probleme der anderen Seite tatsächlich nennenswerte italienische SVP-Stimmen abwerfen, wird sich zeigen. In seinen Wahlaufrufen wendet sich Spitzenkandidat Ladinser in jedem Fall klar an die eigene Sprachgruppe. Jede deutschsprachige Stimme garantiert auch weiterhin ein Gleichgewicht bei der Vertretung auf ethnisch-politischer Ebene, versucht er seinen WählerInnen klar zu machen. „Und das ist wichtig – ob für das Zusammenleben, das Vereins- und Kulturleben und selbst die urbanistische Entwicklung.“
Team im Team
Das Schreckgespenst astensionismo schafft es aber auch, zumindest nach außen hin, wenig Zeichen von parteiinternen Reibereien und Konkurrenzdenken aufkommen zu lassen. Anlass dafür gäbe schon allein das Bozner Streitthema des vergangenen Jahres, das bekanntlich auch innerhalb der Bozner SVP sehr unterschiedlich beurteilt wird. Noch dazu, nachdem sich mit den offensivsten Benko-Befürwortern, den sieben Mitgliedern des Vereins Zukunft Bozen, eine eigene Gruppe innerhalb der SVP-Gruppe gebildet hat. Eine so starke Untergruppierung haben bisher nicht einmal die Bauern oder die Wirtschaft gebildet, wird auch parteiintern bestätigt. „Unsere große Stärke ist, dass wir sehr stark im Team arbeiten“, sagt Frontfrau Anna Pitarelli. Für die letzten drei Wochen des Wahlkampfs ist die Landesbedienstete in Wartestand gegangen. Mehrmals die Woche macht die Gruppe mit Aktionen auf sich aufmerksam – von Wanderungen auf den von Benko mit Vorkaufsrechten belegten Virgl oder der jüngsten Aktion "Facciamo pulizia". „Wir stehen für die Erneuerung“, sagt Pitarelli. „Und auch wenn das Benko-Projekt ein Symbol dafür ist, haben wir sehr breit gefächerte Themen, die weit darüber hinausgehen.“
Dass die Spitzenkandidatin der Gruppe dank ihrer ständigen öffentlichen Präsenz im vergangenen Jahr mehr Zuspruch erzielen wird als bei den Wahlen 2010, als sie mit 355 Stimmen die zweite Nicht-Gewählte auf der SVP-Liste war, kann jetzt schon als gegeben genommen werden. Spannend wird aber auch, wie nah sie an Spitzenkandidat Ladinser heranreicht, der vor fünf Jahren mit 2147 Vorzugsstimmen fast 1000 Stimmen Abstand zum damals Zweitgewählten Luis Walcher hatte. Auch dem Spitzenkandidaten der Bauern wird diesmal nach dem Abtritt von Georg Mayr noch mehr Stimmpotential zugetraut als 2010. Sein aufgewärmter Vorstoß zur Umbenennung des Siegesplatzes ging zwar relativ sang- und klanglos unter. Doch der 41-Jährige hat nicht nur die standesbewussteste SVP-Klientel hinter sich, sondern positioniert sich auch darüber hinaus als gute Kombination aus politischer Erfahrung und starkem Erneuerungswillen. Rechnet man dazu, dass die Bozner Bauern diesmal im Gegensatz zu 2010 keine Wahlempfehlung für Klaus Ladinser abgeben, sondern nur auf ihren Spitzenkandidaten sowie Guido Martini und Peter Warasin setzen, könnte sich der Abstand zum aktuellen Vize-Bürgermeister deutlich reduzieren.
Ist der Vizebürgermeister-Stuhl also auch noch zu vergeben bei diesen ungewissen Wahlen? „Klaus Ladinser ist unser Spitzenkandidat und damit klarerweise auch Kandidat für das Vize-Bürgermeisteramt", lautet die Standard-Antwort der Bozner SVP-ler. Daran zu rütteln wagt einmal mehr Anna Pitarelli. „Fest steht gar nichts“, meint sie. „Doch anhand der Ergebnisse wird sich schon herauskristallisieren, wen die Boznerinnen und Bozner wollen.“
Vorneweg: ich bin weder Pro-
Vorneweg: ich bin weder Pro- noch Anti-Benko, finde es aber bedenklich, wenn ein Verein, der für ein privates Wirtschaftsunternehmen Lobbying betreibt, mit gar einigen Kandidaten die einzige deutsch-ethnische Liste Bozens füllt. Besonders der Umstand, dass dieses Reizthema innerhalb der Vorwahlzeiten in der SVP Bozen kaum zu inneren Schlagabtauschen führt, wundert mich. Während die "Zukunft Bozen"-Leute eine Marketingkampagne nach der anderen raushauen (zwar professionell inklusive italienischer Videos, aber inhaltsleer als wollte man ein Produkt verkaufen), sieht es mit mir bekannten deutlichen Stellungnahmen anderer Listenkandidaten wohl kärglich aus. Zumindest die meisten Bozner Wein-Bauern (bzw. deren Vertreter) sind durch den Alt-Kellerei Gries Deal wohl auch "etwas verquickt" mit Benko. Dieter Steger hat sich als Anti-Benko positioniert. Und der Rest? Ich habe mal eine Übersicht zusammengestellt und betätige mich zu diesem interessanten Wahlaspekt als Wahlhellseher. Quellen: http://wahlen-bozen-2015.it/wp-content/uploads/2015/04/SVP-Bozen-Gemein… https://www.facebook.com/svp.bozen http://www.comune.bolzano.it/prog/wahlen/com2010/inc/?action=voti_pref&… & offline ;-)
Mögliche Wahlposition und Benko-Position (in Großbuchstaben bereits 2010 dabei):
(1.) LADINSER KLAUS: opportunistisch/pragmatisch?
(2.) WALCHER LUIS: Kellerei Bozen?/eher pro?/SBB
(?.) KOFLER PEINTNER JUDITH: ?
(?.) BURATTI CHRISTOPH: kritisch
(?.) HOFER SYLVIA: kritisch
(?.) KONDER STEPHAN: kritisch
(?.) WARASIN PETER: ? Kellerei Bozen?/SBB
(?.) PITARELLI ANNA: VZB Pro!
(??.) Ulrich Kauer : kritisch
(??.) BEDIN KILIAN: ? Techniker
(??.) LAIMER STEFAN: ? (Wirtschaft)
(??.) Guido Martini: ? SBB
(??.) Otto Mahlknecht: VZB Pro!
Thomas Oberrauch: VZB Pro!
CLEMENTI NORBERT: ?
CORRADINI HEINRICH: ? Architekt
Christine Mayr: ?
Elmar Streitberger: ?
Hannes Mussak: VZB Pro!
Elmar Pardeller: VZB Pro!
Hannes Unterhofer: ?
Petra Eisenstecken: VZB Pro!
Silvia Tauferer: VZB Pro!
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