Culture | Franco Marini, die Meraner Theaterikone

Franco Marini: Können wir ihn gehen lassen? Nein!

Franco Marini, die Meraner Theaterikone, wird noch gebraucht.

Das hat er sich gut ausgedacht, der Marini Franco. Im Dezember inszenierte er im Meraner „Theater in der Altstadt“ Horváths „Glaube Liebe Hoffnung“. Zum zweiten Mal nach 1976. Mit seiner alten Truppe. Ein Kreis sollte sich schließen, ein schöner, runder Abgang nach einem Leben für das Theater. Denkste.
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Franco MariniGooglen sollte man Franco Marini eher nicht, denn dann stößt man zuerst auf einen Politiker, der noch Staatspräsident werden könnte. Der Meraner Regisseur und Schauspieler dieses Namens war aber schon vor dem Internet eine lokale Berühmtheit. Die Großelterngeneration schmunzelt noch heute über die Marini-Sketche aus den Frühzeiten des Narrenabends, viele bekannte Theaterschaffende, wie Fred Schweigkofler, um nur einen zu nennen, verdanken ihm erste Bühnenerfahrungen, das „Theater in der Klemme“ steht und fällt mit Franco Marinis Präsenz.
Studiert hat er das Theaterwesen nicht, jedenfalls nicht in Kursen oder auf Akademien. Als Zwischenkriegskind und Jahrgänger von Udo Jürgens, Horst Buchholz oder Joseph Zoderer hatte er andere Perspektiven. Die Kriegszeit erlebt er wie ein großes Abenteuer: Beim Schwimmen in der Lazag sieht er die Bomber Richtung Innsbruck fliegen und wartet auf das Donnern aus der Ferne. Die Befreiung wird zum sinnlichen Vergnügen: „Die Amerikaner haben gut gerochen.“ Der Vater – „er hat mit Luis Trenker gefilmt“ – stirbt, als Franco 13 ist. „Handwerk hat goldenen Boden“ und so folgt die Einschreibung in die italienische Berufsschule für Tischler und Mechaniker, bald danach aber eine Malerlehre. Keine Berufung, aber immerhin ein Beruf, dem Franco bis zu seiner Pensionierung treu bleibt.
Die Berufung liegt – läge – anderswo. Franco ist musikalisch, kann gut singen, hat Witz und Fantasie, begeistert sich für Film und Literatur, erkennt alle Schauspieler an ihrer Stimme – und drängt auf die Bühne. So werden er und seine ebenfalls begabten Brüder, „die Marinis“, zu Lieblingen der Gesellschaft, der sie dafür auch frech den Spiegel vorhalten. Legendär ist ihr Vierzeiler, auf die Melodie von „Almenrausch und Edelweiß“ gesungen: „Olm an Rausch und niachtern nia / Lederhosn und schworze Knia / Sain mir Schitzn froh und frei / Und bei jedn Kaas drbei.“ Es ist die Bitterkeit über den Lauf der Welt, der Franco und seine Brüder seit jeher auf ihre Art, nämlich mit Ironie, begegnen.

Politisch wird das Ganze spätestens dann, als Franco sich vom alternativen „Südtiroler Kulturzentrum“ für die Inszenierung des Michael-Gaismair-Dramas „Tirol 1525 – Szenen aus dem Bauernkrieg“ gewinnen lässt. Auf der Bühne steht das Who-is-Who der linken Intelligenzija; die Südtirol-Tournee im Frühjahr 1976 geht wie eine revolutionäre Welle durch das Land. Das Haus Athesia warnt vor dem Besuch.
Nach dieser Erfahrung kann Franco Marini mit seiner „Meraner Volksbühne“ nicht mehr „Alois, wo warst du heute Nacht?“ spielen. Er bringt Karl Valentins „Tingeltangel“ und Johann Nepomuk Nestroys „Freiheit in Krähwinkel“auf die Bühne, inszeniert selten aufgeführte Autoren wie Jura Soyfer, Ernst Toller, Roger Vitrac – und beschreitet damit für Südtirol völliges Neuland. Nicht alle in der „Volksbühne“ wollen ihm auf diesem Weg folgen, die Gruppe spaltet sich, es entsteht das „Theater in der Klemme“ – und nur dieses überlebt.
Es kommen die Jahre der neuen Kinderstücke, die „Klemme“ spielt das emanzipatorische Repertoire des Berliner Grips-Theaters rauf und runter. Und hin und wieder, die Revolution braucht ja auch mal eine Pause, auch Operetten und Musicals, vom „Weißen Rössl“ über „Der fidele Bauer“ bis zum „Watzmann“ und der „Piefke-Saga“, wo Franco seiner Liebe und seinem Talent für das Musiktheater nachgehen kann.
Doch nun also „Glaube Liebe Hoffnung“, klug als vermeintlichen Schlusspunkt der Karriere inszeniert. Aber schon wieder ein Erfolg, der Lust macht auf mehr: Noch hat Franco Marini sein Potential offenbar nicht erschöpft. Können wir ihn gehen lassen ? Nein!