Politics | St. Ulrich

Zerstreute Volkspartei

In St. Ulrich, wo nur die SVP antritt, treibt der Wahlkampf seltsame Blüten: Falsche Wahlen, verwechselte Legislaturen und ein etwas zu rühriger LVH-Obmann.

Es ist selbst für Südtiroler Verhältnisse eine Einmaligkeit. In St. Ulrich tritt bei den Gemeinderatswahlen am Sonntag nur eine Liste an: Die SVP. Dazu kommt, dass es nur 17 Kandidaten auf der SVP-Liste gibt, aber 18 Sitze im Gemeinderat.
Die Folge: Bereits jetzt ist klar, dass alle SVP-Kandidaten als gewählt gelten. Die einzige Unbekannte: 50 Prozent der Wahlberechtigten müssen am Sonntag zur Urne gehen, damit die Wahl gültig ist.
Obwohl vor diesem Hintergrund ein Wahlkampf (fast) überflüssig ist, treibt genau dieser im Grödner Hauptort seltsame Blüten. Mit garantiertem Unterhaltungswert.

Verwechselte Legislatur


Bürgermeister Ewald Moroder: Recycelter Text?

Die "SVP Gherdeina - Gröden“ hat eine wunderschöne Homepage online gestellt, auf der jeder Kandidat und jede Kandidatin in den einzelnen Gemeinden auch das persönliches Wahlprogramm präsentieren kann.
Der amtierende Bürgermeister von St. Ulrich und Bürgermeisterkandidat Ewald Moroder erlaubt sich darin einen Rückblick auf die abgelaufenen 5 Jahre.
Ewald Moroder muss dabei ein bisschen zerstreut gewesen sein, denn er hat die Legislatur verwechselt. So hebt der St. Ulricher Bürgermeister im Leistungsbericht die „neue Handelsoberschule“ hervor (wurde im Schuljahr 2008/2009 eröffnet) oder die „Auszeichnung der Dolomiten als UNESCO Weltnaturerbe“ (im Juni 2009).
Dass Ewald Moroder für diese Gemeindewahlen einen alten Text aus dem Wahlkampf 2010 recycelt hat, wird an einem Satz mehr als deutlich. So schriebt der SVP-Bürgermeister:
„Besonders belohnt wurden unsere Anstrengungen für Kinder und Kinderspielplätze: Im vergangenen Jahr bekam unsere Gemeinde vom VKE (Verein für Kinderspielplätze und Erholung) die Auszeichnung als „kinderfreundlichste Gemeinde“ zugesprochen.“
Diese Auszeichung hat die Gemeinde St. Ulrich aber im Sommer 2009 erhalten.


VKE-Auszeichnung für St. Ulrich: Bürgermeister verwechselt Legislaturperiode.

Der LVH-Obmann

Ewald Moroder ist aber nicht der Einzige auf der SVP-Liste, der zerstreut scheint. Hannes Senoner ist nicht nur Assessor in St. Ulrich, der Unternehmer und Schlosser ist auch Obmann des lokalen LVH-Ablegers.
Wie fast in allen Gemeinden macht auch in St. Ulrich der Handwerkerverband direkte Wahlwerbung für die SVP. In einem Schreiben der LVH-Ortsgruppe „artejans gherdeina“ unterzeichnet von Ortsobmann Hannes Senoner werden die Handwerker aufgefordert, den Unterzeichner des Schreibens und einen zweiten Handwerker-Kandidaten zu wählen.
Der Wahlwerbung ist garniert mit den Foto der beiden Kandidaten und einem Satz, der deutlich macht, wie genau man es in Grödner SVP nimmt:
„Um eine starke Vertretung des Handwerks zu gewährleisten hat der Ortsausschuss des LVH einstimmig beschlossen folgende Handwerker-Kandidaten bei den am am 10. Mai anstehenden Landtagswahlen zu unterstützen“.
Landtagswahlen? Hier scheint sich der Fehlerteufel doch etwas grob eingeschlichen zu haben.


Grödner LVH-Wahlwerbebrief:Elezioni provinciali in programma il prossimo 10 maggio“

Vergessene Enthaltung

Dass man in St. Ulrich mit den gesetzlichen Bestimmungen etwas leger umgeht, zeigt aber eine andere Tatsache in deren Mittelpunkt wiederum Hannes Senoner steht. Senoner ist als Gemeindereferent und für „primäre Infrastrukturen - Straßenwesen, Wasser- und Abwasserleitung, öffentliche Beleuchtung, Hand- und Kunsthandwerk“ zuständig.
Der SVP-Politiker ist von Beruf Schlosser und hat eine eigene Firma. Der Zufall will es, dass der Gemeindeausschuss St. Ulrich in der laufenden Legislatur insgesamt 10 öffentliche Aufträge an die private Firma von Hannes Senoner direkt vergeben hat. Ohne vorher Kostenvoranschläge von anderen Unternehmen einzuholen. Insgesamt erhielt der SVP-Assessor 52.601,16 Euro von der Gemeinde.
Bei den meisten Beschlüssen des Gemeindeausschusses verlies Hannes Senoner – so wie vom Gesetz vorgesehen - den Sitzungsaal. Es mag am Wahlkampf liegen aber bei der letzten Auftragsvergabe an sich selbst scheint Hannes Senoner das Gesetz vergessen zu haben.
Am 27. April 2015 vergibt der Gemeindeausschuss St. Ulrich einen Auftrag für die „Lieferung von allgemeinem Eisenmaterial und Ausführung von kleineren Schlosser- arbeiten für die Gemeinde St. Ulrich“ an die Firma Senoner Hannes. Die Auftragssumme 8.540 Euro inklusive Mehrwertsteuer.
Laut offiziellem Protokoll hat Hannes Senoner dabei mitgestimmt. Ein klarer Gesetzesverstoß. Nur aus Zerstreutheit?


Offizielles Sitzungprotokoll: Auftrag an sich selbst.

Wetten, dass es am Ende auch dafür eine einfache Erklärung geben wird. Man wird sagen: Es ist ein Fehler im Protokoll, Senoner hat den Saal verlassen.
Dieser Trick geht immer gut.