Ganz normal

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Es ist nicht das erste Mal, dass sich Mitglieder des Vereins Famiglie Arcobaleno – 2005 gegründet, seit sechs Jahren auch in Südtirol aktiv – zu einer Lesestunde für die Kinder von Regenbogenfamilien zusammengefunden haben. Vor einigen Jahren erboste sich schon der Verein „Pro Vita & Famiglia“ in einem Leserbrief über die vermeintliche „Indoktrinierung mit Genderideologie“, den Kindern dürfte es egal sein. „Das alles ist Familie – È l’amore che fa famiglia“ war eben auch ein Treffpunkt.
Ohnehin war es – verhältnismäßig – ruhig beim Zusammentreffen gestern Nachmittag in der Fachbibliothek „Eine Welt“ der OEW im Brixner Luis Lintner Haus. Einige Mütter hatten an diesem Donnerstag Zeit, ihre Kinder zur Lesestunde zu begleiten. Auch über die beiden für den Tag ausgewählten Kinderbücher hinaus ist die kleine Fachbibliothek in Milland, zugegebenermaßen etwas weiter ab vom Schuss als die Stadtbibliothek, gut sortiert. Neben Themen der Sexualität und Identität für große und kleine Leserinnen und Leser klärt sie insbesondere auch über soziale Gerechtigkeit und das Klima auf.
Die Geschichte eines schwulen Pinguinpaars, das im Zoo von Manhattan ein verstoßenes Ei „adoptiert“ und ausbrütet
Bei den beiden am Plan stehenden Büchern von Ideologie zu sprechen, wäre fehlgeleitet: „And Tango makes three“ (von Justin Richardsonund Peter Parnell) gehört dabei zu den wohl bekanntesten Regenbogen-Kinderbüchern und erzählt die Geschichte von Roy und Silo, einem schwulen Pinguinpaar, das im Zoo von Manhattan ein von einem anderen Brutpaar verstoßenes Ei „adoptierte“ und ausbrütete, sodass das Pinguinweibchen Tango zur Welt kam. In Folge dieses Bruterfolges in den späten 90ern kamen auch andere Zoos auf die Idee, gleichgeschlechtlichen Pinguinpaaren zum Familienglück zu verhelfen – vom fernen Japan bis in den vergleichsweise nahe gelegenen Münchner Tierpark Hellabrunn, wo es ebenfalls ein männlich-männliches Brutpaar mit zwei Humboldt-Pinguinnen gibt.
Eine nette Geschichte, die mit dem japanischen Papiertheater Kamishibai und den beiden Erzählerinnen, Johanna Mitterhofer und ihrer Vereinskollegin, zuständig für die deutsche und italienische Sprachfassung respektive, lebendig gestaltet werden sollte. Lebhaft war indes auch das junge Publikum, das einiges spannender fand als „eine Familie nicht ganz wie die anderen, aber eine glückliche“. Dann lieber noch etwas zu den alten Römern lernen. Für das zweite Buch, „Piccolo Uovo“ (von Francesca Pardi) fehlte schließlich die Aufmerksamkeit, kurz tauschten sich die Mütter untereinander noch aus undalle waren sich einig: Die meisten Vorbehalte, die ihnen beim Kinderarzt oder im Kindergarten entgegengebracht würden, fußten auf Unwissen, weswegen es nach wie vor Aufklärungsarbeit brauchen würde. Das Papiertheater brachte Johanna Mitterhofer auch schon für eine Vorführung in den Kindergarten, wo sie zwar die einzige Regenbogenfamilie waren, aber nicht alleine zeigten, dass es auch anders gehen kann als mit Vater, Mutter, Kind. Vom Kind, das seinen Vater nur alle paar Wochen sieht, bis zum alleinerziehenden Witwer war man auch dort mit der Botschaft einverstanden, dass die Familie bei Menschen und Tieren nicht nur eine Form haben kann. Nur die Homophobie ist und bleibt wohl eine menschliche Erfindung.
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