Environment | Abdrift

Und jährlich grüßt das Risiko

Rückstände in seinen Apfelanlagen geben Biobauer Ägidius Wellenzohn erneut Anlass zur Sorge um seine Ernte. Er sieht die Politik unter Zugzwang.
Ägidius Wellenzohn
Foto: Screenshot

Die Hiobsbotschaft erreichte ihn am Mittwoch. Laboranalysen haben in den Bio-Apfelanlagen von Ägidius Wellenzohn Pestizidrückstände nachgewiesen. “Auf Blattproben, die Ende Juli gezogen wurden, wurden Rückstände von Captan in der Höhe von 1,4 mg/kg festgestellt”, berichtet Wellenzohn. Und noch drei weitere Wirkstoffe wurden gefunden: Dodine, Dithianon und Fluazinam.
Allesamt Mittel, die auf Bioflächen wie jenen von Wellenzohn nicht hingehören.

Muss der Obervinschger Biobauer nun einen weiteren Rückschlag einstecken? Vergangenes Jahr brachten Unbekannte Glyphosat auf Wellenzohns Äpfeln aus – ein Schock für den Bauer, dem der vergiftete Block einen Totalausfall bei der Apfelernte bescherte. Er erstattete damals Strafanzeige. Die habe allerdings “nichts ergeben”, sagt Wellenzohn, es seien keine Beweise gefunden worden, durch die der oder die Täter hätten ermittelt werden können. Die betroffenen Bäume wird er heuer roden.

Dass bei ihm nun wieder Wirkstoffe nachgewiesen wurden, die auf Bioflächen eigentlich nichts verloren haben, sei aber “kein Vandalenakt”, unterstreicht Wellenzohn, sondern der “ganz normalen Abdrift” geschuldet, “wie sie eben vorkommt”. Dennoch will er den Vorfall zum Anlass nehmen, um (wieder) Druck zu machen.

 

Ganz normal?

Jährlich führen zertifizierte Kontrollstellen Rückstandsanalysen in Biobetrieben durch. Für die gelten in Italien äußerst strenge Grenzwerte. Bio-Produkte oder biologische Futtermittel dürfen nicht mehr als 0,01 mg/kg an Rückständen von konventionellen Betriebsmitteln aufweisen. “Jedes Jahr werden Rückstände festgestellt – nicht nur bei mir”, erklärt Wellenzohn. Der Grund dafür ist die Abdrift: Wenn konventionell arbeitende Betriebe in der Nähe Pflanzenschutzmittel auf ihren Flächen ausbringen, trägt sie der Wind auch auf die biologisch bewirtschafteten Flächen. Vor allem im Vinschgau ist die Abdrift seit Langem ein großes Problem mit großem Konfliktpotential. Daher wurde erst im April dieses Jahres eine Abkommen “für gute Nachbarschaft” unterzeichnet – um die Abdrift auf Bio-Flächen zu vermeiden.

Im Falle von Ägidius Wellenzohn hat das offensichtlich nicht geklappt.

Da die Rückstände auf Blattproben von Ende Juli gefunden wurden, besteht für Wellenzohn noch Hoffnung, dass er seine Bio-Äpfel als solche verkaufen kann. “Richtig beunruhigt bin ich erst, wenn auch auf den Äpfeln Rückstände über dem Grenzwert gefunden werden”, gesteht er. Grund zur Sorge gebe es, betont der Bio-Bauer, da das Fungizid Captan, von dem 1,4 mg/kg auf den Blättern gefunden wurde, “ein Wirkstoff ist, der sich nur schwer und langsam abbaut”. Bereits am Freitag hat sich die zuständige Kontrollstelle angekündigt, um Apfelproben zu ziehen. Ergeben diese Rückstände von mehr als 0,01 mg/kg, kann Wellenzohn seine Äpfel nur als konventionelle Ware verkaufen.

Dieser Tage ist Ägidius Wellenzohn im ganzen Land unterwegs. Er ist einer der Protagonisten in Alexander Schiebels Film “Das Wunder von Mals” und nimmt als solcher an Podiumsdiskussionen teil. Am Mittwoch war der Biobauer bei der Filmvorführung in Schlanders dabei, wo er von den jüngsten Rückstandsfunden in seinen Apfelanlagen berichtete. “Die Politik ist gefordert”, sagt Wellenzohn bestimmt. Handlungsbedarf sieht er in erster Linie bei der Landesregierung: “Nach der Geschichte um Mals hat die Landesregierung den Bürgermeistern die Kompetenz zur Regelung der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln entzogen – sie ist nun unter Zugzwang!”

 

“Thank you for your courage”

Indes bekommen die Malser, die sich seit Jahren für eine pestizidfreie Gemeinde einsetzen, prominenten Zuspruch. Die US-amerikanischen Anwälte Robert F. Kennedy Jr. und Michael L. Baum haben am gestrigen Mittwoch eine Unterstützungserklärung für den “Malser Weg” verfasst – nach einem Treffen mit dem Vorstand von PAN-Europa im EU-Parlament in Brüssel.

Kennedy und Baum haben am 10. August ein aufsehenerregendes Urteil erwirkt: Ein Geschworenengericht in San Francisco verurteilte den Chemieriesen Monsanto – inzwischen wurde der Großkonzern von Bayer aufgekauft – zur Zahlung von umgerechnet rund 250 Millionen Euro Schadenersatz an einen ehemaligen Hausmeister, der an Lymphdrüsenkrebs erkrankt ist. Dieser hatte das glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel Roundup von Monsanto jahrelang eingesetzt. Die Geschworenen kamen zum Urteil, dass das Glyphosat wesentlich zur Krebserkrankung des Mannes beigetragen habe.