Umwelt | Pestizide

„Was will man damit erreichen?“

Der Kortscher Biobauer Ägidius Wellenzohn baut seit 30 Jahren biologisch Äpfel an. Nun wurde ihm ein Teil seiner Anlage mit Glyphosat vergiftet.
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Foto: vimeo

Südtirols Grüne waren am Montag voller Empörung: „Eine solche Aktion erfordert nicht nur strafrechtliche Verfolgung und Schadensvergütung“, forderten die drei Landtagsabgeordneten Brigitte Foppa, Hans Heiss und Riccardo dello Sabarba, „sondern auch ein klares Wort der Politik und der Verbände, allen voran des zuständigen Landesrates und des Südtiroler Bauernbundes.“ Grund ihrer Aufregung? Eine „Giftattacke“ auf den Bio-Bauern Ägidius Wellenzohn. Drei Reihen seiner zwei Hektar großen Apfelanlage wurden - offensichtlich Anfang September - mit dem Herbizid Glyphosat zwangsbehandelt. Der Täter? Unbekannt, wie es auch in der Strafanzeige heißt, die der Biobauer nun eingereicht hat.

Seit 30 Jahren gehörte die Behandlung mit chemisch-synthetischen Pflanzenschutz- oder Unkrautvernichtungsmitteln in Wellenzohns Apfelanlagen sowie Gemüse- und Kartoffelfeldern der Vergangenheit an. In der hatte der Kortscher Bauer eines Tages beschlossen, dass ihm der integrierte Anbau bei der Reduzierung der Spritzungen zu wenig weit geht. „Damals habe ich mich dazu entschieden, dass ich ganz ohne Chemie arbeiten will“, erzählt Ägidius Wellenzohn. Heute betreibt der Bauer eine der wenigen Apfelanlagen im Land, in denen so gut wie überhaupt nicht gespritzt wird. Denn auch als biologisch eingestufte Pflanzenschutzmittel wie Kupfer oder Schwefel sind dem Bio-Bauern auf seinen kleinstrukturierten Anbauflächen nicht willkommen.

"Das heißt, ich bin in derselben Lage wie jemand, der bis heuer noch integriert gearbeitet hat und umstellen will – und das nach 30 Jahren“

„Ich habe aufgrund persönlicher Erfahrungen mit Krankheit erkannt, dass Symptombehandlung nicht zielführend ist“, sagt Wellenzohn. Wenn man imstande sei, die Ursache zu erkennen und zu beseitigen, brauche es so gut wie keinen Pflanzenschutz, ist er überzeugt. Dabeiunterstützt ihn nicht nur die Vielfalt, die er auf seinem kleinen Grund mit verschiedenen Apfelsorten, aber auch einem weiteren Hektar mit Getreide und Gemüse pflegt. Vor allem würden die Naturwissenschaften längst ausreichende Informationen liefern, warum es zum Befall mit bestimmten Schädlingen wie zum Beispiel Läusen komme. Zu viel Stickstoff, zu viel Wasser, die einen Sauerstoffmangel im Boden mit sich bringen, erklärt Wellezohn.  „Selbst wenn ein Baum befallen ist, muss ich nur den Sauerstoffmangel im Boden beheben, indem ich den Boden lockere und lüfte, um den Läusebefall zu stoppen“, so der Bio-Bauer.  

Überzeugungen und Wissen, die der Anti-Pestizid-Aktivist auch im kürzlich erschienen Buch „Das Wunder von Mals“ von Alexander Schiebl sowie in der am vergangenen Donnerstag ausgestrahlten ARTE-Reportage  „Leben ohne Ackergift — Das unbeugsame Dort im Vinschgau“ teilt. Ob ihm seine dortigen Aussagen einen Besucher mit Spritzgerät beschert haben, kann laut Wellenzohn nur dem Reich der Spekulation zugeordnet werden. Fakt scheint dagegen, dass Anfang September in seiner Apfelanlage die alljährlichen Rückstandskontrollen entnommen wurden und Ägidius Wellenzohn wenige Tage später zwischen den Bäumen mähte, um sich auf die Apfelernte vorzubereiten. „Bereits damals habe ich festgestellt, dass das Gras eine andere Farbe hat“, erzählt er. Wenige Tage später wurden auch die Blätter auf den Apfelbäum braun. Noch bevor er die Blätter im Labor überprüfen lässt, melden ihm bereits die Ergebnisse der Rückstandskontrollen, dass seine Äpfel mit dem selben Unkrautvernichtungsmittel getränkt wurden, das auch im Sommer für eine vieldiskutierte Aktion auf den Bozner Talferwiesen missbraucht wurde: Glyphosat.

„Wenn der Landeshauptmann solch eine Aussage trifft, hat er überhaupt nichts verstanden und übersieht einige Dinge."

Für Ägidius Wellenzohn ein Schock. Bis auf einen angesägten Baum an seiner Grundstücksgrenze hat er in den drei Jahrzehnten, in denen er vor allem anfangs tatsächlich gegen den Strom schwamm, nie wirkliche Anfeindungen erlebt, wie er erzählt. „Mir ist einfach unverständlich, wie man so etwas tun kann und was man damit erreichen will“, sagt der Bauer. Offensichtlich ist, dass man ihm einen Schaden zufügen wollte. Wie groß dieser tatsächlich ist, wird sich am Freitag dieser Woche so richtig zeigen. Dann wird sich herausstellen, ob die Kontrollstelle seine gesamte Apfelanlage zurückstuft oder nur den mit Glyphosat vergifteten Block. Der beschert ihm in jedem Fall bereits in diesem Jahr einen Totalausfall bei der Apfelernte, den Wellenzohn auf einen Wert von 4000 bis 5000 Euro schätzt. Zumindest die Äpfel dieser rund 500 betroffenen Bäume wird er auch im nächsten Jahr sicher nicht als Bio-Ware vermarkten können, da die Fläche nun zur Umstellungsfläche zurückgestuft wurde. „Das heißt, ich bin in derselben Lage wie jemand, der bis heuer noch integriert gearbeitet hat und umstellen will – und das nach 30 Jahren“, sagt der Bio-Bauer.

 

Effektvolle Inszenierung? Filmemacher Alexander Schiebel machte den "Giftanschlag auf einen Malser Aktivisten" in einem kurzen Video publik. 

Publik wurde sein Fall aber einmal mehr durch Filmemacher Alexander Schiebel, der am Montag ein publikumswirksames Video der Zerstörung auf dem Videokanal Vimeo publizierte. Eine weitere „effektvolle Inszenierung“, als die Landeshauptmann Arno Kompatscher in seinem Brief an den Sender ARTE viele im Film gezeigten Aktionen kritisiert? „Wenn der Landeshauptmann solch eine Aussage trifft, hat er überhaupt nichts verstanden und übersieht einige Dinge“, antwortet Ägidius Wellenzohn. Zum Beispiel, dass immer mehr Wissenschaftler weltweit dafür sagen würden, dass die Zeit der Chemie in der Landwirtschaft vorbei sei. „Bei uns wird diese Konzept dagegen immer noch großzügig mit Förderungen bedacht“, kritisiert der Bio-Bauer.

Ob solche Aussagen dazu beitragen, die Forderung der Grünen einzulösen? „Landesrat Schuler und SBB-Obmann Tiefenthaler müssen in aller Eindringlichkeit darauf hinweisen, dass mit solchen Aktionen wie auch bereits den Attacken in Partschins im August eine rote Linie überschritten wird“, fordern die drei Grünen Landtagsabgeordneten. „Wer sich gegen Bär und Wolf zur Wehr setzt, muss auch gegen menschliche Wolfsnaturen wenden, die bei Nacht und Nebel ihren Hass in giftiger Weise ausleben.“