Politics | Pestizide

"Hier soll der Bürgermeister abgeschossen werden"

Ist es nach der missglückten Satzungsänderung vorbei mit dem „Wunder von Mals“? „Wir lassen nicht locker“, versprechen die Promotoren der Volksabstimmung.

Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler hat es schon immer gewusst. „Der Versuch war sehr gewagt“, lautet seine Bilanz zur Pestizid-Volksabstimmung in Mals. „Und nun gibt es nur Verlierer: die Landwirtschaft, die ein arges Imageproblem erlitten hat, die Promotoren und die BürgerInnen, die nun am Ende womöglich mit einer Enttäuschung leben müssen.“ Aus und vorbei also mit dem „Wunder von Mals“, das europaweit Schlagzeilen machte? Geplatzt der Traum von einer Modellregion im Obervinschgau nach der missglückten Satzungsänderung durch den Malser Gemeinderat, in der das Volk mitbestimmen kann, wie die eigene Gesundheit und der eigene Lebensraum vor den Folgen einer industriellen Obstwirtschaft geschützt werden kann?

Von wegen, lautet die Antwort der Promotoren. „Wer glaubt, dass wir jetzt nachgeben würden, hat sich ganz kräftig getäuscht“, kündigt kämpferisch wie immer der Malser Apotheker Johannes Fragner-Unterpertinger an. „Wir lassen uns auf keinen Fall von parteipolitischem Geplänkel beeindrucken, bei dem es vor allem darum geht, den Bürgermeister abzuschießen.“ Nein, die Kluft in der Vinschger Gemeinde hat sich nicht verkleinert nach dem vergeblichen Versuch, mit einer Abänderung der Gemeindesatzung die Basis für die Schaffung einer pestizidfreien Gemeinde zu schaffen. Auf der einen Seite, die enttäuschte und wütende Fraktion der Befürworter eines Pestizidverbotes, die auf die Umsetzung des Willens von knapp 76 Prozent der Teilnehmenden an der Volksabstimmung im vergangenen September pochen.

„Ich wusste, dass es knapp wird. Doch über das Verhalten einiger Gemeinderäte war ich schon überrascht.“

Auf der anderen Seite die Front der konventionellen Landwirte,  angeführt von der Plattform bäuerliche Zukunft, die das Malser Pilotprojekt mit tatkräftiger Unterstützung des ehemaligen Malser Bürgermeisters, nunmehrigen Landtagsabgeordneten und Obstbauern Sepp Noggler torpediert. Die Gemeinde hat keine Kompetenz in der Materie und außerdem werden etwaige Probleme innerhalb des Bauernstands selbst geregelt, lautete der Standpunkt, den Noggler am Freitag im Mittagsmagazin von RAI Südtirol erneut vertrat. „Es braucht weder eine Änderung des Gemeindestatuts noch Verordnungen noch Strafen“, erklärte er, „die Bauern müssen selbst einsehen, dass sie sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten haben, und wir sind auf dem besten Weg dorthin.“

Unvereinbare Positionen, die bereits die Diskussionen im Vorjahr prägten. Nun allerdings bringen die vor der Tür stehenden Gemeinderatswahlen zusätzlich Peperoncino in die Sache. Dass ein Freiheitlicher und erklärter Veith-Gegner wie Peppi Stecher nicht hinter dem Bürgermeister stehen würde, war von vornherein klar. Doch warum verweigern ihm gut die Hälfte der SVP-RätInnen  die Gefolgschaft? Warum fällt Vize-Bürgermeisterin Sibille Tschenett in letzter Minute um, lautet eine der drängendsten Fragen dieser Tage, die auch den Bürgermeister selbst beschäftigt. Gerüchte, laut denen sich die Direktorin des Altersheimes Laas von ihrem Präsidenten, dem Laaser Bürgermeister und erklärten Pestizidverbot-Gegner Andreas Tappeiner, weichkochen hat lassen, will Ulrich Veith nicht kommentieren. „Ich wusste, dass es knapp wird“, sagt er nur, „doch über das Verhalten einiger Gemeinderäte war ich schon überrascht.“

„Es braucht weder eine Änderung des Gemeindestatuts noch Verordnungen noch Strafen. Die Bauern müssen selbst einsehen, dass sie sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten haben, und wir sind auf dem besten Weg dorthin.“

Hier geht es nicht mehr um Inhalte, hier bringen sich Leute in Stellung für die Gemeinderatswahlen, unterstreicht Johannes Unterpertinger. „Wenn ein Rechtsprofessor wie Marino Marinelli den Gemeinderäten, unter denen meines Wissens kein einziger Jurist ist, versichert, dass jeder beruhigt unterschreiben kann und er diese Satzung vor jedem Gericht verteidigen wird, kann sich niemand hinter Ausreden verstecken“, sagt er. Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit wirft für den Promotorenvertreter vielmehr das Verhalten der Gemeinderäte auf, die ihre eigene Satzung nicht respektieren. Immerhin hat der amtierende Gemeinderat selbst festgelegt, dass die Ergebnisse von Volksabstimmungen bindend sind. „Und ich finde es einfach bodenlos, dass die Leute nicht einmal ihre eigene Satzung respektieren“, sagt der Malser Apotheker.

Ohne Satzungsänderung wird aber auch ein Pestizidverbot nicht rechtlich durchsetzbar sein, meint Bürgermeister Ulrich Veith selbst. Obwohl Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler es weiterhin als Irrtum bezeichnet, dass eine Gemeindesatzung als Rechtsquelle für ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln ausreicht, beharrt der Malser Bürgermeister auf dieser rechtlichen Position. „Wir brauchen eine Basis, in der die grundsätzliche Ausrichtung der Gemeinde an Werten wie Gesundheit, Landschaftsschutz und Biodiversität vorgegeben wird“, sagt Veith. Erst durch ein solches Bekenntnis würden laut seinen Rechtsberatern alle Verordnungen in diese Richtung ein Fundament erhalten.

„Egal, wer im neuen Gemeinderat sitzt – entweder das Pestizidverbot kommt auf den Tisch oder es kommt vor Gericht.“

Verordnungen, mit denen er nun als Bürgermeister im Alleingang Maßnahmen vorschreibt, schließt Veith deshalb eher aus. „Doch das Volk braucht keine Angst zu haben, wir werden die Satzung schon noch ändern.“ Ob sich dies noch vor den Gemeinderatswahlen ausgeht, ist derzeit allerdings fraglich. Und: Die Frage ist, ob danach noch ein Ulrich Veith das Sagen hat. Eine Wiederkandidatur ist für den amtierenden Bürgermeister in jedem Fall beschlossene Sache. „Und die letzten Tage haben mich in dieser Entscheidung noch bestärkt“, sagt Veith. „Denn nach mir kommt niemand mehr, der das Pestizidverbot durchsetzt.“

Genau das wird auch einer der Antriebe des Anti-Veith-Lagers sein. Ob seine VertreterInnen damit im Mai genauso effizient sind wie bei den Gemeinderatssitzungen dieser Woche, wird sich zeigen. Johannes Fragner-Unterpertingerhat macht die Umsetzung des Volkswillens aber nicht nur vom amtierenden Bürgermeister abhängig. Sollte der Gemeinderat das Ergebnis der bindenden Volksabstimmung nicht umsetzen, würden die Promotoren es eben juridisch ausfechten, kündigt er an. „Egal, wer im neuen Gemeinderat sitzt“, meint er. „Entweder das Thema kommt auf den Tisch oder es kommt vor Gericht.“