Culture | Bibliophile Fragen

„Klingt rührselig? Ist rührselig!“

Ariane Karbe von der "Villa Freischütz" ist für ihr kleines Museum international unterwegs. Für die immer gleichen Fragen von SALTO hat sie sich dennoch Zeit genommen.
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Foto: Stiftung Navarini-Ugarte
  • SALTO: Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten?

    Ariane Karbe: Die Gulla-Mädchenbuchreihe von Martha Sandwall-Bergström. Das Waisenmädchen Gulla wird als Magd zu einer Familie von armen Kleinstbauern geschickt. Als die Mutter stirbt, kümmert sie sich aufopferungsvoll um die Kinder, selbst dann noch, als sich herausstellt, dass sie selbst die Enkelin des Gutsherrn ist. Klingt rührselig? Ist rührselig! Aber hat mich als Kind eben auch tief berührt. Et voilà: das nächste Projekt der Villa Freischütz handelt von sozialer Gerechtigkeit.

    Welcher letzte Satz eines Romans ist und bleibt für Sie ganz großes Kopfkino?

    „Schließlich, morgen ist auch noch ein Tag.“ Das sagt Scarlett O’Hara in Vom Winde verweht. So eine gewaltige Geschichte und so ein banales Ende. Gerade deshalb hat mich der Satz über die Lektüre hinaus beschäftigt. Ist es vielleicht klüger, Tragödien pragmatisch zu begegnen? Die Frage stelle ich mir heute noch. 
     

    Dass unser Hausmuseum eine Schriftstellerin zu einem Roman inspiriert – was für ein Glück!

     

  • Gewinnerin der Herzen: Ariane Karbe ging Anfang Mai mit der "Villa Freischütz" als kleinstes Museum in den großen europäischen Wettbewerb zu den besten Museen. Präsentiert wurde ein Haus, "das die Menschlichkeit und nicht die Bewahrung der Objekte in den Mittelpunkt stellt. Das hat viele der anderen Teilnehmer sehr inspiriert", freut sich Ariane Karbe. Foto: Stiftung Navarini-Ugarte

    Reimen ist doof, Schleimen ist noch doofer… Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen?

    Das gesamte Werk von Günter Grass. I don’t get it. 

    Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis?

    Kuschelrock!

    Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen?

    Dem Team von ÓPLab, dem „Schaufenster“ des Archivs der Künstler*innenbücher für Kinder in Meran, in der Matteoti-Straße. Jedes Buch dort ist Augenschmaus und Denkfutter zugleich. 

    Was für ein Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen?

    Kein Fehlschlag, aber ich würde mein Buch "Museum Exhibitions and Suspense" auf der Insel zurücklassen. Wenn eine Person dort strandet, kann sie ein Museum eröffnen und das Schiffswrack ausstellen, aber so spannend, dass es sich herumspricht, und dann kommen die ersten Besucher*innen und sind begeistert – und niemand ist mehr einsam.

  • Schaufenster von ÓPLab: "Augenschmaus und Denkfutter zugleich" Foto: Salto.bz

    Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen?

    „Anarchist‘s Guide to Historic House Museums” von Franklin Vagnone und Deborah Ryan. Weil ich es auswendig kann.

    Welches Buch zu Südtirol oder eines/einer Autors/Autorin aus Südtirol würden Sie unbedingt weiterempfehlen?

    „L’Eredità di Villa Freiberg” von Romina Casagrande. Der Roman orientiert sich locker an der Geschichte der Villa Freischütz und greift das Thema der Euthanasie während des Nationalsozialismus auf. Er spiegelt sehr gut wider, was wir mit unserer Museumsarbeit versuchen: die Magie des Ortes mit gesellschaftlich wichtigen Themen zu verbinden. Dass unser Hausmuseum eine Schriftstellerin zu einem Roman inspiriert – was für ein Glück!