Politics | Rechnungshof

Sturm im Wasserglas

Der neue Streit zwischen dem Landtag und dem Staatsanwalt am Rechnungshof, Robert Schülmers, zeigt, wie vergiftet das Klima inzwischen ist. Es ist eine Posse.

Man kann es neidlos eingestehen, die Story der Dolomiten vom Mittwoch ist gut.
Ausgangspunkt ist eine Landtagsanfrage des freiheitlichen Landtagsabgeordneten Roland Tinkhauser.
Tinkhauser wollte wissen, wie viele Verfahren der Bozner Rechnungshof in den vergangenen zehn Jahren eröffnet hat und wie diese Verfahren ausgegangen sind. Wie im Landtag üblich, leitete Landtagspräsident Thomas Widmann die Anfrage mit Bitte um Beantwortung an jene Behörde weiter, die sie betrifft: die Staatsanwaltschaft am Bozner Rechnungshof.
Als Antwort trudelte ein geharnischtes Schreiben des Staatsanwaltes am Rechnungshof, Robert Schülmers von Pernwerth, ein. Schülmers sieht die Anfrage als unrechtmäßigen Akt und als Anmaßung des Landtages an. Im Schreiben heißt es:

„Der Anfrage-Steller hat den Landeshauptmann gebeten, ihm eine Reihe von Daten und Informationen zu liefern mit dem klaren und offensichtlichen Zweck einer Kontrollinspektion der Arbeit der Staatsanwaltschaft am Rechnungshof“

Der Staatsanwalt geht davon aus, dass diese Forderung eine „offenkundige Verletzung“ sei, da man nur dem Staat, aber nicht dem Land Rechenschaft schuldig sei.
Statt einer Antwort findet sich im Schreiben auch eine Watsche für Landtagspräsident Thomas Widmann.
Schülmers im Brief:

„Sie haben nicht erkannt, dass diese Anfrage augenscheinlich unzulässig ist und haben es zugelassen, dass diese weitergeleitet wurde“.

Der hohe Vertreter der Justiz sieht allein in dieser Landtagsanfrage und ihrer Weiterleitung einen so gravierenden Verstoß, dass Schülmers im Schreiben ankündigt, „diese Angelegenheit dem Ministerrat zu melden“.

Absurder Streit

Die Frage, ob ein (Landes)Parlament statistische Daten bei einer Gerichtsbehörde anfordern kann oder nicht, können wahrscheinlich auch Verfassungsrechtler nicht auf Anhieb beantworten. Es gibt sicher gewisse Problematiken, die dabei zu berücksichtigen sind.
Abseits der Theorie ist das Ganze aber doch eher ein absurdes Theater. Von beiden Seiten. Das wird deutlich, wenn man sich die Materie genauer anschaut.
So liefert jährlich zur Eröffnung des Gerichtsjahres jede Sektion und Abteilung des Rechnungshofes einen Bericht über ihre Tätigkeit.
Robert Schülmers von Pernwerth stellte seinen Bericht am 11. Februar 2015 vor. Seitdem findet man die Ausführungen auch auf der Homepage des Regionalen Rechnungshofs.
In diesem Bericht finden sich nicht nur Kurzdarstellungen aller Fälle des Jahres 2014, sondern auch all jene Daten und Zahlen, die Roland Tinkhauser per Landtagsanfrage angefordert hat.

Die Zahlen

Demnach hat die Staatsanwaltschaft zwischen 2003 und 2014 198 Anklagen erhoben. Am 31. Dezember 2013 waren 371 Ermittlungsverfahren anhängig. Im Jahr 2014 wurden 364 neue Verfahren eröffnet. Im selben Zeitraum wurden insgesamt 398 Verfahren archiviert. Zehn davon nach Stellungsnahmen der mutmaßlich Beschuldigten.
Die Staatsanwaltschaft am Rechnungshof hat im Jahr 2014 22 Klageschriften vorgelegt, 186 Ermittlungsanträge gestellt, in 13 Fällen die Finanzwache oder die Carabinieri mit Ermittlungen betraut.

Aufstellung der Klageschriften: 198 Anklagen in 12 Jahren.


97 Beschuldigte haben eine Aufforderung zu einer Stellungnahme erhalten, 21 Personen wurden vom Staatsanwalt persönlich angehört.
Zum 31. Dezember 2014 sind noch 315 Verfahren bei der Staatsanwaltschaft am Rechnungshof anhängig.
Also wo liegt das Problem?

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Albert Hofer Thu, 11/12/2015 - 11:20

Nunja, bei den Zahlen fehlt die "Erfolgsquote", wenn man das Wort verwenden will. Wenn im Jahr 2014 insgesamt 364 Verfahren eröffnet wurden und nur in 22 Fällen Anklage erhoben wurde, dann hat die Staatsanwaltschaft 90 % ihrer Zeit fürs Stochern im Nebel verschwendet. Und die richtig aufschlussreichen Zahlen liegen nun mal leider eben nicht vor. Wie viele der 198 erhobenen Anklagen zwischen 2003 und 2014 führten letztendlich zur Verurteilung und wie viel Geld wurde dabei eingenommen?

Das sind keine unwichtigen Fragen, die Gerichtsbarkeit am Rechnungshof wurde ja nicht als Selbstzweck eingeführt. Grundgedanke war es, den Steuerzahlern unrechtmäßig entgangene Geldbeträge wieder dem öffentlichen Haushalt zuzuführen. Da muss man irgendwann schon bereit sein, offen eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufzustellen. Es besteht nämlich der Verdacht einer kafkaesken Situation: Die Behörde, die zum Wohle der Steuerzahler Geld von den ach so schlampigen Verwaltern zurückholen sollte, könnte möglicherweise mehr kosten, als sie einzunehmen imstande ist. Eventuell wäre es für den Steuerzahler ein Ersparnis, sie aufzulösen. Indirekte Schäden (Verunsicherung der Verwalter, siehe http://www.salto.bz/it/article/12022015/der-anti-schuelmers) sind ebenfalls noch einzurechnen.

Ich möchte wiederholen: Das sind alles bloß Verdachtsmomente. Aber die ff war vor einiger Zeit bei einer Schülmers-Story zu ähnlichen Vermutungen gekommen. Es wäre schön, wenn der Rechnungshof sich dazu herablassen könnte, die Bilanzen offenzulegen: Seit 2003 haben wir so viel gekostet und so viel eingenommen. Wär doch keine schlechte Idee, oder?

Wie gesagt: nur ein Verdacht, aber ohne Offenlegung der Zahlen

Thu, 11/12/2015 - 11:20 Permalink
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Martin Federspieler Thu, 11/12/2015 - 21:57

Das ist der Unterschied zwischen einem Tätigkeitsbericht und einem Erfolgsbericht:
300 Verfahren in die Wege geleitet, 150 Ermittlungsanträge, 30 Klageschriften.
Gratuliere, das ist sicher eine Menge Arbeit!
Um aus diesem Tätigkeitsbericht einen Erfolgsbericht zu machen, braucht man die Degression der Zahlung nur fortzusetzen, die Tendenz geht also eindeutig Richtung 0.
Aber 0 will nicht heißen, dass das ganze keine Auswirkungen hat:
Die belangten Verwalter/Beamten müssen sich einen oder auch mehrere Anwälte nehmen und harren dann Monate- und Jahrelang eines Ausgangs des Verfahrens. Und da sie letztendlich so gut wie alle frei gesprochen werden, muss die Verwaltung, für die sie handeln/arbeiten, ihnen die Anwaltskosten ersetzen.
Diese Null ist also für die öffentlichen Körperschaften relativ teuer, für die Belangten relativ unangenehm, jedoch für unsere Anwälte Goldes Wert.
Das kann doch eindeutig als Erfolg verbucht werden.

Thu, 11/12/2015 - 21:57 Permalink