Chronicle | Exklusiv
Waffen im Feldweg
Foto: streetview
Der Mann ist heute über 60 Jahre alt. Geblieben ist er aber der „Kindskopf“, der er immer war.
Karl Peter Schnittler ist eine Person, die in Meran/Obermais fast jeder kennt. Der Mann fällt aus allen Rastern. Er ist eine Figur irgendwo zwischen amerikanischer Bürgerwehr, Alpenanarcho und einsamer Wolf. Schnittler ist kaum in allgemein gültige Kategorien zu fassen. Gescheit, handwerklich in allen Belangen beschlagen und durchaus hilfsbereit. In Meran gibt es fast niemand, der über ihn schlecht redet. „Der Schnittler, das ist ein eigener Vogel“, sagen alle, die ihn kennen, mit einem Lächeln auf den Lippen.
Karl Peter Schnittler ist nach dem Studium der Geschichte und Geographie in Innsbruck viele Jahre als Lehrer an der Berufsschule Kaiserhof tätig. Inzwischen aber ist er direkt in den Landesdienst gewechselt. Das Meraner Unikum ist Mitarbeiter von Bildungsdirektor Gustav Tschnett. Er ist in der deutschen Bildungsdirektion des Landes für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
Karl Peter Schnittler ist in der deutschen Bildungsdirektion des Landes für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
Karl Peter Schnittler hat aber auch noch eine andere Seite. Diese Seite kam am vergangenen Wochenende zum Vorschein.
Die Durchsuchung
Am Sonntag fuhr eine Großaufgebot der Polizei vor dem Schnittler Wohnhaus „Villa Elsa“ am Meraner Feldweg auf. Seit langem liegt Schnittler mit einem Nachbarn im Streit. Es geht dabei vor allem um den Zustand rund um das Haus. Ausgehend von diesem Nachbarschaftsstreit scheint sich jetzt auch die sonntägliche Polizeiaktion entwickelt zu haben - so die offizielle Darstellung.
Beamte der Staatspolizei und der Sonderabteilung „Digos“ durchsuchten das Haus und beschlagnahmten Computer und Unterlagen. Die Polizeiaktion lief von 8 Uhr morgens bis kurz vor 19 Uhr. Dabei wurde auch im Garten neben dem Haus gegraben. Weil diese Arbeiten bei Einbruch der Dunkelheit noch nicht abgeschlossen waren, musste die Feuerwehr Obermais den Hof ausleuchten. Obwohl die Behörden eine strenge Nachrichtensperre verhängt haben, ist am Montag bereits von einem möglichen Hintergrund aus der Tiroler Patriotenszene und der Suche nach Waffen die Rede.
Am Montagmorgen wurde die Durchsuchung in Meran fortgesetzt; sie ist immer noch im Gange. Nach Informationen von Salto.bz wurden die Sicherheitsbehörden auch fündig. Es wurden Waffen, Teile von Waffen, Messer, Bajonette und andere Gegenstände gefunden und beschlagnahmt. Vor allem aber soll bereits ein Haftbefehl gegen Karl Peter Schnittler erlassen worden sein.
Diese Vorbeugemaßnahme wird verständlich, wenn man einen Blick in die jüngere Vergangenheit wirft.
Der Waffenlieferant
Karl Peter Schnittler spielte vor über 25 Jahren eine entscheidende Rolle im tragischen Mordfall Christian Waldner.
Der damals 37-jährige Schnittler ist noch Student in Innsbruck. Er kommt dabei auch mit der Patriotenszene in Berührung, tritt den Obermaiser Schützen bei und gerät in den Dunstkreis des damaligen Shooting Stars der rechten Szene, Peter Paul Rainer.
Karl Peter Schnittler hat von seinem Vater, einem Ingenieur, die Leidenschaft für Waffen geerbt. In der Wohnung seiner Wiener Großeltern hortet er eine reiche Waffensammlung, die behördlich gemeldet ist. Zudem betätigt er sich in Österreich als Käufer von Waffen, die dann zum Großteil bei Jägern und Wilderern in Südtirol landen. Es dürfte zum einen Leidenschaft, zum anderen eine Art Nebenjob und Finanzquelle für sein Studium gewesen sein. Schnittler prahlt damals im Freundeskreis, gut 200 Gewehre erworben zu haben.
Karl Peter Schnittler verkauft Ende 1996 auch Peter Paul Rainer ein Gewehr. Es ist nachweislich jenes Gewehr, mit dem wenige Wochen später der Landtagsabgeordnete und Gründer der Südtiroler Freiheitlichen, Christian Waldner, erschossen wird.
Die Enthüllung
Es ist der Autor dieser Zeilen, der wenige Tage nach dem Mord an Christian Waldner und der Verhaftung des mutmaßlichen Mörders Peter Paul Rainer in der Neuen Südtiroler Tageszeitung die Rolle Karl Peter Schnittlers bei der Waffenbeschaffung erstmals thematisiert.
Wenig später wird die Staatsanwaltschaft Bozen genau dort tätig, wo sie auch am Sonntag war. Am 28. Februar 1997 ordnet Staatsanwalt Cuno Tarfusser die Durchsuchung der „Villa Elsa“ am Obermaiser Feldweg an. Auch damals wurde der Garten mit Metalldetektoren abgesucht.
Karl Peter Schnittler entzog sich den Behörden, indem er in Österreich blieb. Obwohl zwischen dem 18. März und 9. Juli 1997 sogar Interpol nach ihm fandet, wird der Obermaiser Waffennarr nie festgenommen. Schnittler wird am 6. August 1997 einen Tag lang verhört und kann danach als freier Mann die Bozner Quästur verlassen. Er tritt später beim Prozess gegen Peter Paul Rainer als Zeuge auf. Strafrechtlich verurteilt wird Schnittler aber nie. Denn er behauptet, die Waffe in Österreich legal erworben und sie dort auch Rainer übergeben zu haben.
In den Jahren danach verschwindet der Obermaiser Einzelgänger vom Radar der Sicherheitsbehörden. Dass es jetzt zu dieser spektakulären Polizeiaktion gekommen ist, hat aber auch noch einen anderen Grund.
Mieter Max Leitner
In Schnittlers Villa Elsa lebt seit einiger Zeit ein ganz besonderer, prominenter und polizeibekannter Untermieter.
Max Leitner braucht der Südtiroler Öffentlichkeit kaum mehr vorgestellt zu werden. Der heute 64-jährige gebürtiger Elvaser hat seinen ersten spektakulären Banküberfall mit 18 Jahren verübt, damals mit einer Spielzeugpistole. Es folgten Dutzende weitere Überfälle auf Banken und Geldtransporter. Max Leitner saß insgesamt 26 Jahre lang im Gefängnis. Während seiner Haftstrafen ist er dabei fünf Mal ausgebrochen, sodass er bis heute den Ehrentitel „Ausbrecherkönig“ trägt. Im September 2016 wurde Max Leitner für den Rest seiner Haftstrafe bis Juni 2019 in den Hausarrest nach Elvas in Brixen überstellt.
Im Sommer 2019 erscheint in der Bozner Edition Raetia die Biographie „Max Leitner, Ausbrecherkönig“. Es ist die Biographie des Südtiroler Bankräubers, aufgezeichnet und niedergeschrieben von der österreichischen Journalistin Clementine Skorpil.
Schon bald aber kommt Max Leitner wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Im September 2021 wird er nach einer Schießerei in Bozen festgenommen. Jemand schießt in der Nacht in Bozen aus einem fahrenden Auto auf das geparkte Auto der Prostituierten; die Sexarbeiterin meldet den Vorfall der Polizei, die wenig später einen PKW stoppt, in dem Max Leitner und Johann Schörghofer, angeblich ein österreichischer Geheimdienstoffizier in Ruhestand, sitzen. Im Auto werden ein Gewehr mit Schalldämpfer, eine Pistole, ein Elektroschockgerät und jede Menge Munition gefunden.
Max Leitner landet wiederum im Gefängnis. Im März 2022 wird er aus der Haft entlassen. Mit strengen Auflagen. So darf sich Leitner nur in der Gemeinde Meran aufhalten und muss sich täglich bei den Behörden melden. Weil Max Leitner mittellos ist, findet er aber in der Passerstadt monatelang keine Bleibe. Er übernachtet zunächst auf einer Parkbank und findet dann Unterkunft bei einem Bekannten, wo er seitdem lebt.
Der Bekannte ist kein Geringerer als Karl Peter Schnittler. Denn sowohl Max Leitner als auch Johann Schörghofer haben in der Villa Elsa ihre Bleibe gefunden.
Nach Informationen von Salto.bz liegt aber gegen beide kein belastendes Material vor. Im Gegensatz zu Karl Peter Schnittler, gegen den die Staatsanwaltschaft bereits einen Haftbefehl ausgestellt hat.
Karl Peter Schnittler könnte damit aus der Bildungsdirektion des Landes ins Gefängnis oder in den Hausarrest wandern.
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"Dass es jetzt zu dieser
"Dass es jetzt zu dieser spektakulären Polizeiaktion gekommen ist, hat aber auch noch einen anderen Grund.
Mieter Max Leitner".
Dass jemand ins Fadenkreuz der Polizei kommt, wenn jemand aus Mitleid Obdachlose aufnimmt und dies anderen nicht gefällt, hat jedenfalls einen seltsamen Beigeschmack. Auch jewede Vorverurteilung. Es gilt die Unschuldsvermutung nicht zu vergessen.
In reply to "Dass es jetzt zu dieser by △rtim post
ins Fadenkreuz geraten ist
ins Fadenkreuz geraten ist der Waffennarr nicht wegen Leitner!!
Der "seltsame Beigeschmack" ist ein Vorurteil.
Um sich als Leser wirklich
Um sich als Leser wirklich ein Bild zu machen fehlt die andere Hälfte der "Wahrheit".
Hausdurchsuchung: Beweise
Hausdurchsuchung: Beweise nicht nötig
Dieses Buch wird immer mehr selbst zum Thema. Kaum hatte ich die letzten Korrekturen am 30. November 2021 beim Verlag abgeliefert, schneite am nächsten Tag auch schon die Polizei bei mir herein. Mitten in der Vorweihnachtszeit. Wahrscheinlich wollten sie herausfinden, wie man ordentlich recherchiert. Als ich am 1. Dezember 2021 mit einem Handwerker zu meiner Wohnung zurückkehrte, hing da ein roter Zettel an der Tür: »Mitteilung über Wohnungsöffnung«: »Ihre Wohnung […] wurde von der Polizei geöffnet. Dabei wurde das Türschloss geöffnet, und die neuen Wohnungsschlüssel wurden bei der örtlich zuständigen Polizeiinspektion hinterlegt […]. Mit freundlichen Grüßen.« Ich staunte nicht schlecht. Und der Handwerker erst! Kopfschüttelnd zog er von dannen und fragte sich wohl, welche Art Kunden er da an Land gezogen hatte. Ich habe ihn nie wiedergesehen. Einen Wunschzettel hatte die Polizei auch geschrieben. Ich bekam ihn später auf der Polizeistation zu sehen: »Lieber Weihnachtsmann«, hieß es da, »wir hätten gern mal die EDV von diesem Wisnewski mitgenommen, um ihn auszuspionieren und ihm ordentlich etwas anzuhängen.« Quatsch – »Beschluss« stand da zu lesen: Ohne vorherige Anhörung werde »die Durchsuchung der Person und der Wohnung des Beschuldigten nach folgenden Gegenständen angeordnet: Mobiltelefon, EDV und Software nebst dazugehörigen externen Speichermedien (Server, USB-Sticks in offener oder versteckter Form, externe Festplatten, CDs, DVDs, Disketten und so weiter) sowie Hardware, die den Zugang zum Internet ermöglicht.« Tja, mit dieser Wunschliste wären die Beamten (und vor allem die Beamtinnen, natürlich!) wohl besser zu MediaMarkt gegangen. Denn bei mir gabs nichts. Alles »aus«. Nicht einmal einen mickrigen USB-Stick konnten die Spürnasen ergattern. Deshalb wurde das die wohl kürzeste Hausdurchsuchung aller Zeiten – und wahrscheinlich ein trauriges Weihnachten für die Polizei. Wie das?
Wenn Schritte unheimlich hallen …
Nun, ganz einfach: Als die Beamten am 1. Dezember um circa 7:00 Uhr morgens an meiner Tür klingelten, wurden sie erst einmal ordentlich auf die Folter gespannt. Denn da niemand zu Hause war, mussten sie zunächst auf den Schlüsseldienst warten. Vermutlich deswegen konnte die Durchsuchung auch erst beginnen, nachdem endlich das Schloss aufgebohrt worden war: um 7:45 Uhr. Kaum schwang die Tür auf, hatten sie, da es noch dunkel war, wahrscheinlich erst einmal nach dem Lichtschalter getastet. Schon da mussten die tapferen Ordnungshüter (in diesem Fall Ordnungshüterinnen!) geahnt haben, dass dieser Tag nicht so verlaufen würde, wie sie sich das vorgestellt hatten. Schon dass niemand an die Tür gekommen war, war so eher nicht vorgesehen – denn normalerweise öffnet ja ein noch bettschwerer Beschuldigter oder Angehöriger, um dann schlagartig wach zu werden. Und als die wackeren Detektive (Pardon: -innen) nun den Lichtschalter betätigten, um endlich Licht ins Dunkel der finsteren Machenschaften des Autors zu bringen, tat sich gar nichts. Im fahlen Schein des Ganglichts sagte ihnen ein Blick auf ihre Füße, dass es hier nicht nur kein Licht gab, sondern sich hier auch nicht einmal ein
Fußbodenbelag befand. Im unheimlichen Hall ihrer Schritte auf dem bloßen Estrich erkannten sie, dass die Wohnung komplett leer war. Auch das Stromnetz war nicht verkabelt. Im Schein der Taschen- oder Handylampen war die Durchsuchung dann auch relativ schnell beendet: Beginn 7:45 Uhr, Ende 8:00 Uhr, stand im Einsatzbericht. Kurz: Die Münchner Sherlocks hatten eine totale Niete gezogen, denn die Wohnung befand sich in der Renovierung: »Wohnung komplett leer: Nicht bewohnt«, vermerkt der Durchsuchungsbericht verschnupft. Bei der Durchsuchung war demgemäß »nichts Verdächtiges gefunden worden«.
»Wer ist dieses schmutzige …schwein?«
Aber natürlich war ich erpicht darauf zu erfahren, was mir denn eigentlich vorgeworfen wurde. Also fuhr ich am nächsten Tag zur Polizei, wo mir zwei mehr oder weniger charmante Damen den Durchsuchungsbeschluss aushändigten. Und siehe da: Ich sollte den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder beleidigt haben! Mit dem Beweis machten sie es ein wenig spannend und veranstalteten mit mir ein kleines Memory-Spielchen: Ich durfte nur einen ganz kurzen Blick auf einen Ausdruck werfen, höchstens ein paar Sekunden. Und was musste ich da sehen: den Ausdruck eines Telegram-Posts mit einem Bild von unserem geliebten Landesvater, wie er sich gerade eine FFP2-Maske überzog (oder abnahm – das konnte man natürlich nicht erkennen). Darunter stand in großen Buchstaben sinngemäß: »Wer ist dieses schmutzige …schwein?« (wörtlich darf ich hier nicht zitieren – Ermittlungsakte). Und direkt darunter standen noch mein voller Name und meine Adresse, als hätte ich mit dieser Beleidigung gleich noch meine Visitenkarte abgegeben, damit einige Zeit später die Polizei bei mir hereinmarschieren konnte. Das Nächste, was an dieser Signatur auffiel: Es handelte sich ausschließlich um Absenderangaben, die im Internet zu finden waren und somit jedermann bekannt sein konnten: Name, E-Mail-Adresse und die Nummer eines Anrufbeantworters. Aber: keine Wohnanschrift, keine Büroanschrift – nichts. »Völlig logisch«, dachte sich jedoch die scharfsinnige Ermittlungsrichterin und schickte mir die Ordnungshüter auf den Hals. Doch als Grundlage für die Durchsuchung fanden sich in dem Beschluss keinerlei nähere Tatsachenfeststellungen oder Beweise. Es wurde nicht hinreichend dargelegt, woraus hervorgehen sollte, dass der beleidigende Post von mir stammen würde. Denn wenn im Internet ein Name benutzt wird, heißt das eben noch rein gar nichts. Die Urheberschaft muss schon so glaubwürdig sein, dass sie einen Einbruch in eine Wohnung rechtfertigt. Stattdessen meinte man laut Beschluss ganz genau zu wissen, dass ich damit meine Verachtung gegenüber Söder zum Ausdruck hätte bringen wollen. Aber auch dafür wurden in dem Beschluss keine Belege angeführt.
Herr Söder schreibt an Herrn Söder
Selbstredend waren meine Anwälte und ich auf die Akteneinsicht gespannt. Erst auf eindringliche Mahnungen hin ließ sich die Polizei herab, ihr sagenhaftes Beweismaterial zu präsentieren. Und ich muss sagen: Da kam ich aus dem Staunen gar nicht mehr heraus: Angezeigt hatte mich tatsächlich Markus Söder! Himself! Anfang Februar 2022 schrieb die Bayerische Staatskanzlei an das Bayerische Innenministerium (also letztlich Söder an Söder), Herr Söder wolle Strafantrag stellen. Herr Söder hatte dafür natürlich volles Verständnis und kam dem Wunsch von Herrn Söder umgehend nach. Demzufolge hätte ich ihn im November 2020 in einer Telegram-Gruppe gröblichst beleidigt! Und nicht nur ihn, sondern auch noch den Innenminister eines Bundeslandes. In der Telegram-Gruppe von zwei bekannten Querdenkern hätte ich Söder und seinen Politikerkollegen mit einer groben Schmähung bedacht, die ich hier nicht wörtlich wiedergeben darf. Jedenfalls war es eine Beleidigung von der Sorte, wie ich sie niemals von mir geben würde. Schon gar nicht öffentlich. Und ich war ziemlich fassungslos, wie man wegen eines solchen offensichtlichen Blödsinns meine Wohnung aufbrechen konnte, als sei ich ein gefährlicher Terrorist. Im Internet kann rein technisch gesehen schließlich jeder jeden beleidigen und die Schmähung dann mit einem x-beliebigen Namen unterzeichnen. Genauso wie irgendjemand einen Kanal mit den Namen der beiden erwähnten Querdenker eröffnen kann. Eine Begründung für eine Hausdurchsuchung ist das meiner Meinung nach nicht. Denn die drastische Maßnahme steht in keinem Verhältnis zur Dürftigkeit des Verdachts. Die beiden angeblichen Kanalinhaber hatten zum Zeitpunkt dass diesen Kanal eine beliebige Person eröffnet und diese Beschreibung hineingeschrieben haben kann. Ich meinerseits würde nun keine Hausdurchsuchung bei der Polizei veranlassen. Rekapitulieren wir:
Damen mit Doktortiteln
Des Weiteren stieß ich in der Akte auf haufenweise Frauen in Gestalt von Polizistinnen, Staatsanwältinnen und Ermittlungsrichterinnen, die sich dieses Kriminalfalls angenommen hatten – natürlich versehen mit haufenweise Doktortiteln. Aber offenbar hatten die Damen und die Doktorhüte das Niveau der bayerischen Justiz nicht wirklich heben können, indem sie etwa irgendeine tragfähige Begründung für die Hausdurchsuchung hätten zusammenzimmern können. Ja, schlimmer noch: Der Akte zufolge sollte mein beleidigender Beitrag dort im November 2020 erschienen sein. Laut tgstat.com, einer Seite, die den Messenger Telegram statistisch auswertet, erschien der letzte Post dort allerdings bereits im August. Demnach konnte ich den Beitrag im November 2020 also überhaupt nicht veröffentlicht haben. Und wenn ich in der Lage war, diesen Umstand in 5 Minuten herauszufinden, sollte man doch erwarten, dass die Polizei das auch »ermitteln« konnte. Noch seltsamer war die Kanalbeschreibung, die die unbekannten (!) Telegram-Kanalbetreiber dem Kanal hinzugefügt hatten. In seiner eigenen Beschreibung benutzte er militärische Ausdrücke und erwähnte eine Verbindung zum Nachrichtendienst und zur Polizei. War das nur ein Witz, oder handelte es sich hierbei um einen Provokationskanal der Behörden, auf dem im Namen von bekannten »Querdenkern« Beleidigungen geäußert wurden, um sie hinterher strafrechtlich verfolgen zu können? Kurz: Um ein Ticket zur Durchsuchung ihrer Räumlichkeiten und zur Beschlagnahme ihrer EDV zu bekommen? Also Potemkinsche Dörfer unserer Polizei? Aber natürlich weiß jeder,
1.Auf irgendeinem völlig unbekannten und dubiosen Kanal mit angedeuteten Bezügen zu Polizei und Geheimdiensten wird eine drastische Beleidigung gegenüber einem Politiker gepostet.
2. Unter der Beleidigung hat sich der vermeintliche Täter mit vollem Namen und weiteren (öffentlich verfügbaren) Absenderangaben zu der Beleidigung bekannt.
3. Das windige Verdachtsmoment dient als Ticket für eine Hausdurchsuchung und als Rechtfertigung für die Beschlagnahme der EDV
4. Belastbare Beweise hat man also keine, diese soll erst die Hausdurchsuchung erbringen – und zwar egal, auf welchem Gebiet. Denn hat man erst einmal einige Gigabyte Daten, wird man schon etwas finden, so das Kalkül: völlig einerlei, ob das etwas mit der ursprünglichen Beleidigung zu tun hat. Vielleicht wird man auf den Datenträgern etwas anderes finden – zum Beispiel Raubkopien, verfassungsfeindliche Symbole, schwarze Konten, Indizien für Steuerhinterziehung oder was auch immer. Am besten natürlich Kinderpornografie.
5. Damit wäre der Ruf des Journalisten ruiniert.
6. Die windige Begründung für die Hausdurchsuchung interessiert dann niemanden mehr, weil diese zumindest im Nachhinein gerechtfertigt erscheint.
7. Die Beschlagnahme der gesamten EDV versetzt dem unliebsamen Medienvertreter auch technisch einen erheblichen Schlag, von dem er sich nur schwer erholen kann. Sämtliche Texte und Recherchen wären weg. Und auch ein Back-up würde nichts nützen, solange es sich am selben Ort befunden haben sollte – denn dann wird es natürlich ebenfalls beschlagnahmt.
8. Durch die »Sicherstellung« der gesamten EDV erhalten die Behörden Einblick in die komplette Arbeit und in alle Kontakte des Journalisten.
9. Sämtliche aktuellen Projekte des Beschuldigten würden stark beeinträchtigt oder zerstört.
Das alles sind schwere Grundrechtseingriffe und Eingriffe in die Pressefreiheit, und auf diese Art und Weise versucht man hierzulande, einen unliebsamen Journalisten zu vernichten. Ist das etwa die »Methode Söder«? Nur aufgrund des totalen Scheiterns der Hausdurchsuchung stehen die Behörden nunmehr ohne Hosen da. Sie besitzen keinerlei brauchbare Beweismittel, um
a. Die Hausdurchsuchungen zu rechtfertigen,
b. Den Vorwurf der Beleidigung zu belegen,
c. Neue Vorwürfe zu konstruieren.
Womit ihre windige Begründung in den Mittelpunkt rückt. Und das ist auch der Grund, warum ich über meine Rechtsanwältin Beate Bahner Strafanzeige gegen die Ermittlungsrichterin erstattet hatte: wegen Verfolgung Unschuldiger, falscher Verdächtigung und allen anderen infrage kommenden Straftaten. Denn es kommt noch ein gewichtiger Umstand hinzu: Dass es sich bei der Telegram-Gruppe, die die Beleidigungen beinhaltete, um einen Fake-Kanal handelte, war den Ermittlungsbehörden bekannt. So schrieb die Staatsanwaltschaft Berlin schon im April 2021 an einen der angeblichen Betreiber, es gebe keine erfolgversprechenden Ermittlungsansätze, »um den Betreiber des Fake-Telegram-Kanals ausfindig zu machen«. Was die bayerischen Behörden nicht daran hinderte, auf Basis desselben Fake-Kanals Hausdurchsuchungen durchzuführen …
Wisnewski, Gerhard. verheimlicht - vertuscht - vergessen 2023 (German Edition) (S.15). Kopp Verlag. Kindle-Version.