Chronik | Exklusiv

Waffen im Feldweg

Die Polizei durchsucht ein Haus im Meraner Feldweg. Der Besitzer ist ein bekannter Obermaiser Waffennarr, der bereits vor 25 Jahren im Mordfall Waldner aktenkundig wurde.
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Foto: streetview
Der Mann ist heute über 60 Jahre alt. Geblieben ist er aber der „Kindskopf“, der er immer war.
Karl Peter Schnittler ist eine Person, die in Meran/Obermais fast jeder kennt. Der Mann fällt aus allen Rastern. Er ist eine Figur irgendwo zwischen amerikanischer Bürgerwehr, Alpenanarcho und einsamer Wolf. Schnittler ist kaum in allgemein gültige Kategorien zu fassen. Gescheit, handwerklich in allen Belangen beschlagen und durchaus hilfsbereit. In Meran gibt es fast niemand, der über ihn schlecht redet. „Der Schnittler, das ist ein eigener Vogel“, sagen alle, die ihn kennen, mit einem Lächeln auf den Lippen.
Karl Peter Schnittler ist nach dem Studium der Geschichte und Geographie in Innsbruck viele Jahre als Lehrer an der Berufsschule Kaiserhof tätig. Inzwischen aber ist er direkt in den Landesdienst gewechselt. Das Meraner Unikum ist Mitarbeiter von Bildungsdirektor Gustav Tschnett. Er ist in der deutschen Bildungsdirektion des Landes für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
Karl Peter Schnittler  ist in der deutschen Bildungsdirektion des Landes für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
Karl Peter Schnittler hat aber auch noch eine andere Seite. Diese Seite kam am vergangenen Wochenende zum Vorschein.
 
 

Die Durchsuchung

 
Am Sonntag fuhr eine Großaufgebot der Polizei vor dem Schnittler Wohnhaus „Villa Elsa“ am Meraner Feldweg auf. Seit langem liegt Schnittler mit einem Nachbarn im Streit. Es geht dabei vor allem um den Zustand rund um das Haus. Ausgehend von diesem Nachbarschaftsstreit scheint sich jetzt auch die sonntägliche Polizeiaktion entwickelt zu haben - so die offizielle Darstellung.
Beamte der Staatspolizei und der Sonderabteilung „Digos“ durchsuchten das Haus und beschlagnahmten Computer und Unterlagen. Die Polizeiaktion lief von 8 Uhr morgens bis kurz vor 19 Uhr. Dabei wurde auch im Garten neben dem Haus gegraben. Weil diese Arbeiten bei Einbruch der Dunkelheit noch nicht abgeschlossen waren, musste die Feuerwehr Obermais den Hof ausleuchten. Obwohl die Behörden eine strenge Nachrichtensperre verhängt haben, ist am Montag bereits von einem möglichen Hintergrund aus der Tiroler Patriotenszene und der Suche nach Waffen die Rede.
Am Montagmorgen wurde die Durchsuchung in Meran fortgesetzt; sie ist immer noch im Gange. Nach Informationen von Salto.bz wurden die Sicherheitsbehörden auch fündig. Es wurden Waffen, Teile von Waffen, Messer, Bajonette und andere Gegenstände gefunden und beschlagnahmt. Vor allem aber soll bereits ein Haftbefehl gegen Karl Peter Schnittler erlassen worden sein.
Diese Vorbeugemaßnahme wird verständlich, wenn man einen Blick in die jüngere Vergangenheit wirft.
 

Der Waffenlieferant

 
Karl Peter Schnittler spielte vor über 25 Jahren eine entscheidende Rolle im tragischen Mordfall Christian Waldner.
Der damals 37-jährige Schnittler ist noch Student in Innsbruck. Er kommt dabei auch mit der Patriotenszene in Berührung, tritt den Obermaiser Schützen bei und gerät in den Dunstkreis des damaligen Shooting Stars der rechten Szene, Peter Paul Rainer.
 
 
 
Karl Peter Schnittler hat von seinem Vater, einem Ingenieur, die Leidenschaft für Waffen geerbt. In der Wohnung seiner Wiener Großeltern hortet er eine reiche Waffensammlung, die behördlich gemeldet ist. Zudem betätigt er sich in Österreich als Käufer von Waffen, die dann zum Großteil bei Jägern und Wilderern in Südtirol landen. Es dürfte zum einen Leidenschaft, zum anderen eine Art Nebenjob und Finanzquelle für sein Studium gewesen sein. Schnittler prahlt damals im Freundeskreis, gut 200 Gewehre erworben zu haben.
Karl Peter Schnittler verkauft Ende 1996 auch Peter Paul Rainer ein Gewehr. Es ist nachweislich jenes Gewehr, mit dem wenige Wochen später der Landtagsabgeordnete und Gründer der Südtiroler Freiheitlichen, Christian Waldner, erschossen wird.
 

Die Enthüllung

 
Es ist der Autor dieser Zeilen, der wenige Tage nach dem Mord an Christian Waldner und der Verhaftung des mutmaßlichen Mörders Peter Paul Rainer in der Neuen Südtiroler Tageszeitung die Rolle Karl Peter Schnittlers bei der Waffenbeschaffung erstmals thematisiert.
Wenig später wird die Staatsanwaltschaft Bozen genau dort tätig, wo sie auch am Sonntag war. Am 28. Februar 1997 ordnet Staatsanwalt Cuno Tarfusser die Durchsuchung der „Villa Elsa“ am Obermaiser Feldweg an. Auch damals wurde der Garten mit Metalldetektoren abgesucht.
 
 
 
Karl Peter Schnittler entzog sich den Behörden, indem er in Österreich blieb. Obwohl zwischen dem 18. März und 9. Juli 1997 sogar Interpol nach ihm fandet, wird der Obermaiser Waffennarr nie festgenommen. Schnittler wird am 6. August 1997 einen Tag lang verhört und kann danach als freier Mann die Bozner Quästur verlassen. Er tritt später beim Prozess gegen Peter Paul Rainer als Zeuge auf. Strafrechtlich verurteilt wird Schnittler aber nie. Denn er behauptet, die Waffe in Österreich legal erworben und sie dort auch Rainer übergeben zu haben.
In den Jahren danach verschwindet der Obermaiser Einzelgänger vom Radar der Sicherheitsbehörden. Dass es jetzt zu dieser spektakulären Polizeiaktion gekommen ist, hat aber auch noch einen anderen Grund.
 

Mieter Max Leitner

 
In Schnittlers Villa Elsa lebt seit einiger Zeit ein ganz besonderer, prominenter und polizeibekannter Untermieter.
Max Leitner braucht der Südtiroler Öffentlichkeit kaum mehr vorgestellt zu werden. Der heute 64-jährige gebürtiger Elvaser hat seinen ersten spektakulären Banküberfall mit 18 Jahren verübt, damals mit einer Spielzeugpistole. Es folgten Dutzende weitere Überfälle auf Banken und Geldtransporter. Max Leitner saß insgesamt 26 Jahre lang im Gefängnis. Während seiner Haftstrafen ist er dabei fünf Mal ausgebrochen, sodass er bis heute den Ehrentitel „Ausbrecherkönig“ trägt. Im September 2016 wurde Max Leitner für den Rest seiner Haftstrafe bis Juni 2019 in den Hausarrest nach Elvas in Brixen überstellt.
Im Sommer 2019 erscheint in der Bozner Edition Raetia die Biographie „Max Leitner, Ausbrecherkönig“. Es ist die Biographie des Südtiroler Bankräubers, aufgezeichnet und niedergeschrieben von der österreichischen Journalistin Clementine Skorpil.
 
 
 
 
Schon bald aber kommt Max Leitner wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Im September 2021 wird er nach einer Schießerei  in Bozen festgenommen. Jemand schießt in der Nacht in Bozen aus einem fahrenden Auto auf das geparkte Auto der Prostituierten; die Sexarbeiterin meldet den Vorfall der Polizei, die wenig später einen PKW stoppt, in dem Max Leitner und Johann Schörghofer, angeblich ein österreichischer Geheimdienstoffizier in Ruhestand, sitzen. Im Auto werden ein Gewehr mit Schalldämpfer, eine Pistole, ein Elektroschockgerät und jede Menge Munition gefunden.
Max Leitner landet wiederum im Gefängnis. Im März 2022 wird er aus der Haft entlassen. Mit strengen Auflagen. So darf sich Leitner nur in der Gemeinde Meran aufhalten und muss sich täglich bei den Behörden melden. Weil Max Leitner mittellos ist, findet er aber in der Passerstadt monatelang keine Bleibe. Er übernachtet zunächst auf einer Parkbank und findet dann Unterkunft bei einem Bekannten, wo er seitdem lebt.
Der Bekannte ist kein Geringerer als Karl Peter Schnittler. Denn sowohl Max Leitner als auch Johann Schörghofer haben in der Villa Elsa ihre Bleibe gefunden.
Nach Informationen von Salto.bz liegt aber gegen beide kein belastendes Material vor. Im Gegensatz zu Karl Peter Schnittler, gegen den die Staatsanwaltschaft bereits einen Haftbefehl ausgestellt hat.
Karl Peter Schnittler könnte damit aus der Bildungsdirektion des Landes ins Gefängnis oder in den Hausarrest wandern.