Society | Wohnreform

Warum Wohnen in Südtirol so teuer ist

Wenn die Einnahmen bei Airbnb mehr als doppelt so hoch sind wie bei Dauervermietungen, wird der Wohnraum knapp. Doch das ist nicht der einzige Grund für die hohen Preise, wie WIFO-Direktor Georg Lun im Gespräch mit SALTO erklärt.
Georg Lun
Foto: WIFO
  • Die hohen Wohnungs- und Mietpreise sowie die Wohnungsnot sind kein spezifisches Problem Südtirols, aber es gibt mehrere markante Faktoren, die dieses Phänomen begünstigt haben. Im vergangenen Herbst präsentierte die Abteilung Wirtschaftsforschung der Handelskammer (WIFO) eine umfassende Analyse des Wohnsektors, die sowohl den Erwerb von Eigentum, die Mietpreise als auch die Kurzzeitvermietung unter die Lupe genommen hat. Georg Lun, Direktor des WIFO, erklärt: „Wir haben untersucht, warum die Nachfrage nach Wohnungen in Südtirol so hoch ist, wie sich das Angebot entwickelt hat und welche Preissteigerungen zu beobachten sind. Außerdem haben wir uns die Gemeinden angeschaut, die laut Gesetz als von Wohnungsnot betroffen gelten.“

  • „Wohlstands- und Verteilungsproblem“

    Haushalte in Südtirol: In den vergangenen 20 Jahren haben die Einpersonenhaushalte stark zugenommen. Foto: ISTAT/WIFO

    Ein wichtiger Faktor in diesem Zusammenhang sind die geografischen Gegebenheiten. Die bebaubare Fläche ist dabei im Vergleich zur Gesamtfläche Südtirols äußerst begrenzt, lediglich 2,8 Prozent der Fläche sind besiedelt. Innerhalb des Landes gibt es jedoch große Unterschiede: Dichte Besiedlung findet vor allem im Etschtal und in den Städten Bozen, Meran, Brixen, Bruneck und Sterzing statt, während in peripheren, höher gelegenen und gebirgigen Gebieten die Besiedelung weitaus geringer ist. Der hohe Wohnungsbedarf erklärt sich einerseits durch einen Anstieg der Bevölkerung in den letzten 50 Jahren um fast 30 Prozent, andererseits sinkt aber auch die Haushaltsgröße. Während 1971 noch durchschnittlich 3,65 Personen in einem Haushalt lebten, waren es 2021 nur noch 2,27. Das bedeutet, dass heutzutage in einer 100 Quadratmeter großen Wohnung oft nur mehr ein oder zwei Personen wohnen, früher jedoch in der Regel drei bis vier. Ein weiteres typisches Merkmal ist der starke Anstieg der Einpersonen-Haushalte, die zwischen 2001 und 2021 um 78 Prozent zugenommen haben. Somit ist das Wohnungsproblem teilweise ein „Wohlstandsproblem“, denn während früher viele Menschen auf engstem Raum in den Städten lebten, beanspruchen sie heute zunehmend mehr Platz. Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass das Wachstum vor allem in städtischen und zentralen Gebieten stattfindet, während in den Peripherien die Bevölkerungszahlen sinken – ein „Verteilungsproblem“, bei dem zwar Wohnraum vorhanden ist, aber nicht dort, wo er benötigt wird, was wiederum die Preise beeinflusst. In den sogenannten „Speckgürtel-Gemeinden“ und Nachbargemeinden der Städte, wie Burgstall, wo die Bevölkerung in den letzten 20 Jahren um über 25 Prozent gewachsen ist, hat die Bevölkerungszahl teilweise stark zugenommen. Auch Gemeinden wie Eppan und Ritten sind mittlerweile für Menschen attraktiv geworden, die in Bozen und Umgebung arbeiten. Wenn eine Wohnung in der Stadt nicht bezahlbar ist, zieht es viele dorthin, wo es günstiger ist.

  • Touristische Intensität: In der Dolomitenregion, der Meraner Gegend, Schnals, Stilfs sowie Mühlbach sind die Nächtigungszahlen je Einwohner am höchsten. Foto: ASTAT/WIFO
  • Renner Airbnb

    Ein weiteres zentrales Thema ist der Tourismus, insbesondere in den Dolomiten und rund um Meran. Tourismusdestinationen wie Corvara, Wolkenstein, Sexten oder Hafling verzeichnen hohe Übernachtungszahlen und beeinflussen sowohl die Arbeits- als auch die Wohnsituation. Dies führt zu einem Anstieg von Zweitwohnungen und der Notwendigkeit, Unterkünfte für Mitarbeiter im Gastgewerbe bereitzustellen. „Die Bautätigkeit zeigt, dass jährlich eine konstante Zahl an Wohnungen gebaut wird“, erklärt Lun. Besonders in den Städten Bozen, Meran, Bruneck und Brixen sowie in den Speckgürtel-Gemeinden und Tourismusdestinationen finden sich die meisten Neubauten. „Die Statistik zeigt jedoch auch, dass die Zahl der Wohnungen die Anzahl der Haushalte übersteigt. Wir haben also genügend Wohnungen gebaut, aber nicht alle dienen als Erstwohnungen“, so Lun. Laut den GIS-Steuerklassen werden 59 Prozent der Wohnungen als Hauptwohnsitz genutzt, 10 Prozent sind vermietet, weitere 10 Prozent sind Zweitwohnungen und 7 Prozent werden für touristische Zwecke genutzt. Die restlichen Wohnungen werden für andere Zwecke oder als unentgeltliche Nutzung zur Verfügung gestellt. Etwa ein Viertel der Wohnungen steht somit nicht der einheimischen Bevölkerung zur Verfügung.

  • Kurzzeitvermietungen und Dauervermietung im Vergleich: Eine gut gebuchte Wohnung bringt mehr als das Doppelte wie ein Dauermietvertrag – kein Wunder, dass Airbnb & Co. ein Renner sind. Foto: ASTAT/WIFO
  • Ein markanter Trend zeigt sich auch in der Entwicklung der Zweitwohnungen: In den touristischen Hotspots wie Sexten, Innichen, dem Burggrafenamt und den Dolomiten liegt der Anteil der Zweitwohnsitze teilweise bei über 50 Prozent. 2018 gab es noch etwa 3.000 Airbnb-Anbieter, 2022 waren es bereits fast 9.000, was einem Anstieg von 181 Prozent innerhalb von fünf Jahren entspricht. In den betroffenen Gemeinden stiegen auch die Preise für Kauf und Miete stark an, mit St. Ulrich als Spitzenreiter, wo der Quadratmeterpreis rund 6.500 Euro beträgt und der Mietpreis bei über 20 Euro pro Quadratmeter liegt. Zum Vergleich: In Meran liegen die Preise bei 3.500 Euro pro Quadratmeter (Kauf) und etwa 14 Euro pro Quadratmeter (Miete).

  • Landesregierung gegen Airbnb

    Mit der neuen Wohnreform sollen touristische Kurzzeitvermietungen eingeschränkt werden. Künftig sollen nur mehr jene vermieten können, die über eine angemessene berufliche Qualifikation verfügen sowie in das Handelsregister eingetragen sind. Zudem muss die Tätigkeit am Wohnsitz bzw. Rechtssitz ausgeübt werden, um sicherzustellen, dass die Tätigkeit auf ein einziges Gebäude beschränkt wird. Durch Kontrollen externer Dienstleister sollen die schwarzen Schafe zur Rechenschaft gezogen werden.

  • Gemeinden mit Wohnungsnot

    Im Rahmen der Analyse wurden 21 Gemeinden identifiziert, die als besonders von Wohnungsnot betroffen gelten, da dort der Mietpreis 20 Prozent über dem Landesdurchschnitt liegt. Diese Gemeinden setzen sich aus den größeren Städten, deren Nachbargemeinden und touristischen Destinationen zusammen, und lassen sich in zwei Gruppen einteilen: touristische Gemeinden und zentrale Gemeinden. In diesen 21 Gemeinden lebt mehr als die Hälfte der Südtiroler Bevölkerung, wobei hier das Bevölkerungswachstum am geringsten ist. In Sexten ist sogar ein Rückgang zu verzeichnen, obwohl dort viele neue Wohnungen gebaut wurden. Diese neuen Wohnungen wurden jedoch hauptsächlich für den Tourismus geschaffen, während die einheimische Bevölkerung, wie beispielsweise in St. Ulrich zunehmend in benachbarte Gebirgsgemeinden wie Lajen zieht, weil die Preise nicht mehr tragbar sind. In Corvara liegt der Anteil der Zweitwohnungen inzwischen bei rund 73 Prozent, während der Anteil der Erstwohnungen nur etwa 27 Prozent beträgt.

  • Bozner Bahnhofs-Areal: Auf dem rund 35 Hektar großen Areal gibt es noch Potential für Wohnraum. Foto: Podrecca&ABDR
  • Wo gibt es noch Potenzial?

    „Im Rahmen unserer Studie haben wir auch untersucht, wo noch Potenzial für neue Bauprojekte vorhanden ist, und sind dabei auf ehemalige Kasernengelände und das Bahnhofsgelände in Bozen gestoßen“, so Lun. Das Bozner Bahnhofsgelände umfasst etwa 35 Hektar, die verschiedenen Kasernengelände in Bozen, Eppan, Meran, Brixen und Schlanders insgesamt rund 44 Hektar. In Eppan etwa sollen in der ehemaligen Mercanti-Kaserne rund 150 Wohnungen entstehen. Dabei muss jedoch auch die Frage der Arbeitsplätze berücksichtigt werden, da sonst Pendlerverkehr entstehen könnte, ebenso wie die Notwendigkeit, die Infrastruktur zu erweitern, etwa durch Kindergartenplätze und Schulgebäude.

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K V Sat, 03/15/2025 - 11:52

"Somit ist das Wohnungsproblem teilweise ein „Wohlstandsproblem“, denn während früher viele Menschen auf engstem Raum in den Städten lebten, beanspruchen sie heute zunehmend mehr Platz."
Na ja, während die durchschnittliche Familie über Jahrzehnte sich ein Reihenhaus leisten konnte, leben nun viele in Dreizimmerwohnungen. Soviel zum Wohlstandsproblem.

Sat, 03/15/2025 - 11:52 Permalink
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Stereo Typ Sat, 03/15/2025 - 14:54

Airbnb ist eigentlich ein gutes Konzept, du vermietest deine leerstehende Wohnung und mietest dir, ebenso über Airbnb, eine Urlaubswohnung in Caorle oder Riccione. Sofern du alle vorgesehenen Steuern und Auflagen erfülltst, wo liegt das Problem?
Kann es sein, dass du einfach den Hotelieren, Gastwirten, Garni-Besitzern, Urlaub-auf-dem-Bauernhöflern auf den Wecker gehst, weil du jetzt auch ein Stück vom Overtourism-Kuchen abbekommst? Im Grunde machst du nichts anderes als die Gastbetreiber selbst. Nur als sogenannter kleiner Mann.

Sat, 03/15/2025 - 14:54 Permalink