Die Händler, die Frauen, und der Advent
Es ist jetzt schon ein bisschen länger her, da freuten sich in einem Gespräch, das ich zufällig mithörte, zwei darüber, dass eine gewisse Handelskette sogar an den Sonntagen der Vorweihnachtszeit ihre Pforten geschlossen hält, der Mitarbeiterinnen wegen, und ihrer Familien. Es ist ja übrigens eh recht ruhig geworden, um jene elende „Debatte“ zu verkaufsoffenen Sonntagen (hier, falls es interessieren sollte, ein schönes Pro & Contra zum Thema, bei ZON). Ich will aber trotzdem einmal diese Gelegenheit aufgreifen, um meinen Ärger an die Luft zu lassen, über diese Diskussion, die alle Jahre wieder an den Haaren herbei gezogen wird, sobald die Vorweihnachtszeit am Horizont der allgemeinen Menschheit herauf dämmert. Ich finde sie ein bisschen peinlich, weil aus der Zeit gefallen, und scheinheilig sowieso.
Denn mir hat, zum Beispiel, noch niemand erklären können, warum für Mitarbeiterinnen des Handels andere Normen gelten sollten als für jene des, sagen wir mal, Gastgewerbes? Wo steht geschrieben, bitteschön, dass die launige Menschheit ein Anrecht hat auf den sonntäglichen Aperitiv/wahlweise Prosecco/wahlweise Kaffee/wahlweise Mittag-/Abendessen im Gasthaus? Eben. Aus dieser offensichtlichen Schieflage kurzschließe ich jetzt mal frisch und frei, dass vermutlich die, denen sonntäglich geschlossene Geschäfte am Herzen liegen, auch ein geschlossenes Weltbild mit sich herumtragen, nämlich eins, in dem Mutti am Sonntag zuerst die Familie auf den Gang zur Kirche bringt, und danach zurück in ihre Küche. Derweil Vati im Gasthaus die hohe Politik diskutiert (ja, ich überzeichne. Der einfacheren Verständigung wegen, und damit’s hier nicht gar zu lang wird). Und übrigens ist gerade das Gastgewerbe der Beweis: Es findet Leben und sogar Familie statt, auch ohne Familiensonntag.
Interessant auch, dass sich über die „verkaufsoffenen Sonntage“ hinaus niemand Gedanken zu machen scheint über die allgemeinen, also auch wochentäglichen, außeradventlichen Arbeitsverhältnisse der (weit überwiegend) Mitarbeiter*innen dieses (Groß-)Handels: Werden sie gut bezahlt? (Werden sie nicht). Müssen sie überdimensional viel Leistung packen, in ihre schlecht bezahlten Arbeitsstunden? (Müssen sie). Dürfen sie Kinder bekommen, ohne Angst um ihren Arbeitsplatz? (Dürfen sie nicht). Und so weiter und so fort.
Es werden also, mithilfe der „Rettet unsere Sonntage-Debatte“, die wahren Themen draußen gehalten, vor der Tür, wo sie niemandem lästig werden können. Zum Beispiel die Frage, ob es nicht gescheiter wäre, ernsthaft über ein Bedingungsloses Grundeinkommen nachzudenken, damit Mutti, wenn sie das wollte, gar nicht erst gezwungen wäre, für den Profit (*) irgendeines Handels- oder sonstigen Wirtschaftsriesen sich für schlechtes Geld ihre guten Hände aufzureiben, an Sonn- und anderen Tagen, statt mit der Familie Bücher zu lesen oder Seife zu kochen.
(*) Profit übrigens, der dann – auch interessant! - weitestgehend nach oben fließt (trickle up?), in die Unternehmen der Unternehmerkollegen, aber kaum je nach unten, zu den Mitarbeiter*innen hin. Ich habe jedenfalls noch niemanden gehört, der sich damit brüstet, dass er zwei Standard-Positionen mit, zum Beispiel, drei Mitarbeiter*innen besetzen konnte, weil der Laden so gut läuft, oder dass zwei völlig neue Stellen (er-)schaffen werden konnten, weil’s eh so viele Arbeitslose gibt. Oder dass, hey!, Flüchtlinge eingestellt und ausgebildet würden, nur so, und ohne besonderen Bedarf, weil’s sich halt ausgeht. Dafür wird alle paar Jahre die Hütte geschleift und neu erbaut, aber jedenfalls erweitert, erneuert, vervielfältigt.
Ah ja, und dann wäre da noch, nicht zuletzt und nur für den Fall, dass es tatsächlich um Familie- und Familienleben gehen sollte, vielleicht auch eine Diskussion wertvoll, wie sie z. B. in Schweden seit einem Weilchen geführt wird und hin und wieder schon schöner (Arbeits-)Alltag ist – nämlich die, ob 6 Arbeitsstunden am Tag nicht auch genug sind: http://www.zeit.de/campus/2016/05/arbeiten-sechs-stunden-tag-test-schweden.
Was sind dagegen schon ein paar Sonntage (im Advent).
Liebe Frau Rier!
Liebe Frau Rier!
Ich habe mir Ihren Artikel mehrmals durchgelesen,und mich schon ein wenig gewundert,wie sie zu den verkaufsoffenen Sonntagen stehn.
Natürlich kann man es mit dem Gastgewerbe vergleichen,wieso tun wir dann es auch nicht mit z.b. der Post oder den Büros,den Banken usw.Wieso öffnen die nicht an den Sonntagen?!
Wär doch fein ein Paket zu verschicken am Sonntag,gemütlich zur Post spazieren,warum nicht,weil anscheinend 6 Tage die Woche nicht dafür reichen um es zu erledigen.
Ich arbeite seit vielen Jahren in einem Geschäft,und habe den Wandel sehr wohl mitbekommen.Und es geht da nicht nur um ein paar Sonntage im Advent,ich weiss nicht ob Sie es verfolgen,aber mittlerweile ist an den Feiertagen egal welcher wie z.b. TAG DER ARBEIT auch in Bozen das meiste geöffnet.
Der Sonntag sollte ein Ruhetag sein für jedermann,man hat schliesslich Familie,Bekannte,Freundin,Freund was auch immer, mit denen man Zeit verbringt und die dazubeitragen dass man zumindest an diesem einen Tag Abstand schaffen kann um wieder mit Freude und Lust am Montag zur Arbeit zu gehen.
Ich sehe es aus meiner Sicht des Verkäufers,und kann das so nicht mit dem Gastgewerbe vergleichen,und das sollte man auch nicht,sonst würde man eine endlose diskussion führen.und wir könnten so einige Berufsgruppen aufzählen.
In reply to Liebe Frau Rier! by Pauli ---
> Der Sonntag sollte ein
> Der Sonntag sollte ein Ruhetag sein für jedermann,man hat schliesslich Familie,Bekannte,Freundin,Freund was auch immer, mit denen man Zeit verbringt und die dazubeitragen dass man zumindest an diesem einen Tag Abstand schaffen kann um wieder mit Freude und Lust am Montag zur Arbeit zu gehen. <
Warum muss es der Sonntag sein und nicht der Freitag oder Samstag wie es Juden und Muslime lieber wäre? Das ist doch im Grunde verkapptes religiöses Geschwafle.
Der Witz ist, dass es Anfangs den Kirchen egal war, wenn die Arbeiter am Sonntag arbeiten mussten. Ihnen war wichtig dass sie den Gottesdienst besuchten, bwz. die Fabriken den Gottesdienst durch die Geräuschkulisse nicht störten. Eigentlich war es den Kirchen lieber der Arbeiter ist beschäftigt, ein freier Tag ist da nicht wirklich erwünscht. Das Bestreben nach einem arbeitsfreien Sonntag ist hauptsächlich der Arbeiterbewegung zu verdanken. Die Kirchen natürlich sind nicht dumm und haben wie schon oft, gute Ideen oder sozialen Errungenschaften das eigene Etikett übergestülpt. (Das schönste Beispiel sind die Menschenrechte, wo man fast glauben möchte Woytila hätte sie erfunden, wo doch die Kirche um die Wende des vorletzten Jahrhundert energisch gegen sie wetterte)
Ja und die Frage ist warum sich gewisse Menschen für den Arbeitsfreien Sonntag einsetzen obwohl das so nie richtig der Fall war, auch bei uns in Tirol nicht (wo die Geschäfte früher am Sonntag offen hatten, damit die Kirchgänger bevor sie wieder Talaufwärts wanderten ihre Einkäufe erledigen konnten). Weil man gerne Marker der eigenen Macht der genzen Gesellschaft überstülpen möchte. So wie die Kreuze in den Schulen.
Ein paar Punkte stören mich
Ein paar Punkte stören mich auch und sind wiedersprüchlich: .....................
Eben meist noch kleinstrukturierte Betriebe die einen Wochentag als Ruhetag noch einhalten sind meinen Informationen nach auch jene welche überdurchschnittlich gute Arbeitsverhältnisse und Bezahlung haben; nebenbei auch exzellente Weiterbildungen, Aufstiegsmöglichkeiten und qualitativ kreative Einrichtung. Ganz im Gegenteil zu vielen Multinationalen Ketten die wohl nahe an 365 Tagen offen haben und wo man kaum Mitarbeiter über 35 Jahren findet, da sich niemand auf Dauer leisten kann unter so prekären Verhältnissen zu arbeiten. Kompetenz, Service und Engagement ist dann auf derart niedrigem Niveau das man gleich online einkaufen kann. ................ Der wöchentliche Ruhetag ist eine Errungenschaft der Arbeiterklassen und Gewerkschaften um möglichst allen Familien zu ermöglichen am gleichen Tag gemeinsam die Freizeit zu genießen, siehe auch mittlerweile die zwei Ruhetage für Schüler. Das dies für gewisse Berufsgruppen (Notfallmedizin, Pflege, Schichtarbeit, usw.) nicht möglich ist und andere wie das Gastgewerbe genau die Freizeithabenden "bedienen" und mit Ihnen verdienen erscheint mir logisch. Umgekehrt aber nicht das zugunsten von Konsumlaunen aller Komfort und auch Rechte der Arbeitnehmenden aufgegeben wird. Ich fände das antisozial und pro-kapitalistisch. ................ Summa Sammarum: eine vielleicht sinnvolle Diskussion wird mit dem patriarchalen Sonntagsfreihabenwoller ins Lächerliche gezogen. Und mit einem Hinweis auf die Profite der Handels- oder sonstigen Wirtschaftsriesen, genau jene die als erste die Arbeiter zu jeder ihnen genehmen Zeit ohne Zusatzbeszahlung einsetzen wollen, verfällt die Argumentation ins Paradoxe. Den Zusammenhang des Sonntags mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen und 6 Arbeitsstunden/Tag kann und will ich hier gar nicht mehr herstellen.
In reply to Ein paar Punkte stören mich by Martin B.
wollte nur mal getestet haben
wollte nur mal getestet haben, wie das mit den kommentaren bzw. deren "bewertung" hier jetzt funktioniert. und weil ich schon mal da bin, lassen sie mich noch gleich los werden: vielleicht sollten sie nochmal lesen, ganz unvoreingenommen. wenn sie dann immer noch finden, dass ich mich missverständlich ausgedrückt habe, sagen sie bitte bescheid. frohe weihnachten!