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Die Steuernummer

Offiziell müssen die Namen auf den Verschreibungen für HIV-Patienten anonymisiert werden. Doch in Wirklichkeit ist das eine absolute Farce.
AIDS
Foto: Upi
  • Der SALTO-Artikel Das amtliche Kainsmalüber die Kenntlichmachung von HIV-Patienten über den Befreiungscode 020, hat in und außerhalb der Südtiroler Sanität einigen Staub aufgewirbelt. 
    In einer offiziellen Stellungnahme des Südtiroler Sanitätsbetriebes wird darauf verweisen, dass Patientinnen und Patienten, die aufgrund ihrer Erkrankung Recht auf eine Ticketbefreiung haben, diesen Befreiungscode auf ihren Bewilligungen haben müssen. Steht der Befreiungscode nicht auf der Bewilligung, gibt es keine Ticketbefreiung. 
    In der Regel werden Patientinnen und Patienten bei der Verschreibung darauf aufmerksam gemacht, dass sie das Vorhandensein des Befreiungscodes kontrollieren sollen. Möchte der Patient bzw. die Patientin, dass der Befreiungscode nicht aufscheint und damit die Krankheit für das Fachpersonal erkennbar wird, kann er bzw. sie im Moment der Verschreibung verlangen, dass der Befreiungscode nicht eingegeben wird. In diesem Fall muss das Ticket allerdings bezahlt werden“, heißt es in der Stellungnahme.

  • Elektronische Verschreibung mit Code 020: „Wenn du zahlst, bleibst du anonym“. Foto: SALTO
  • Eine Betroffener sieht diese Regelung weit weniger positiv. „Es ist ein Art Nötigung für uns und eine Zweiklassenmedizin“, sagt der Mann zu SALTO, „wenn du zahlst, bleibst du anonym“.
    Wie absurd die staatliche Regelung und wie löchrig der Datenschutz für solche Patienten und Patientinnen aber in Wirklichkeit sind, wird deutlich wenn man sich die Regelung für elektronische Verschreibungen genauer anschaut.

  • Falsches Gesetz

    Die gesetzliche Regelung ist klar. Auf der elektronischen Verschreibung muss der Name des Patienten oder der Patientin angegeben werden. Geht es aber um besonders sensible Krankheiten, etwa eine HIV-Infektion und den Befreiungscode 020 muss die Verschreibung anonymisiert werden.
    Dann steht – so wie auf der SALTO vorliegenden Verschreibung – dort „Dati dell’assistito oscurati ai sensi dell’art.87 del DL 30. Giugno 2003, n.196“. Das Ganze klingt gut, ist in Wirklichkeit aber eine Chimäre.
    Denn den Gesetzespassus, auf den man ich hier beruft, gibt es seit fünfeinhalb Jahren nicht mehr.

  • Gesetzesartikel auf dem Rezept: Im September 2018 abgeschafft. Foto: SALTO
  • In einem anderen Artikel im neuen Gesetz heißt es zu dieser Thematik nur::

    Per le prescrizioni di medicinali, laddove non è necessario inserire il nominativo dell'interessato, si adottano cautele particolari in relazione a quanto disposto dal Garante nelle misure di garanzia di cui all'articolo 2-septies, anche ai fini del controllo della correttezza della prescrizione ovvero per finalità amministrative o per fini di ricerca scientifica nel settore della sanità pubblica.

     Warum man sich aber auf einen abgeschaffenen Gesetz beruft und nicht auf die geltende Bestimmung, kann anscheinend niemand erklären.

  • Die Farce

    Dabei ist die gesamte Anonymität eine Farce. Denn auf der elektronischen Verschreibung steht auch bei der ober angekündigten Anonymisierung die Steuernummer der Patientin. Die Nummer findet man in einem Barcode, den man über ein im Internet handelsüblichen Scanner auslesen kann.
    Dem nicht genug steht darunter die Steuernummer auch noch ausgeschrieben.
    Mit der Steuernummer kommt man aber in Windeseile auf den Klarnamen des Betroffenen. 
    Das zeigt ein Selbstversuch des Autors. 

  • Internettool: Man hat in wenigen Sekunden den Klarnamen gefunden. Foto: SALTO
  • Im Internet gibt es ein Tool, das sich „codice fiscale inverso“ nennt. Gibt man dort eine Steuernummer ein, kommen Geburtsdatum, Geburtsort und das Geschlecht heraus. Zudem werden sowohl für Vor- als auch für den Nachnamen Vorschläge gemacht. Mit diesen Daten hat man in wenigen Minuten die Anonymität einer Person aufgehoben.
    Laut den gesetzlichen Bestimmungen sind die Daten eines Patienten mit HIV-Infizierung besonders geschützt, doch die Wirklichkeit sieht anders aus.
    Vor allem aber scheint niemand ein Interesse zu haben, das zu ändern.
    Auch in der Südtiroler Sanität nicht. 
    Denn sonst hätte man schon lange eine Lösung für dieses unwürdige Verhalten gefunden.

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Klemens Riegler Tue, 03/19/2024 - 22:42

Alles Gut & Recht, aber das mit dem INVERSO scheint dann doch nicht so zielführend zu sein wie im Beitrag suggeriert. Ein Christoph findet sich wohl erst unter "visualizza altri nomi". Und dort wahrscheinlich ziemlich weit hinten, da in Italien kaum vorhanden. Zumindest beim FRN (Cognome) gibt es einen relativen Treffer mit Franceschini auf Platz 3.
Somit ist und bleibt diese These ein Glücksspiel und alles andere als eine Arbeit von wenigen Sekunden oder Minuten. Gell Christian Franz!

Tue, 03/19/2024 - 22:42 Permalink
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Klemens Riegler Tue, 03/19/2024 - 22:54

Und jetzt ebenfalls wie der Autor "Christian Franz" den Selbstversuch mit meinem Namen gemacht; ich wünsche SEHR VIEL GLÜCK ... und selbst das hilft nicht. Mein Namen gibt es auch unter "visualizza altri nomi" nicht. Beim Vornamen tut sich das System leichter: Erster Treffer für RGL = Riegler mit 10%

Tue, 03/19/2024 - 22:54 Permalink