Giersch - der aufdringliche Plagegeist

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So kam es neulich dazu, dass ich mich nach getaner Arbeit einfach nur darauf freute, mich auf die Couch zu Fläzen - so richtig gemütlich, ohne Anstand und Förmlichkeit. Beine hoch, vielleicht noch eine Decke drüber, und der Rest der Welt kann warten.
Doch meine Katze war da anderer Meinung. Mit meiner Liegeposition und den ausgestreckten beinen, kam die Diva überhaupt nicht klar. Sie plärrte neben mir eine Arie, wie Luciano Pavarotti es nicht besser machen könnte, nur damit ich mich nach einigen Minuten wieder schön in den von ihr gewohnten Schneidersitz setzte und sie, in der so gebildeten Kuhle, ein Schläfchen halten konnte. Unaufdringlich sein und persönliche Grenzen respektieren geht meiner Meinung nach anders. Aber was weiß ich schon.
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Zur Autorin
Tamara Seyr ist FNL Kräuterexpertin und Heilpraktikerin. Sie beschäftigt sich oft und auch lange (und oft auch ganz, ganz lange) mit den Kräutern und allem was dazu gehört. Das sind nicht nur die botanischen Namen, die Familienzugehörigkeit und die Inhaltsstoffe, sondern auch die Signaturenlehre.
Ihr aktuelles Buch "Klugscheißerwissen Kräuter" ist hier erhältlich.
Foto: Tamara Seyr -
Die Katze des Gartens
Auch im Garten trifft man auf ganz aufdringliche und teils respektlose Kollegen. Ganz oben auf der Liste steht natürlich der Giersch. Viele kennen und fürchten ihn. Ist er einmal im Garten angekommen, ist es fast unmöglich, ihn wieder loszuwerden. Ein winziges Stück Wurzel reicht schon aus, um den Plagegeist wiederauferstehen zu lassen.
Zugegeben, er macht es einem auch wirklich nicht leicht, weil er seine Wurzeln bis zu 50 cm tief in der Erde verstecken kann. Und wenn man dann glaubt, dass man diesmal wirklich alles erwischt und ausgerissen hat, ohrfeigt er einen mit einem neuen Blatt, das er gefühlt innerhalb weniger Minuten hervorgebracht hat. Kaum dreht man sich um, hat dieser Lausbub schon wieder fünf neue Sprösslinge ins Rennen geschickt. Fehlt nur noch, dass ich mich auch für den Giersch in den Schneidersitz setzen muss, damit er schlafen kann.
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Dreifache Warnung - der Giersch und sein verstecktes Signal
Betrachtet man etwas genauer, gibt er uns schon ein recht offensichtliches Warnzeichen. Berührt man seinen Stängel, kann man sehr gut drei Kanten ertasten, die sich wie ein kleines (Warn-)Dreieck anfühlen. Auch in seiner Blattanordnung bildet er ein Dreieck, das meistens gut und manchmal bloß mit etwas Fantasie zu erkennen ist. Wenn man allerdings nur mit einem halben Auge hinschaut, könnte man die Blätter fast mit jenen des Holunders verwechseln.
Hier hilft auf alle Fälle die Geruchsprobe: Der Holunder riecht wirklich nicht gut. Es geht da eher in Richtung Urin … Diese Verwechslung muss allerdings schon öfter vorgekommen sein, da ein weiterer Name des Gierschs auch Erdholler lautet.
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Es gibt auch eine ganz andere, positive Seite dieser Pflanze. So war ihre heilende Wirkung schon im Mittelalter bekannt und geschätzt, um Gicht und Rheuma zu behandeln. Daher kommt auch der botanische Name Podagraria. Podagra bedeutet nämlich Gicht. Wenn man heute den Begriff Zipperleinkraut hört, dann wird fast immer vom Giersch gesprochen. Besser ist es also, ihn aufzuessen, statt ihn auszureißen. So wird man nicht nur mit zahlreichen Vitaminen belohnt und satt, sondern bekämpft damit auch sein Zipperlein.
Der Vollständigkeit halber widmen wir uns auch noch dem vorderen Teil des botanischen Namens. Aegopodium bedeutet so viel wie ziegenfüßig und hat wohl mit dem Aussehen der Blätter zu tun. Ich behaupte, dass auch die Manieren des Gierschs dazu passen. In meinem Garten verhält er sich manchmal wirklich wie eine störrische und unnachgiebige alte Ziege. Was helfen kann, den Schlingel etwas zu bändigen, sind Kartoffeln. Man pflanzt sie in den Garten, und weil sie noch schneller wachsen als der Giersch, drehen sie ihm die Nährstoffe und das Licht ab. Und falls das auch nicht ganz so gut funktioniert, passt Giersch auch außerordentlich gut zu Ofenkartoffeln.
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Gierschpesto
50 g Gierschblätter (ohne dicke Stängel)
2-3 Knoblauchzehen
125 ml Öl (Olivenöl oder auch Sonnenblumenöl)
80 g Parmesankäse (oder 50 g Hefeflocken mit 30 g veganem Parmesankäse)
25 g Pinienkerne (oder Cashewkerne)
etwas abgeriebene Zitronenschale
1 Prise Salz, Pfeffer
Du mixt alle Zutaten, bis der Pesto die gewünschte Konsistenz aufweist. Er schmeckt nicht nur zu leckeren Vollkorn-nudeln, sondern auch als Aufstrich auf frischem Brot.
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Klugscheißerwissen – Giersch als Kraftpaket für die Frühjahrskur
Denkt man über das Wachstum und die Verhaltensweise des Gierschs nach, erkennt man schnell seine erstaunliche Power und Widerstandsfähigkeit. Kaum eine Pflanze verbreitet sich so ausdauernd und unbeirrbar – ein echtes Sinnbild für Vitalität. Und genau diese Energie kann er auch uns liefern, besonders im Frühling, wenn der Körper nach den langen Wintermonaten nach neuer Kraft verlangt.
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Giersch steckt voller wertvoller Inhaltsstoffe, die ihn zu einem idealen Kraut für die Frühjahrskur machen. Besonders sein hoher Kaliumgehalt ist bemerkenswert. Dieses essenzielle Mineral spielt eine Schlüsselrolle in zahlreichen physiologischen Prozessen unseres Körpers. Es unterstützt das Herz-Kreislauf-System, reguliert den Säure-Basen- Haushalt und ist damit besonders interessant für Menschen mit Gicht oder Rheuma, da eine Übersäuerung des Körpers diese Beschwerden begünstigen kann. Doch damit nicht genug: Kalium hat auch eine ausgleichende Wirkung auf das Nervensystem und kann sogar helfen, Stress abzubauen. Es trägt zur Regulierung des Blutdrucks bei und unterstützt so unser allgemeines Wohlbefinden – ein echter Allrounder also.
Gerade als frisches Frühlingskraut kann Giersch dabei helfen, den Körper sanft zu entgiften, ihn mit Mineralstoffen zu versorgen und ihn widerstandsfähiger gegen die Herausforderungen des Alltags zu machen. Ob als Tee, Wildkräutersalat oder grüne Suppe – wer den Giersch clever nutzt, bekommt nicht nur ein kraftvolles Heil- und Nährstoffpaket, sondern auch einen echten Verbündeten für die Frühjahrskur.
Ich für meinen Teil werde auch den heutigen Abend im Schneidersitz verbringen, damit ich mir kein schiefes Miau-Konzert anhören muss. Doch jetzt grabe mich erstmal die notwendigen 50 cm tief in den Gartenboden hinein und werde den Giersch ein für alle Mal von hier vertreiben. Und sollte er einen noch so kleinen Ziegenfuß in meinen Garten setzen, werde ich ihn bei lebendigem Blatte aufessen.
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