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Aufbau – Umbau – Abbau?

Werden die kleinen Krankenhäuser noch weiter abgebaut? Im Wipptal befürchtet man, dass dem Krankenhaus Sterzing nun endgültig der Garaus gemacht wird.
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Foto: LPA/Silvia Obwexer
Als Landeshauptmann Arno Kompatscher vor rund drei Wochen im Anschluss an die Sitzung der Landesregierung verkündete, dass an den Krankenhäusern Sterzing und Brixen zwei neue Primariate ausgeschrieben werden, betonte er gleich mehrmals, dass dies eine Aufwertung beider Krankenhaus-Strukturen darstellen würde. Wirklich? Wie aus zuverlässiger Quelle berichtet wird, sind weder die Verwaltungsleitung des Sanitätsbezirkes Brixen noch die Primare der verschiedenen Abteilungen am Krankenhaus Sterzing im Vorfeld über diese Maßnahme informiert worden. Wohl nicht ohne Grund. Denn der Landesgesundheitsplan 2016 – 2020, mit welchem die Landesregierung seinerzeit das Konzept „Ein Krankenhaus – zwei Standorte“ beschlossen hat, und die Schließung der Geburtenstation haben im Wipptal für viel böses Blut gesorgt, dessen Nachwirkungen bis heute spürbar sind. Mit Misstrauen werden seither jegliche Entscheidungen beäugt, welche das Krankenhaus betreffen.
 
 

Geht ein Primar zum Patienten oder der Patient zum Primar?

 
Von der Umstrukturierung erfahren haben die Ärzteschaft sowie die politischen Vertreter im Rahmen eines Besuchs von Landeshauptmann Arno Kompatscher und Florian Zerzer, Generaldirektor des Sanitätsbetriebes, Ende Juni, welche ihnen die Neuerungen offenbarten. Wie Peter Volgger, Bürgermeister von Sterzing, erklärt, könne er die Meinung von Landeshauptmann Kompatscher, der von einer Aufwertung sprach, nicht teilen. Sterzing hatte bis dato ein Primariat der Chirurgie – und wird es demnächst verlieren. Mit der Pensionierung von Robert Pfitscher, Primar der Abteilung Chirurgie/Orthopädie, wird das Primariat neu ausgeschrieben und gleichzeitig in „Primariat für Orthopädie und Traumatologie“ umbenannt. Gleichzeitig wird in Brixen ein Primariat für Allgemein-Chirurgie ausgeschrieben, und zwar unter der Bezeichnung „Primariat für Allgemein-Chirurgie Brixen-Sterzing“. Abwechselnd sollen dabei die Operationen in Brixen und in Sterzing durchgeführt werden. Nicht so recht glauben mag das Bürgermeister Volgger, der sich die Frage erlaubt: Geht ein Primar zum Patienten oder der Patient zum Primar? Diese Maßnahme sei deshalb als Fortsetzung des schleichenden Abbaus des Krankenhauses Sterzing zu sehen, der mit der Schließung der Geburtenstation im Jahr 2016 seinen Anfang nahm. Auch damals sei diese Nachricht mitten während der Urlaubs- und Ferienzeit geplatzt, auch damals sei man vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Eine Aufwertung sieht laut Volgger daher anders aus: „Wie soll ich das den Bürgern als positive Nachricht verkaufen?“
 
 
Völlig entrüstet und schockiert über die Umstrukturierung zeigt sich Franz Ploner, ehemaliger ärztlicher Leiter des Krankenhauses Sterzing und nunmehr Abgeordneter des Team K: „Das Krankenhaus kann zusperren! Schrecklich!“ Im Beschlussantrag der Landesregierung wird weder auf entsprechende Gutachten verwiesen noch auf die gesamte Problematik oder auf die langfristigen Auswirkungen bzw. auf irgendwelche Entscheidungen eingegangen, so Ploner, der eine Anfrage an den Landtag ankündigt. Das Argument des Fachkräftemangels hält der ehemalige Leiter des Krankenhauses Sterzing für eine glatte Ausrede. „Man kann sehr wohl einen guten Chirurgen holen, der nicht nur die chirurgischen Eingriffe abdecken, sondern auch andere Ärzte ausbilden kann“, so Ploner. „Ohne Chirurg kann jedoch keine Bauchoperation mehr durchgeführt werden, das heißt: Am Wochenende ist oben zu!“
 
Wir brauchen uns nicht wundern, wenn in einigen Jahren Sterzing und Innichen dicht machen!
 
Ein rotierendes System, wie vom Sanitätsbetrieb vorgesehen, könne insofern nicht funktionieren, weil seiner Ansicht nach Chefs und leitende Oberärzte vorort sein und sich mit der Struktur identifizieren müssen. Nur dadurch sei Entwicklung möglich. „Wenn man keine Fachkräfte sucht, wird man sie auch nicht finden!“ Auch er habe sich seinerzeit als ärztlicher Leiter auf die Suche nach Personal für die Geburtenabteilung machen müssen. „Wir waren die ersten und einzigen, die einen 24-Stunden-Dienst anbieten konnten, trotzdem hat man uns abgewürgt!“, so Ploner, der zu bedenken gibt, dass man sich keine Gedanken über die Folgen einer solchen Strategie gemacht habe: Wird kein Personal ausgebildet, wird die Problematik zusätzlich verstärkt. „Wir brauchen uns nicht wundern, wenn in einigen Jahren Sterzing und Innichen dicht machen!“

 

Neuro-Reha nach Bozen?

 

Weiters gibt es offensichtlich Grund zur Annahme, dass die Neuro-Reha-Station von Sterzing schleichend nach Bozen verlegt werden soll. Eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Landeshauptstadt sei unter anderem damit begründet worden, dass in Bozen bestimmte Operationen durchgeführt werden können, die am Krankenhaus Sterzing nicht möglich sind. Ursprünglich hätten die 24 Betten in der Neuro-Reha in Sterzing aufgestockt werden sollen, nun wurden sie auf die Hälfte reduziert. „An der Neuro-Reha wurden bedeutende Studien im Bereich der Covid-Forschung gemacht, mit einer Abteilung, die nur neun Betten führt, wird das in Zukunft jedoch nicht mehr möglich sein“, ist Volgger überzeugt.

Was heißt das für Sterzing, wenn der Primar in Bozen ist?

Die Geschichte von der Aufwertung ist deshalb eine reine Farce, erklärt der Bürgermeister, der im Rahmen des Besuchs von Landeshauptmann Kompatscher und Generaldirektor Zerzer darauf aufmerksam gemacht hatte. Zur Antwort habe er bekommen: Die Abteilung soll fortan Neuroreha Sterzing – Bozen heißen. „Das mag ja so sein, nur wenn Luca Sebastianelli, Primar der Neuro-Reha nach Bozen zieht, dann spielt die Bezeichnung keine Rolle. Was heißt das für Sterzing, wenn der Primar in Bozen ist?“, so Volggers (rhetorische) Frage. Das wahrscheinliche Zukunftsszenario seiner Ansicht nach sei deshalb, dass auch die Abteilung Neuro-Reha schleichend nach Bozen verlegt wird. Die Begründung wird wohl Personalmangel sein, spekuliert Sterzings Bürgermeister. Zuerst musste die Covid-Pandemie als Ausrede herhalten und nun ist es der Mangel an Pflegepersonal. Auf Nachfragen zur Situation in Brixen habe man ihm erklärt, dass man die Situation in Sterzing nicht mit der in Brixen vergleichen könne. In Brixen stünden den Pflegekräften nämlich mehr Freizeitangebote wie Kinos, Diskotheken und ähnliches zur Verfügung. „Wenn man mit solchen Ausreden daherkommt, ist klar in welche Richtung die Entwicklung gehen wird“, ist sich Volgger sicher.