„Abriss“ in der Teßmann

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„Hast du Spaß am Schreiben?“, fragte Christine Vescoli den Hauptdarsteller des Abends Gerd Sulzenbacher gleich nach seiner Lesung in der Landesbibliothek Dr. Friedrich Tessmann „Ja, immer wieder“, antwortet dieser. Und fügt hinzu „Immer wieder mal“. Dann macht er eine kurze Pause und gibt sich ehrlich: „Nicht immer, nein.“
Meiden wird mein neues Hobby, mein Zeitwort der Zukunft
Nach Mitternacht habe er „meistens Spaß“, erzählt Sulzenbacher gegenüber Vescoli. Er schreibe „viel in der Nacht“. Und es sei „ein Buch über die Jahreszeiten in Wien geworden“, meint er lachend. Die Position, von der aus er erzähle, hebe sich aus dem Vergangenen und werde „gleichzeitig erzählt“, als etwas Individuelles, Persönliches und über „Verschwinden von Gemeinschaften, die sich ausdrücken in ihrem Verschwinden an den öffentlichen Räumen und Plätzen.“ Sein Schreiben sei eine Art „simulierter Trauer“, sagt er „die dann aber zu einer echten“ werde.
Abriss. Prosa ist vor kurzem im renommierten Literaturverlag Engeler erschienen. Und die 2. Auflage ist bereits in den Läden. Er erzählt die Geschichte einer „archivarischen Assistenzkraft“, die sich dem neoliberalen Zwang zur Selbstoptimierung folgenreich entzieht. Seine Aufzeichnungen wären durchaus feine „Handreichungen zum idiotensicheren Benehmen“, lobpreist der Verlag.
Wie gelingt das Liegenbleiben? Was tun gegen geisttötende Tätigkeiten? Wie sich einüben in widerständige Resignation? Und wie zum Teil des Mobiliars werden?
In 66 Kapiteln wird das Leben „einer Sitz- und Liegefigur des 21. Jahrhunderts entworfen“. Doch es kommt auch vor, dass man nicht in Wien in der U-Bahn, sondern in einem Bus in Südtirol zu sitzen kommt. Im Pustertal. (Oder doch besser Bustertal...?) -
© Literatur Lana
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Aber es braucht einen Boden, ...: ... um sich zu erheben, zum Sitzenbleiben ohnehin, Tatsachen und eine Art Gewissheit über die Lage, ein Undsoweiter, dass derselbe Boden vor der Haustür als Straße weitergeht und nicht in einen Abgrund stürzt. Foto: Engeler
Es sind Momente des Rückblicks, einem „kurzen Zustand“, eine kurze „Gemeinschaft der Ruhe“, die es „danach nie mehr gegeben hat.“ Er beschreibe, so sagt er, „kurz aufflackernde Momente“, vom „Abwechseln von Ruhe und Bewegung“. Und er verflechtet sie im Anschluß gekonnt zu einer Komposition.
Er habe ein Buch schreiben wollen „über eine Ästhetik der Verdrängung und über die Gestaltung und den Gebrauch des öffentlichen Raums.“ Und dann sei er dazugekommen „Dinge, die man vielleicht als Milieustudien zusammenfassen könnte“, die das auf eine besondere Weise beleben, wie er das vorher nicht hätte denken können.
So hart Sulzenbachers Texte auch manchmal (wie ein Schlag in die Magengrube) daherkommen, stimulieren sie doch auch gleichzeitig Lachmuskel und reizen das Zwerchfell. Und sie sparen auch nicht mit Kritik an der Gegenwart, die ja angesichts der vielen danebenlaufenden Tatsachen in Politik und Wirtschaft ohne günstige Humor-Komfort-Zone kaum zu ertragen ist.
„Also du hast auch Spaß an deinem Lesen, nicht nur am Schreiben?“ fragte Vescoli am Ende des gemeinsam von Literatur Lana und Landesbibliothek Teßmann getragenen Abends „Ja, schon“, meinte der Abriss-Autor, „wenn ich spüre, dass es irgendwie funktioniert mit den Leuten.“Demnächst bei Literatur LanaEine Hommage erinnert an die österreichische Schriftstellerin Marlen Haushofer (1920 – 1979), die heute zum Kanon der deutschen Literaturgeschichte gehört.
Mit Daniela Strigl und Sophie Rois
23. April 2025, 19.00 Uhr
Foyer im Waltherhaus, BozenMore articles on this topic
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