Environment | Fahrkartentarif

Südtiroler Abzocke

Seit August 2018 bezahlen Zugnutzer für interregionale Zugfahrten mit Abfahrts- oder Ankunftsort in Südtirol zu viel. Bis zu 10%.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Martin Aufderklamm

Es ist hinlänglich bekannt, dass wir Südtiroler manchmal Schwierigkeiten haben , über unseren eigenen Tellerrand zu schauen. So kann es durchaus passieren, dass wir ungewollt zur Kasse gebeten werden. Aber das gefällt uns Südtirolern scheinbar.

Anbei ein Beispiel:

Durch die buchhalterische Trennung von Fern- und Nahverkehr im Eisenbahnwesen wurde der staatsweite Eisenbahntarif durch jeweils eigene Tarife in den einzelnen Regionen (und Autonomen Provinzen) ersetzt.

Daraus ergab sich das Problem, wie etwa regionalgrenzenüberschreitende Fahrten mit Nahverkehrszügen (i.e.: regionale, regionale veloce) berechnet werden sollen. Dafür wurde ein eigener Algorithmus ausgearbeitet.

Mit der Zeit hat man festgestellt, dass diese Formel falsch war. Denn regionalgrenzenüberschreitende Fahrten waren mitunter TEURER als wäre dieselbe Strecke (in Kilometern) zum höchsten Regionaltarif einer EINZELNEN Region berechnet worden. Mehr Infos dazu unter www.assoutenti.it (algoritmo sovraregionale).

Also wurde, auch im Rahmen der Staat-Regionen-Konferenz, eine Lösung gesucht und eine neue Formel erarbeitet, die solche Tarifunregelmäßigkeiten ausmerzen sollte. Jede Region (und Autonome Provinz) musste eine Preistabelle mit dem eigenen Regionaltarif bis 700 Kilometern beschließen. (700 km ist zurzeit die maximale Entfernung für die eine Fahrkarte für den Nahverkehr in Italien erhältlich ist; man will die Fahrgäste indirekt auf den teureren Fernverkehr zwingen).

Diese wurde vonseiten der Landesregierung  am 14/11/2017 mit Beschluss nr. 1234 (ja, die Nummer ist kein Scherz)  abgesegnet und ins Verkaufssystem von Trenitalia eingearbeitet. Der neue Algorithmus ist für Einzelfahrkarten seit 1. August 2018 und für Abos seit 1. Oktober 2017 gültig. (wie die interregionalen Abos zwischen 1. Oktober und 14/11/2017 berechnet wurden, ist noch Gegenstand von Untersuchungen).

So weit, so gut! Nur hat Südtirol wieder einmal nicht über den eigenen Tellerrand hinausgeschaut!

Man hat einfach den Tarif des Südtiroler Verkehrsverbundes hergenommen und diesen bis 700 km multipliziert, ohne irgendwelche Entfernungsdegression. (Je weiter eine Fahrtstrecke ist, desto weniger sollte der einzelne gefahrene Kilometer kosten, so wie es in allen anderen Regionen der Fall ist). Weiters sei gesagt, dass der Südtiroler Tarif der teuerste in ganz Italien ist: 0,15 Cent pro Kilometer mit verpflichtender Rundung auf die nächsthöheren 50 Cent.

Dadurch, dass in der neuen Formel unter anderem berechnet wird, wie viel eine Fahrt kosten würde, wenn für die Gesamtstrecke NUR der Tarif der jeweiligen Region zur Anwendung käme – und der Südtiroler Tarif keine Entfernungsdegression kennt - , kommt es zur paradoxen Situation, dass 2 getrennte Fahrkarten für ein und dieselbe Strecke in Summe GÜNSTIGER sind als eine einzige Fahrkarte. Absurd!

Bis Mezzocorona kommt ausschließlich der Südtiroltarif (sowohl bei Magnetfahrkarten des Verkehrsverbunds als auch bei Papierfahrkarten von Trenitalia; beides derselbe Preis) zur Anwendung. Bricht man die Fahrtstrecke dort, also eine Fahrkarte von Brixen nach Mezzocorona und eine weitere von Mezzocorona zum Endbahnhof, fährt man bis zu 10% günstiger.

Brixen – Mestre, durchgehende Fahrkarte: 30,15 €

Summe (Brixen – Mezzocorona: 11,50 €) + (Mezzocorona – Mestre: 15,65 €)= 27,15€

Exakt 10% Unterschied

Aber nicht nur. Sogar wenn die Fahrt innerhalb Südtirols (z.B. in Bozen) gebrochen wird ist die Fahrt in Summe günstiger.

Auch eine Brechung der Fahrt außerhalb von Südtirol, zum Beispiel in Rovereto, kann die Fahrt verbilligen.

In der Slideshow oben können sich die Leser von salto.bz ein Bild über diese Abzocke der Fahrgäste machen. (die Preise sind auf Trenitalia.it nachprüfbar und sind bis 31. Juli gültig, denn ab 1. August gibt es die zwei Mal im Jahr stattfindende Preisaktualisierung = Erhöhung)

Provisorische Abhilfen zu diesem Tarifskandal sind zur Zeit folgende:

Bei Fahrten nach außerhalb Südtirol:

  • Fahrtstrecke brechen und 2 getrennte Fahrkarten (Haltebahnhof der Züge beachten) kaufen (Achtung aber: Im Verkaufssystem von Trenitalia sind einige Züge kontingentiert und die Fahrkarte ist nur für einen bestimmten Zug gültig: Es muss u.U. also jeweils derselbe Zug ausgewählt werden).
  • SüdtirolPass bis Trient abstempeln und eine Fahrkarte ab Trient kaufen
  • Aktionstarife Trenitalia Promoplus 3/5 Tage nutzen. Achtung! NICHT in Sad-Zügen gültig, Fahrplanbilder genau beachten!

Bei Fahrten nach Südtirol:

  • Fahrtstrecke brechen und 2 getrennte Fahrkarten (Haltebahnhof der Züge beachten) kaufen (Achtung aber: Im Verkaufssystem von Trenitalia sind einige Züge kontigentiert und die Fahrkarte ist nur für einen bestimmten Zug gültig: Es muss u.U. also jeweils derselbe Zug ausgewählt werden).
  • Eine Fahrkarte bis Trient kaufen und SüdtirolPass in Trient abstempeln (dazu müssen Sie einen Sprint in 40 Sekunden von Gleis 3 in die Bahnhofshalle Trient und zurück absolvieren, in der Hoffnung das der Zug in der Zwischenzeit nicht abfährt. Denn ja, seit über 25 Jahren ist man nicht imstande einen Südtiroler Entwerter am Gleis 3 in Trient zu platzieren).
  • Aktionstarife Trenitalia Promoplus 3/5 Tage nutzen. Achtung! NICHT in Sad-Zügen gültig, Fahrplanbilder genau beachten!

So viel zur umweltfreundlichen und einfachen Zug-Erreichbarkeit von Südtirol!

Bitte bewahren Sie durchgehenden Tickets in der Zwischenzeit unbedingt auf! Nur so haben sie Anspruch auf Rückerstattung, sobald das entsprechende Verfahren genehmigt ist.