Südtiroler Abzocke
Es ist hinlänglich bekannt, dass wir Südtiroler manchmal Schwierigkeiten haben , über unseren eigenen Tellerrand zu schauen. So kann es durchaus passieren, dass wir ungewollt zur Kasse gebeten werden. Aber das gefällt uns Südtirolern scheinbar.
Anbei ein Beispiel:
Durch die buchhalterische Trennung von Fern- und Nahverkehr im Eisenbahnwesen wurde der staatsweite Eisenbahntarif durch jeweils eigene Tarife in den einzelnen Regionen (und Autonomen Provinzen) ersetzt.
Daraus ergab sich das Problem, wie etwa regionalgrenzenüberschreitende Fahrten mit Nahverkehrszügen (i.e.: regionale, regionale veloce) berechnet werden sollen. Dafür wurde ein eigener Algorithmus ausgearbeitet.
Mit der Zeit hat man festgestellt, dass diese Formel falsch war. Denn regionalgrenzenüberschreitende Fahrten waren mitunter TEURER als wäre dieselbe Strecke (in Kilometern) zum höchsten Regionaltarif einer EINZELNEN Region berechnet worden. Mehr Infos dazu unter www.assoutenti.it (algoritmo sovraregionale).
Also wurde, auch im Rahmen der Staat-Regionen-Konferenz, eine Lösung gesucht und eine neue Formel erarbeitet, die solche Tarifunregelmäßigkeiten ausmerzen sollte. Jede Region (und Autonome Provinz) musste eine Preistabelle mit dem eigenen Regionaltarif bis 700 Kilometern beschließen. (700 km ist zurzeit die maximale Entfernung für die eine Fahrkarte für den Nahverkehr in Italien erhältlich ist; man will die Fahrgäste indirekt auf den teureren Fernverkehr zwingen).
Diese wurde vonseiten der Landesregierung am 14/11/2017 mit Beschluss nr. 1234 (ja, die Nummer ist kein Scherz) abgesegnet und ins Verkaufssystem von Trenitalia eingearbeitet. Der neue Algorithmus ist für Einzelfahrkarten seit 1. August 2018 und für Abos seit 1. Oktober 2017 gültig. (wie die interregionalen Abos zwischen 1. Oktober und 14/11/2017 berechnet wurden, ist noch Gegenstand von Untersuchungen).
So weit, so gut! Nur hat Südtirol wieder einmal nicht über den eigenen Tellerrand hinausgeschaut!
Man hat einfach den Tarif des Südtiroler Verkehrsverbundes hergenommen und diesen bis 700 km multipliziert, ohne irgendwelche Entfernungsdegression. (Je weiter eine Fahrtstrecke ist, desto weniger sollte der einzelne gefahrene Kilometer kosten, so wie es in allen anderen Regionen der Fall ist). Weiters sei gesagt, dass der Südtiroler Tarif der teuerste in ganz Italien ist: 0,15 Cent pro Kilometer mit verpflichtender Rundung auf die nächsthöheren 50 Cent.
Dadurch, dass in der neuen Formel unter anderem berechnet wird, wie viel eine Fahrt kosten würde, wenn für die Gesamtstrecke NUR der Tarif der jeweiligen Region zur Anwendung käme – und der Südtiroler Tarif keine Entfernungsdegression kennt - , kommt es zur paradoxen Situation, dass 2 getrennte Fahrkarten für ein und dieselbe Strecke in Summe GÜNSTIGER sind als eine einzige Fahrkarte. Absurd!
Bis Mezzocorona kommt ausschließlich der Südtiroltarif (sowohl bei Magnetfahrkarten des Verkehrsverbunds als auch bei Papierfahrkarten von Trenitalia; beides derselbe Preis) zur Anwendung. Bricht man die Fahrtstrecke dort, also eine Fahrkarte von Brixen nach Mezzocorona und eine weitere von Mezzocorona zum Endbahnhof, fährt man bis zu 10% günstiger.
Brixen – Mestre, durchgehende Fahrkarte: 30,15 €
Summe (Brixen – Mezzocorona: 11,50 €) + (Mezzocorona – Mestre: 15,65 €)= 27,15€
Exakt 10% Unterschied
Aber nicht nur. Sogar wenn die Fahrt innerhalb Südtirols (z.B. in Bozen) gebrochen wird ist die Fahrt in Summe günstiger.
Auch eine Brechung der Fahrt außerhalb von Südtirol, zum Beispiel in Rovereto, kann die Fahrt verbilligen.
In der Slideshow oben können sich die Leser von salto.bz ein Bild über diese Abzocke der Fahrgäste machen. (die Preise sind auf Trenitalia.it nachprüfbar und sind bis 31. Juli gültig, denn ab 1. August gibt es die zwei Mal im Jahr stattfindende Preisaktualisierung = Erhöhung)
Provisorische Abhilfen zu diesem Tarifskandal sind zur Zeit folgende:
Bei Fahrten nach außerhalb Südtirol:
- Fahrtstrecke brechen und 2 getrennte Fahrkarten (Haltebahnhof der Züge beachten) kaufen (Achtung aber: Im Verkaufssystem von Trenitalia sind einige Züge kontingentiert und die Fahrkarte ist nur für einen bestimmten Zug gültig: Es muss u.U. also jeweils derselbe Zug ausgewählt werden).
- SüdtirolPass bis Trient abstempeln und eine Fahrkarte ab Trient kaufen
- Aktionstarife Trenitalia Promoplus 3/5 Tage nutzen. Achtung! NICHT in Sad-Zügen gültig, Fahrplanbilder genau beachten!
Bei Fahrten nach Südtirol:
- Fahrtstrecke brechen und 2 getrennte Fahrkarten (Haltebahnhof der Züge beachten) kaufen (Achtung aber: Im Verkaufssystem von Trenitalia sind einige Züge kontigentiert und die Fahrkarte ist nur für einen bestimmten Zug gültig: Es muss u.U. also jeweils derselbe Zug ausgewählt werden).
- Eine Fahrkarte bis Trient kaufen und SüdtirolPass in Trient abstempeln (dazu müssen Sie einen Sprint in 40 Sekunden von Gleis 3 in die Bahnhofshalle Trient und zurück absolvieren, in der Hoffnung das der Zug in der Zwischenzeit nicht abfährt. Denn ja, seit über 25 Jahren ist man nicht imstande einen Südtiroler Entwerter am Gleis 3 in Trient zu platzieren).
- Aktionstarife Trenitalia Promoplus 3/5 Tage nutzen. Achtung! NICHT in Sad-Zügen gültig, Fahrplanbilder genau beachten!
So viel zur umweltfreundlichen und einfachen Zug-Erreichbarkeit von Südtirol!
Bitte bewahren Sie durchgehenden Tickets in der Zwischenzeit unbedingt auf! Nur so haben sie Anspruch auf Rückerstattung, sobald das entsprechende Verfahren genehmigt ist.
Bozen - Bologna Centrale: 23
Bozen - Bologna Centrale: 23,55 EUR
Bozen - Bologna Mazzini mit Umstg. in Centrale: 23,50 EUR
Das Problem sind nicht die kleinen Preisunterschiede, sondern die mangelnde Flexibilität des Trenitalia-Systems insgesamt. Ist ein Frecciarossa verspätet hat man kein Recht, mit demselben Ticket auf ein Regionalzug umzusteigen. Dementsprechend gibt es keine Möglichkeit, von einem Regionalzug mit Zahlung des Preisunteschieds auf ein Frecciarossa Platz zu nehmen. Neben vollidiotischen und inhaltsleeren Ansagen ist die obligatorische Platzreservierung auf Schnellzügen Trenitalias heilige Kuh. In Österreich, Deutschland und der Schweiz, wo viel mehr mit dem Zug gefahren wird als bei uns, hat man längst eingesehen, wie wichtig Flexibilität bei der Routenwahl und bei der Preisgestaltung ist.
Südtirol ist kein schlechtes Beispiel. Mit dem ST-Pass geniesst man eine Freiheit in der Reiseplanung, die im übrigen Italien unbekannt und in den Köpfen des Trenitalia-Vorstandes unvorstellbar ist.
Schon gemerkt? Jetzt kommt auch akustische Werbung in den Bahnhöfen. Vorerst leise, die Lautstärke wird dann schrittweise aufgeschraubt. Das vom selben Unternehmen, das Schallschutzmauer errichten sollte...
Das von Ihnen ist
Das von Ihnen aufgezeigte Beispiel ist emblematisch. In Bologna fehlt der tarifliche Stadtbahnhof ("centroide tariffario") und da der Tarif der Emilia-Romagna, Veneto und Trentino billiger ist als der Südtiroler , machen mit der neuen Formel 5 km mehr (267km vs 262km) einen billigeren Preis.
Bezüglich den anderen Themen, die Teil des Artikels sind, kann ich Ihren Aussagen 100% beipflichten.
Bezüglich den anderen Themen,
Bezüglich den anderen Themen, die *nicht* Teil des Artikels sind, kann ich Ihren Aussagen 100% beipflichten.
Diese Leute haben natürlich
Diese Leute haben natürlich kein Recht, sich auf Ihren reservierten Platz zu setzen. In Ö und D werden reservierte Sitzplätze gekennzeichnet, Fahrgäste ohne Reservierung wählen andere Plätze. Sehr einfach. Vielleicht will sich Trenitalia keine Mühe geben, reservierte Plätze zu markieren, daher die allgemeine Pflicht. In Ö und D ist die Kennzeichnung elektronisch und somit mit einem sehr geringen Betriebsaufwand gebunden. Ausnahme: die ÖBB-Züge nach Italien mit Wagentypen ohne Sitzplatzdisplays.
Bei Diskussionen sollte der Zugbegleiter Ihnen helfen. Auch dafür sind sie da.
Als die obligatorische
Als die obligatorische Platzreservierung mit 1€ eingeführt wurde, wurden die Plätze noch beschriftet und der Preis wurde separat ausgewiesen.
Dann verschmolz der 1€ mit dem Preis und die Schildchen/Anzeigen verschwanden. Preiserhöhung ohne einen Service mehr. Clever!
Leider ist dies nicht das
Leider ist dies nicht das einzige große Problem in Zusammenhang mit dem Südtiroler Tarifsystem. Siehe auch der langjährige Wunsch vieler Südtiroler und Trentiner, es auf der Brennerbahn bis Rovereto auszudehnen. Es war und bleibt ein jahrzehntelanger Kampf gegen Windmühlen, STA gegen TrentinoTrasporti. Laut meinem Kenntnisstand ist man sich auf dem Steckenabschnitt Salurn-Trient bis heute nicht richtig einig, wie viel Geld Südtirol an das Trentino abzuführen hat. Dadurch untergräbt TrentinoTrasporti jegliche neuerliche Bemühung, unser Tarifsystem ins Trentino weiter auszuweiten. Wahrscheinlich begründet sich darin auch die Ablehnung zum Aufstellen neuer Entwerter am Bahnhof Trient.
Antwort auf Leider ist dies nicht das von Matthias Wallnöfer
Südtirol bezahlt die Züge bis
Südtirol bezahlt die Züge bis Trient.
Eine Ausdehnung bis Rovereto ist längst überfällig, denn ein Grund für die Ausweitung des Tarifsystems bis Trient war unter anderem die Tatsache, dass man Südtiroler Studenten an der Uni Trient entgegenkommen wollte. Mittlerweile gibt es einen Ableger auch in Rovereto.
Aber, sogar heute ist es noch möglich den Trentiner Tarif zwischen Mezzocorona und Trient mit Südtiroler Fahrkarten zum umgehen, da niemand daran gedacht hat. (Einzig, der SüdtirolPass wird nur Südtirolern oder Arbeitenden in Südtirol ausgestellt).
Für den fehlender Entwerter ist nach mehrmaliger Nachfrage, RFI der Grund. Klingt aber ein wenig nach wenig politischem Wille und Ausrede, denn Trentiner Entwerter stehen in Hülle und Fülle an den Bahnsteigen in Trient.