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Wenn Kräuter geweiht werden

Wer Mitte August durch ländliche Gegenden streift, dem steigt nicht nur der Duft von Spätsommer in die Nase – sondern vielleicht auch der Duft von Beifuß, Königskerze und Dost. Denn an zu Mariä Himmelfahrt, werden traditionell Kräuter geweiht.
Kräuterbuschn
Foto: Tamara Seyr
  • Ein Brauch, der uralt ist – und der eine faszinierende Verbindung zwischen Glaube,Volksmedizin und Naturverbundenheit zeigt. Der 15. August ist im katholischen Kirchenjahr das Hochfest der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel. Doch noch bevor dieser Tag ein kirchliches Fest wurde, war er schon ein bedeutender Zeitpunkt im Bauernjahr. Denn: Der Hochsommer ist Kräuterzeit! 

    In der traditionellen Volksheilkunde gilt die Zeit um den 15. August – manchmal auch die neun Tage davor und danach – als die kraftvollste Kräuterzeit des Jahres. Man glaubte (und viele glauben es noch heute), dass die Pflanzen nun die größte Heilkraft besitzen. 

    Die Kirche griff diesen alten Naturglauben auf – und verband ihn mit der Marienverehrung. Maria wurde in der Volksfrömmigkeit nicht nur als Himmelskönigin, sondern auch als „Kräuterfrau“, Lebensspenderin und Heilerin“ verehrt. In Legenden heißt es sogar, dass aus ihrem leeren Grab Blumen und duftende Kräuter sprossen – ein schönes Symbol für Heilung, Hoffnung und Neubeginn. 

  • Die Kräuterweihe: Segen für Körper und Seele

    In vielen ländlichen Gegenden werden an Mariä Himmelfahrt Kräuterbuschen zur Messe gebracht und dort geweiht. Der Segensspruch soll nicht nur die spirituelle Kraft der Pflanzen stärken, sondern auch Schutz für Haus, Hof, Stall und Mensch bringen. Früher galten die geweihten Kräuter als eine Art Heilmittel mit Extra-Bonus, weil sie gleichzeitig von der Natur und von Gott gesegnet wurden. 

    Sie wurden im Haus übers Jahr aufbewahrt, bei Krankheit in Tee gegeben, ins Futter der Tiere gemischt oder bei Gewitter ins Herdfeuer geworfen, um Haus und Familie zu schützen.

  • Was kommt in den Kräuterbuschen?

    Es gibt regionale Unterschiede, aber einige Grundpflanzen sind fast immer dabei. Die Zahl der Kräuter variiert ebenfalls: Mancherorts sollen es 7 Pflanzen sein (für die Sakramente), anderswo 9, 12 oder sogar 77 (je nach Volksglauben und Ehrgeiz). 

     Typische Pflanzen für den Kräuterbuschen: 

    Beifuß – Schutzpflanze, reinigt und vertreibt „böse Geister“ 
    Johanniskraut – für Nerven, Licht und Lebensfreude 
    Schafgarbe – Frauenheilmittel, harmonisierend 
    Kamille – beruhigend und entzündungshemmend
    Königskerze – steht aufrecht wie ein Lichtstrahl, symbolisiert Maria 
    Minze – für Klarheit, gegen Kopfschmerzen 
    Dost (wilder Majoran) – herzstärkend, reinigend 
    Thymian – für Atemwege, Abwehrkraft 
    Rainfarn – kräftig, abwehrend, nicht essbar – aber traditionell dabei 
    Wermut – bitter, klärend, reinigend 
    Fenchel, Dill oder Kümmel – für Magen und Verdauung 
    Lavendel – beruhigend, duftend, marianisch 

    Manche Buschen werden zusätzlich mit Getreideähren, Blumen oder Symbolpflanzen wie Rosen (für Maria) geschmückt. Der Buschen wird mit Bändern oder Naturfasern zusammengebunden, häufig in Kreuzform oder spiralförmig. 


    Warum macht man das überhaupt? 

    Weil es einfach schön ist – und weil es viele gute Gründe gibt: 

    Heilkraft konservieren: Geweihte Kräuter galten als besonders wirksam. 
    Naturverbundenheit feiern**: Das Sammeln ist ein Akt der Achtsamkeit. 
    Dankbarkeit ausdrücken: Für die Gaben der Natur und die eigene Gesundheit. 
    Tradition leben: Alte Bräuche machen Wurzeln spürbar. 
    Gemeinschaft erleben: Beim gemeinsamen Binden, Singen, Weihen. 

     

    Früher war das Kräutersammeln Frauensache – und gleichzeitig eine Form von überliefertem Kräuterwissen. Omas, Tanten, Nachbarinnen gaben ihre Pflanzenkenntnisse weiter, ohne Bücher, Apps oder Onlinekurse. Der Buschen war auch ein Ausdruck von Heilwissen und Naturkenntnis. 

  • Und heute?

    Die Kräuterweihe lebt – auch wenn sie in vielen Regionen fast verschwunden ist. Doch gerade in den letzten Jahren erlebt sie eine Art grünes Comeback. Denn in einer Welt, die immer digitaler und schneller wird, sehnen sich viele Menschen nach Erdung, Ritualen und echtem Naturkontakt

    Viele Kräuterfrauen, Landfrauenvereine, Pfarrgemeinden und Hofläden laden wieder zum gemeinsamen Buschenbinden ein. In Städten entstehen moderne Varianten – mit Wildkräuter-Workshops, Yoga auf der Wiese und Wildkräuterpicknick nach der Weihe. 

  • Mach mit – so einfach geht’s: Dein eigener Kräuterbuschen.

    1. Sammle deine liebsten Heilpflanzen – wild oder aus dem Garten 

    2. Binde sie zu einem kleinen Strauß – gerne in Spiralen oder Kreuzform 

    3. Segne ihn selbst (z. B. mit einem Wunsch oder stillen Dank) oder bring ihn zur Messe 

    4. Trockne ihn kopfüber und bewahre ihn an einem besonderen Ort auf 

    5. Nutze ihn bei Bedarf für Räucherungen, Tees oder als Erinnerung an einen kraftvollen Moment 

  • Fazit: Mehr als ein Bund Pflanzen

    Ein Kräuterbuschen ist viel mehr als ein Strauß Wildkräuter. Er ist ein Zeichen für die  Verbindung von Mensch und Natur, von Glauben und Wissen, von Vergangenheit und Zukunft. Und vielleicht ist genau das die wahre Weihe – die Liebe zur Erde und zu allem, was aus ihr wächst. 

    Tipp: Wer keinen Gottesdienst besucht, kann seinen Kräuterbuschen auch selbst segnen – mit einem kleinen Dank an die Natur, einem Wunsch für das kommende Jahr und einem tiefen Atemzug voll Kräuterduft. 

    PS: Du willst wissen, welche Pflanzen gerade besonders kraftvoll sind oder brauchst eine kleine Anleitung zum Buschenbinden? Dann schau folge mir auf Instagram @lieblings_kräuter – dort findest du Kräuterwissen mit Herz, Humor und garantiert ohne Langeweile!