Sensible Energien
Ab 2019 will die Regierung in Rom die Förderung erneuerbarer Energien neu regeln. Weil die Beiträge für kleine Wasserkraftwerke laut dem entsprechenden Dekret (“decreto FER”) massiv zurückgeschraubt werden sollen, laufen deren Interessenvertreter Sturm.
Nun haben die SVP-Sentoren in Rom das Thema erneut auf den Tisch gebracht. Wie Landeshauptmann Arno Kompatscher und der Südtiroler Energieverband SEV wollen auch Dieter Steger & Co. die Regierung zum Einlenken bewegen. “Und wir werden so lange dranbleiben bis das geschieht”, verspricht Steger.
Er nutzte die Fragestunde diese Woche im Senat, um vom zuständigen Minister Luigi Di Maio eine Stellungnahme einzufordern. Gemeinsam mit seinen SVP-Kollegen Meinhard Durnwalder, Julia Unterberger und dem Aostaner Senator Albert Lanièce legte Steger eine Anfrage vor, mit der sie der Regierung nahelegen, ihre Förderpolitik der kleinen und mittleren Wasserkraftwerke zu überdenken. In seiner Wortmeldung betonte Steger die Wichtigkeit des Wasserkraftsektors in Italien.
Wenn die Regierung nun die staatlichen Fördergelder für Wasserkraftwerke mit einer jährlichen Nennleistung von unter 1 Megawatt – in Südtirol wären davon mehrere hundert Anlagen betroffen – empfindlich zurückfahren wolle, bedeute das einen “drastischen Einschnitt” für kleinteilige Wirtschaftskreisläufe, vor allem in Berggebieten, gab Steger zu bedenken. Die Regierung und in erster Linie das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, das das FER-Dekret maßgeblich ausgearbeitet hat, möge die Förderkriterien überarbeiten und den direkten Zugang, den die Betreiber kleiner und mittlerer Wasserkraftwerke bislang zu staatlichen Förderbeiträgen haben, beibehalten – und nicht über die Erstellung von Ranglisten, wie es der Regierung vorschwebe. So die Position der Autonomiegruppe im Senat, die, wie berichtet, auch von anderen Senatoren – in erster Linie aus den Reihen der Lega – geteilt wird.
In seiner Antwort schickt der zuständige Minister Luigi Di Maio (M5S) voraus, dass das Ziel der Regierung sei, die Produktion erneuerbarer Energien innerhalb der kommenden zehn Jahre zu verdoppeln. Da die dafür zur Verfügung stehenden Mittel aber begrenzt seien, habe man sich darauf geeinigt, die Beiträge jenen Werken vorzubehalten, die “aus umwelttechnischer Sicht am effizientesten saubere Energie produzieren”, so Di Maio. Was speziell die Wasserkraftwerke angehe, wolle man mit der Beschneidung der Fördermittel ein Zeichen für den Umweltschutz setzen. Die bisherige Förderpolitik mit direktem Zugang zu einem “hohen Maß an Beiträgen” habe dazu geführt, dass der Druck auf die Umwelt – Fließgewässer und Seen – “zu groß” geworden sei. Zahlreiche Proteste aus Gegenden, wo in letzter Zeit kleine Wasserkraftwerke entstanden sind, bewiesen das, so Di Maio.
Zwischen nutzen und schützen
Protestiert hatten in den vergangenen Jahren immer wieder auch Umweltschützer in ganz Italien. Auf das Dilemma zwischen Schutz und der Nutzung sensibler Ressourcen wie es das Wasser ist, weist die große italienische Umweltschutzorganisation Legambiente in einem Bericht hin, der Anfang 2018 unter dem Titel “L’idroelettrico: impatti e nuove sfide al tempo dei cambiamenti climatici” erschienen ist.
Die Wasserkraftwerke auszutrocknen ist aber auch für den Vizepräsidenten von Legambiente keine Option. Der Klimawandel mache eine Abkehr von fossilen Energieträgern notwendig, aber auch einen sorgsamen Umgang mit empfindlichen alternativen Ressourcen wie dem Wasser. “Es muss gelingen, Regeln für die Nutzung der Wasserkraft festzulegen, aber zugleich auch Anreize dafür zu schaffen”, brachte Edoardo Zanchini noch im Oktober dieses Jahres bei einem Treffen mit mehreren Interessenverbänden der Wasserkraftwerksbetreiber in Rom die Herausforderung auf den Punkt. “Denn die Produktion aus Wasserkraft beizubehalten und ja, sogar in gewissen Fällen noch auszubauen, ist im Interesse der Allgemeinheit, gerade als Antwort auf den Klimawandel.”
Umweltschutz – der sei sehr wohl auch im Sinne der kleinen Energieproduzenten, beteuert Rudi Rienzner. Als Direktor des Südtiroler Energieverbandes war auch Rienzner Mitte Oktober in Rom. Dass Kleinkraftwerke wie Pilze aus dem Boden sprießen könnten und dadurch den Wasserhaushalt von Berg- und Wildbächen und Flüssen und (zu) stark beeinträchtigen, diese Sorge will der SEV-Direktor entkräften: “Die Fördermittel sind notwendig für die Renovierung, die Optimierung und den Zusammenschluss von Anlagen – damit könnte die Energieproduktion um 20 Prozent gesteigert werden ohne dass auch nur ein einziges neues Werk entsteht.”
Das umstrittene FER-Dekret liegt derzeit zur Debatte in der Staat-Regionenkonferenz auf. “Wir werden versuchen, den Staat zum Einlenken zu bewegen”, kündigte Landeshauptmann Kompatscher vergangene Woche an. “Denn hier spart er an der falschen Stelle.” Dass er noch mit sich reden lasse, signalisierte Di Maio diese Woche im Senat. “Das Thema wird mit den Vertretern der Regionen und Autonomen Provinzen noch diskutiert werden”, meinte der Minister in seiner Antwort auf die Anfrage von Dieter Steger & Co. Auch wenn er sich vonseiten der Regierung “mehr Entgegenkommen” erwartet habe, hoffe er, dass sich mit Di Maio “eine Lösung finden lässt, die den Wasserkraftsektor nicht benachteiligt und zugleich den Bedürfnissen der Betreiber und der lokalen Gemeinschaften entgegenkommt”, zeigt sich Steger zaghaft zuversichtlich.