Eine Frage der Kultur
-
Die Meraner Beratungsstelle gegen Gewalt an Frauen unterstützt bereits seit 30 Jahren Betroffene auf ihrem Weg. Das Jubiläum hat sie nun zum Anlass genommen, mit der Kampagne „Jetzt spreche ich“ vor allem Frauen zu erreichen, die sich selbst in einer Gewaltsituation befinden: Anhand von Erfahrungsberichten per Audio wird die Arbeit der Beratungsstelle vorgestellt.
Es geht nicht um die Taten von Einzelnen.
„Wir wollen mit dieser Kampagne die Prävention fördern und Frauen ermutigen, sich an uns zu wenden“, sagt Sigrid Pisanu vom Meraner Frauenhausdienst, der die Beratungsstelle führt. Trägerverein ist seit dem 15. April 1993 „Donne contro la violenza – Frauen gegen Gewalt“, mit Finanzierung der Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt.
-
Zeit für ein Resumee, ob und inwieweit die geschlechtsspezifische Gewalt in Südtirol thematisiert wird: Auch wenn das Problem heute häufiger angesprochen werde, beispielsweise in der medialen Berichterstattung über Femizide in Südtirol, fehle es laut Pisanu noch an Bewusstsein: „Bei Gewalt an Frauen geht es nicht um die Taten von Einzelnen, die am Rande der Gesellschaft leben, sondern um unsere Kultur. Es ist ein Querschnittthema unserer Gesellschaft. Frauen, die Gewalt erlebt haben, gehören verschiedener Generationen und unterschiedlicher Herkunft an. Häufig sind es Frauen im Alter zwischen 35 und 55 Jahren, es kommen aber auch minderjährige Frauen und über 80-Jährige zu uns. Sie stammen entweder aus anderen Ländern oder gehören den Sprachgruppen unserer Provinz an, auch der Bildungsgrad variiert stark. Es sind sowohl jene betroffen, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, als auch jene, die einen gut bezahlten Job haben.“
Betroffene Frauen berichten uns, dass gewalttätige Männer meist arbeiten und selten arbeitslos sind.
Nach wie vor sei die häufigste Art der Gewalt die psychische, aber auch alle andere Formen treten auf. „Mit der Zeit ist das Bewusstsein über die wirtschaftlichen Aspekte von Gewalt an Frauen stärker geworden“, so Pisanu. Die wirtschaftliche Ungleichheit von Frau und Mann in unserer Gesellschaft, etwa die Löhne in der Arbeitswelt, beeinflusse die Gewaltsituation, weil dadurch eine Abhängigkeit von dem Täter entsteht, der damit sehr viel Macht ausüben kann. „Betroffene Frauen berichten uns, dass gewalttätige Männer meist arbeiten und selten arbeitslos sind.“
Die KampagneDie Plakatkampagne „Jetzt spreche ich“ wird vom 30. Oktober bis zum 26. November an den Bushaltestellen in der Stadt Meran, im restlichen Burggrafenamt und im Vinschgau ausgehängt. Vom 30. Oktober bis 5. November und vom 20. bis 26. November werden die Plakate auch im Einkaufszentrum in Algund zu sehen sein.
Über die QR-Codes auf den Plakaten wird es möglich sein, sich mit dem Youtube-Kanal zu verbinden, um die Gewalterfahrungen der Frauen anzuhören. Die sozialen Profile des Vereins Donne contro la violenza - Frauen gegen Gewalt MERANo (facebook) und controlaviolenza_gegengewalt (instagram) werden die Kampagne über den Plakatierungszeitraum hinaus weiter verbreiten.
VeranstaltungstippMit Blick auf die jüngeren Generationen lädt die Beratungsstelle gegen Gewalt an Frauen am Donnerstag, den 9. November von 18 bis 20 Uhr im Frauenmuseum Meran zur Podiumsdiskussion „Projekte zur Prävention der Gewalt an Frauen und Mädchen“ ein.
Referentinnen und Referenten sind Andrea Fleckinger (Dozentin und Forscherin - Universität Trient), Julia Dalsant (Kindergartenpädagogin), Michael Benetti (Psychologe - Männerberatungsstelle Caritas Bozen), Matthias Kröss (Streetworker Meran), Marta Zanetti (Psychologin - Centro Veneto Progetti Donna).
Unter der Moderation von Rolanda Tschugguel, Vereinsfrau und Gründerin des Vereins, tauschen sich die Referentinnen und Referenten über ihre Erfahrungen mit konkreten Präventionsprojekten aus.
More articles on this topic
Society | GleichstellungIn Diskrepanz zur Wirklichkeit
Society | Frauenmarsch 2023'It's A Woman's, Woman's, Woman's World'
Society | Gleichberechtigung„Nicht als Gewalt wahrgenommen“