In Diskrepanz zur Wirklichkeit
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“Männer fühlen sich im Haushalt mehr involviert als sie tatsächlich sind”, sagt Irene Conte, Statistikerin beim Landesinstitut für Statistik (ASTAT). Bei der Vorstellung des neuen Gender-Berichts 2022 werden neben Gesundheit und Lebensdauer von Männer und Frauen auch die Geschlechterrollen in Familie und Arbeitswelt betrachtet. “Die Daten ändern sich wenig und zu langsam, internationale Prognosen gehen davon aus, dass wir noch mehr als 100 Jahre brauchen werden, um die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen”, erklärt die Präsidentin des Gleichstellungsbeirats Ulrike Oberhammer.
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Die Ergebnisse
Wie mühsam der kulturelle Wandel vorangeht, zeigt auch die ASTAT-Befragung: Fast alle Männer und Frauen stimmen der Aussage zu, dass sich beide Eltern um Kinder und Haushlat kümmern und zum Haushaltseinkommen beitragen sollen. Gleichzeitig ist die überwiegende Mehrheit der Meinung, dass die Mütter aufgrund der Kinder ihre Arbeitstätigkeit einschränken sollten. Dass auch Väter ihre Erwerbstätigkeit einschränken sollen, hält nur etwa ein Drittel für notwendig.
Die Daten zeigen außerdem, dass Hausarbeit und Kindererziehung hauptsächlich von Frauen geleistet werden. Das bestätigt auch der Fakt, dass Frauen häufiger und öfter die fakultative Elternzeit in Anspruch nehmen.
Trotzdem fühlen sich Väter sowohl bei der Befragung im Jahr 2021 als auch im Jahr 2016 stärker involviert als die Mütter bestätigen würden: 27 Prozent der Väter geben beispielsweise an, dass auch sie daheim bleiben, wenn die Kinder krank sind. Werden die Mütter gefragt, kommt allerdings heraus, dass nur 15 Prozent der Väter diese Aufgabe gleich häufig wie die Mütter übernehmen. “Um den Frauen eine echte Wahlfreiheit zu geben, lieber bei den Kindern zu bleiben oder arbeiten zu gehen, braucht es einen Ausbau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten”, so Oberhammer.
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Die Gesechlechterungleichheit zeigt sich neben der Sorgearbeit zuhause auch in der bezahlten Lohnarbeit: Obwohl Mädchen bessere schulische Ergebnisse erzielen als Buben und Frauen häufiger einen höheren Bildungsabschluss in der Tasche haben, ist das Lohngefälle (Gender Pay Gap) zwischen den Geschlechtern sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Dienst beträchtlich. Bei Vollzeitbeschäftigung beträgt die Differenz in der Privatwirtschaft 16,5 Prozent, im öffentlichen Dienst 16,4 Prozent. “Das ist weder gerecht noch nachvollziehbar”, gibt sogar Landeshauptmann Arno Kompatscher bei der Vorstellung des Berichts zu.
Die Folgen des Lohngefälles zeigen sich dann auch im Alter: Frauen erhalten nur 42,4 Prozent des gesamten Südtiroler Renteneinkommens, die Männer 57,6 Prozent. Während mehr als drei Viertel der Männer Altersrente beziehen, liegt dieser Anteil bei Rentnerinnen bei 59,6 Prozent. Die Frauen erhalten neben der Altersrente auch andere Rentenarten, vor allem die Hinterbliebenenrente. Auch deshalb beträgt das Rentengefälle (Gender Pension Gap) im Jahr 2021 bei 31,4 Prozent.
Einzig bei der Gendermedizin, einem vergleichsweise neuen Studienfeld, schneiden die Frauen besser ab. Diese untersucht die Unterschiede der biologischen, sozialen und psychologischen Faktoren bei Frauen und Männern, die sich auf die Gesundheit auswirken können. Die standardisierten Sterberaten zeigen, dass die Sterblichkeit der Frauen signifkant niedriger ist als jene der Männer. Laut ASTAT erkläre sich das teilweise damit, dass die Männer einen weniger gesunden Lebensstil (Alkoholkonsum, Rauchgewohnheiten und ungesunde Ernährung) pflegen und sich risikoreicher verhalten (Verkehrs-, Freizeit- und Arbeitsunfälle).
Aktionsplan“Die Daten dienen für uns als wichtige Handlungsgrundlage”, betonen Oberhammer und Kompatscher. Ziel der Veröffentlichung des Gender-Reports ist die Schaffung einer „Bestandsaufnahme“ laut Gleichstellungs- und Frauenförderungsgesetz des Landes Südtirol, Nr. 5 vom 8. März 2010, Art. 9. Der kürzlich vorgestellte Gleichstellungsaktionsplan des Landes dient hierfür als Richtschnur. Darin enthalten sind eine Reihe an Maßnahmen, die schrittweise bis 2028, also in fünf Jahren, umgesetzt werden sollen.
Um neben der Einstellung zur Gleichberechtigung auch die Tatsachen zu verändern, müsse an verschiedenen Stellschrauben gedreht werden, erklärt ASTAT-Direktor Timon Gärtner, nachdem die Ergebnisse des Gender-Berichts in Bozen vorgestellt wurden. “Die Diskrepanz zwischen Einstellung und Wirklichkeit hat meines Erachtens drei Ursachen: die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft, individuelle Präferenzen sowie die ökonomischen Kosten”, so Gärtner.
Denn zum einen gebe es auch Frauen, die gerne ihre traditionellen Aufgaben im Haushalt übernehmen, zum anderen zwinge der Arbeitsmarkt viele Familien zu einem Festhalten an traditionellen Rollen, da meistens der Mann ein höheres Gehalt beziehe, so Oberhammer und Gärtner.
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Ich denke, dass es…
Ich denke, dass es grundsätzlich um Machterhalt gehe: wir Männer haben Sc#iss davor, unsere Privilegien zu verlieren, und deshalb Männer in Politik, Wirtschaft und Finanz alles daran setzen, um anscheinend Veränderung zuzulassen, substantiell jedoch alles eher beim Alten bleibt. Wenn Frauen Karriere machen wollen, müssen sie all zu oft ihr Denken und Handeln an das numerisch dominante Männersystem mutieren.
Wir werden in seit Jahrtausenden vorgelebte Muster hinein erzogen, die eben überholt sind.
https://www.zdf.de/show/mai-think-x-die-show/maithink-x-folge-29-eltern…
Jetzt haben wir doch Jahre…
Jetzt haben wir doch Jahre lang fleißig gegendert mit *, mit /, mit :, mit -innen! Und was hat all das für die Besserstellung der Frau gebracht?? Der Sprache hat es jedenfalls etwas gebracht: Sie ist schwerfällig und unschön geworden.
Ich würd mal sagen dass noch…
Ich würd mal sagen dass noch 200 Jahre vergehen, bei dem Tempo....
Aus welchen Grund Haushalt, Kinder uvm. Sorgearbeit heisst, erschliesst sich mir nicht.