Environment | Herdenschutz

Den Wolf aussperren

Im Ultental werden Zäune als Herdenschutzmaßnahme vor Großraubwildtieren erprobt. Es gibt Skepsis, während eine Delegation aus Tirol zum Lokalaugenschein kommt.
Schafe auf Tiroler Weide
Foto: Land Tirol

Noch stehen auf der Kirchbergalm nur ein paar Holzpflöcke. Doch schon bald wird dort, auf 2.300 Metern Meereshöhe, ein zwei Meter hoher und 400 Meter langer Zaun errichtet sein, von Strom durchflossen. Es ist eine Premiere auf der Kirchbergalm im Ultental. Dort, auf der hochalpinen Fläche von über 1.800 Hektar, direkt an der Grenze zum Trentino, werden heuer erstmals Herdenschutzmaßnahmen zum Schutz vor dem Wolf erprobt.

“Einen wolfsfreien Alpenraum wird es nicht mehr geben. So ehrlich müssen wir sein.”
(Arnold Schuler)

Auf der Kirchbergalm weiden derzeit 210 Rinder und 700 Ziegen und Schafe. 120 Schafe weniger als 2017 wurden heuer aufgetrieben, nachdem dort im Vorjahr rund 40 Tiere von Wölfen gerissen worden waren. Am Nonsberg, in rund 30 Kilometer Entfernung zur Kirchbergalm, lebt bereits ein Wolfsrudel. 200 Kilometer weiter in der Schweiz zählt man ebenfalls zwei Wolfsrudel.
Nun soll festgestellt werden, wie wirksam Zäune als Maßnahme zum Schutz vor Raubtierübergriffen sind. Schließlich ist Herdenschutz eine Voraussetzung, die im Landesgesetz zur Entnahme von Wolf und Bär festgelegt wurde – nur wenn nachgewiesen wird, dass die entsprechenden Maßnahmen nicht wirken, kann der Landeshauptmann per Dekret zur Entnahme ermächtigen. 25 Förderanträge für Schutzmaßnahmen sind bislang eingegangen. Seit heuer wird die Errichtung von mobilen Schutzsystemen, sprich Zäunen, auf Almen mit bis zu 100 Prozent unterstützt. 250.000 Euro plant das Land dafür im Budget ein.

Auf der Kirchbergalm wird der Zaun in unmittelbarer Nähe zur Schäferhütte aufgestellt. Bei Gefahr durch den Wolf sollen die im weitläufigen Almgebiet verstreuten 700 Schafe und Ziegen zusammengetrieben werden und die Nächte sicher in diesem Pferch verbringen. Weiden Kälber in der Nähe, kommen diese in der Nacht ebenfalls in den Pferch. “Für einen kurzen Zeitraum kann das eine gute Verbesserung sein”, meint Paul Schwienbacher, Obmann der Alminteressentschaft auf der Kirchbergalm. Das tägliche Einpferchen im hochalpinen Gelände hält Schwienbacher allerdings “weder für machbar noch für sinnvoll”: “Da stürzen beim Zusammentreiben mehr Tiere ab als vom Wolf gerissen werden.” Andere Herdenschutzmaßnahmen wie Schutzhunde seien jedoch sehr schwierig, zumal das betroffene Gebiet bei Radfahrern sehr beliebt ist.

Vor Kurzem war die Steuerungsgruppe “Herdenschutz und große Beutegreifer”, die von der Tiroler Landesregierung kürzlich eingesetzt wurde, zu Besuch im Ultental. Zentrale Aufgabe der neu gegründeten Steuerungsgruppe ist es zu erarbeiten, wie Herdenschutzmaßnahmen wie Behirtung, Elektrozäune oder Schutzhunde in alpinen und hochalpinen Gebieten angewendet werden können und wo bzw. wie sie überhaupt funktionieren. Dazu setzt man auch auf den Erfahrungsaustausch mit Südtirol – “und einen gemeinsamen Weg”, wie der Tiroler Agrarlandesrat Josef Geisler in Ulten betonte. Ein naheliegendes Vorgehen, schließlich sind sich Tirol und Südtirol von den natürlichen Gegebenheiten wie auch von der Struktur der Almwirtschaft ähnlich. Anders als südlich des Brenners sind in Nord- und Osttirol bislang nur einzelne Wölfe durchgezogen.

“Einen wolfsfreien Alpenraum wird es nicht mehr geben. So ehrlich müssen wir sein”, meinte Landeswirtschaftslandesrat Arnold Schuler anlässlich des Besuchs aus Tirol. Schuler erinnerte an die Anstrengungen Südtirols, die zum einen auf eine Änderung des Schutzstatus’ für Großraubwildtiere (Bär und Wolf) und zum anderen auf eine Regelung der Entnahme ab. Im Gegensatz zu Italien hat Österreich seit 2012 einen Managementplan für große Beutegreifer, der unter bestimmten Voraussetzungen auch die Entnahme von “Problemtieren” ermöglicht. In Südtirol ist man, wie hinlänglich berichtet, aufgrund des Fehlens einer solchen nationalen Regelung, selbst tätig geworden. Anfang Juli hat der Landtag das Landesgesetz “Vorsorge- und Entnahmemaßnahmen bei Großraubwild” verabschiedet.