Weinkrampf im Sheraton
-
„Ich weiß von dieser Pressekonferenz heute fast nichts mehr“, sagt Alex Schwazer. Dabei tritt an diesem 8. August 2012 im Bozner Hotel Sheraton ein völlig gebrochener Mensch vor die Weltpresse. Alex Schwazer kann seine Emotionen nicht mehr kontrollieren. Er redet mit zittriger Stimme und beginnt auch mehrmals zu weinen. Es sind Bilder, die man so, kaum von einem Spitzensportler in der Öffentlichkeit gesehen hat.
Am 30. Juli hatten die Inspektoren der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA zuerst vergeblich in Oberstdorf und dann am Abend in Schwazers Elternhaus in Kalch den amtierenden Olympiasieger unangekündigt einer Dopingkontrolle unterzogen. Zu diesem Zeitpunkt sind die Olympischen Spiele in London bereits am Laufen. Eine Woche später liegt das Ergebnis des Dopingtest vor. Wie erwartet ist der Test positiv. Alex Schwazer wird umgehend von der Olympiade ausgeschlossen und als Sportler gesperrt.
Die Nachricht verbreitet sich in Windeseile. Alex Schwazers Managerin Giulia Mancini setzt unmittelbar nach Bekanntwerden des positiven Dopingtests eine klare Kommunikationsstrategie um. Der Athlet selbst soll mit der Nachricht und allen Hintergründen an die Öffentlichkeit treten. Der Start erfolgt mit einem Exklusivinterview im TG1 der italienischen RAI, zur besten Sendezeit.
Für den 8. August 2012 organisiert Mancini dann die Pressekonferenz im Bozner Sheraton. Die Pressekonferenz ist ein internationales Medienereignis. Hunderte Journalisten, Fotografen und Kameraleute reisen an.
Alex Schwazer bricht vor den Kameras immer wieder in Tränen aus. 13 Jahre später sagt er: „Nein, ich schäme mich nicht für meinen Tränenausbruch. Denn das war ich. Ich habe mich so gezeigt, wie ich mich damals gefühlt habe. Nicht mehr und nicht weniger“.An diesem Tag sitzt nicht nur seine Managerin Giulia Mancini an seiner Seite, sondern auch ein Mann, den Alex Schwazer erst einen Tag zuvor kennengelernt hat: Gerhard Brandstätter. Der Bozner Strafverteidiger betreut bis heute den Olympiasieger in allen Verfahren vor Gericht. „Es gibt keinen Menschen, der in den letzten 12 Jahren mehr für mich getan hat als der Gerhard“, beschreibt Alex Schwazer heute sein Verhältnis zu seinen Anwalt. Es ist schon bald mehr als nur eine berufliche Zusammenarbeit.
-
Mit der Sperre wird auch der gesamte bisherige Tagesablauf Schwazer über Nacht auf dem Kopf gestellt. Der Geher darf und will nicht mehr trainieren. Der Profisportler hat damit erstmal richtig Zeit über sich selbst nachzudenken. „Ich war damals völlig leer und nur mehr froh, dass diese Horror endlich vorbei ist“, sagt er heute.
„Ich habe mich so gezeigt, wie ich mich damals gefühlt habe. Nicht mehr und nicht weniger“.
Gleichzeitig wird ihm aber klar, dass mit ihm etwas nicht stimmt, und er nimmt professionelle Hilfe in Anspruch. Gut ein Jahr lang ist Alex Schwazer danach beim Primar der Psychiatrie im Krankenhaus Brixen, Josef Schwitzer, in Behandlung. Die Behandlung zeigt schon bald ihre Wirkung. Alex Schwazer findet wieder die Freude am Sport.
Doch der Weg zurück in den Profisport ist noch lang und mit weit mehr Steinen gesäumt, als es sich der junge Mann aus Kalch zu diesem Zeitpunkt ausmalen kann. -
Zur Folge
Verfügbar auf:
Spotify ● Apple Podcasts ● Youtube ● Castbox ● Amazon Music ● Audible ● Spreaker
Gesamte Serie: -
More articles on this topic
Sports | Podcast | Ep10Depression und russisches Geständnis
Sports | Podcast | Ep11„Man ist plötzlich konstant beim Lügen.“
Sports | Podcast | Ep12Oberstdorf, 30. Juli 2012