„Brutale Strukturen“

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„Nach dem großen Erfolg der Eröffnung der neuen Fußgänger- und Fahrradbrücke im Bereich der Loretobrücke setzen wir unsere Arbeit fort, um der Stadt neue Räume und Verbindungen zurückzugeben“, hieß es vor wenigen Tagen vonseiten der Marketingverantwortlichen des sagenumwobenen und von Immobilien-Verbrecher René Benko in die Wege geleiteten WaltherPark in Bozen. Das ist natürlich vollkommener Humbug. Denn zurückgegeben hat man der Stadt einen Brückendschungel in Form eines massiven grauen(haften) Knotenpunkts – der kaum hässlicher hätte umgesetzt werden können.
Wir sind im Jahr 2025 und nicht mehr 1965...
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Alle mal herhören: PR-Veranstaltung mit „Benko“-Rückenwind am Fahrradwegknotenpunkt an der Loreto-Brücke Foto: WaltherPark
Mitgeschickt hat die WaltherPark-Werbeabteilung ein flottes Video mit viel Slow Motion, politischen Lokalgrößen wie Daniel Alfreider und Renzo Caramaschi, sowie mit viel Beton, um zu "untermauern", was in den letzten Jahren Zukunftsweisendes für die Stadt geschaffen wurde und wird. Zudem zeigt das inszenierte Video ein paar Pressefotografen bei der Arbeit und hauseigene Komparsen. SALTO hat in der vorwahltechnisch gut getimten Angelegenheit beim Mobilitäts- und Fahrradexperten Patrick Kofler nachgefragt, der wie nicht viele andere die Entwicklung in Sachen Fahrrad im Bozner Stadtraum (und auch anderswo) aktiv mitverfolgt und mitgeprägt hat.
Aktuell arbeitet der Fahrradwegenetz-Experte in der Region Abruzzen, wo er an Konzepten für nachhaltigen Fahrradtourismus arbeitet. „Das sind ein bisschen andere Konzepte als die üblichen infrastrukturierten Radwege“, sagt er, „es geht dort darum, den vom Erdbeben und der Deindustrialisierung betroffenen Gemeinschaften neue Perspektiven zu eröffnen. Radtourismus kann da als Katalysator für eine nachhaltige Entwicklung dienen. Ich arbeite dort auch nicht mit klassischen Tourismusorganisationen, sondern mit regionalen Entwicklern zusammen.“ Klar, ein gutes Netz an Fahrradwegen ist seit Jahrzehnten in vielen Städten und Ländern eine passable „Brücke“ zu neuen, lebensnahen Entwicklungen in Städten. Aber wie schief eine solche „Brücke“ in Bozen gebaut wird, zeigt sich wahrhaftig an den kürzlich ausführlich von Stadt Bozen und WaltherPark beworbenen Fahrrad- und Fußgängerbrücken.
Ein bisschen in einer Sackgasse ...
Patrick Kofler finde es zwar gut, „dass man in Radinfrastruktur investiert hat“, doch die Art und Weise der Umsetzung sei doch „ziemlich Geschmackssache“. Er bezeichnet den Eingriff als „ziemlich brutal“, denn in seinen Augen sei hier „das Paradigma der Straßenplanung aus den 1960er Jahren“ übertragen worden – eine Infrastruktur also, die nicht berücksichtigt, dass Systeme für Radfahrer*innen anders zu planen sind als für Autofahrer*innen. „Wir sind im Jahr 2025 und nicht mehr 1965“, so Kofler.
Ob es diesen „brutalistischen Eingriff“, wie Kofler das Fahrrad-Nadelöhr an der Loreto-Brücke nennt, nicht auch in einer anderen Form hätte geben können? „Bozen hat sich in den 2000er Jahren gut entwickelt“, sagt er und lobt die Arbeit der Stadtplaner bis etwa vor zwei Jahrzehnten. Mittlerweile, so seine Kritik – die er nach eigener Aussage auch „immer wieder den entsprechenden Assessoren“ unterbreitet hat –, befinde sich die Stadt „ein bisschen in einer Sackgasse“, und das Brückenprojekt sei die „Kristallisierung“ eines Konzepts, das auf der strikten Trennung der Verkehrsflüsse basiere, wo das System Fahrrad und das System Auto „weitgehend hochgradig getrennt“ würden.Gern mit dem Fahrrad unterwegs: Patrick Kofler ist CEO und Gründer von HELIOS, einem Beratungs- und Kommunikationsunternehmen für nachhaltige Mobilität und Tourismus. Foto: PrivatDieses System der „Exklusivität“ führe dazu, dass Autofahrer*innen und Radfahrer*innen grundsätzlich weniger aufeinander Acht gäben – und es trotz separater Systeme zu mehr Unfällen komme. „Die meisten Unfälle passieren nicht auf dem Radweg selbst, sondern dort, wo Radfahrer*innen das geschützte System verlassen“, sagt Kofler. „Die typischen Rechtsabbieger-Unfälle passieren an Kreuzungen – dort, wo die zwei Systeme aufeinandertreffen.“ Viele Städte „planen mittlerweile anderes“, hebt der Experte hervor. Bozen hingegen halte stur am alten Konzept fest. Dadurch würden die Verkehrsteilnehmenden auch nicht darin geschult, „Rücksicht zu nehmen“, da jeder – ob Fußgänger, Autofahrer oder Radfahrer – „in seinem goldenen Käfig“ verharre.
... nicht mehr zeitgemäß.
Bozen ziehe zwar sein System konsequent durch und mache seine Arbeit in diesem Rahmen auch gut, aber: Man habe sich damit „in eine Sackgasse manövriert“, mit „eigentlich nicht mehr wirklich ausbaubaren Möglichkeiten“. Die Stadt müsste, so Kofler, das „System der Trennung“ schrittweise und teilweise „auf ein System des Mischverkehrs umstellen“ – und er lobt hier im Vergleich die Stadt Brescia. Wie hätte er den Knotenpunkt an der Loreto-Brücke besser gelöst? „Ich bin kein Planer“, sagt Kofler, „die Routenführung ist in Ordnung, aber ich hätte versucht, angesichts der künftig nicht sinkenden Temperaturen in Bozen, mit natürlicheren Lösungen zu arbeiten – mit weniger Beton und weniger brutalen Strukturen.“ Er finde außerdem, dass man heute in Städten grundsätzlich anders plane und auf den massiven Einsatz von Beton verzichte – denn es sei einfach „nicht mehr zeitgemäß“, außer der massive Eingriff wäre aus urbanistischen Gründen unbedingt notwendig. War er das?
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schaud ein bissi wie ein…
schaud ein bissi wie ein Fahrradtrainingsparcour aus.
Ein „brutalistischer…
Ein „brutalistischer Eingriff von Immobilien-Verbrecher René Benko in die Wege geleitete WaltherPark in Bozen". Und die lokalen Helfershelfer ? Untergetaucht oder befördert. (Damit ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen - K.V.)
Es gibt schon zwei kritische…
Es gibt schon zwei kritische Aspekte dieser Lösung (die ich selbst häufig benutze): Wenn man der Loreto-Brücke kommend auf den Radweg in Richung Stadt einbiegt, ist die Kurve so eng, dass man fast auf 0 herunterbremsen muss um nicht mit entgegen kommenden Fahrradfahrern zusammenzuprallen. Der zweite kritische Punkt ist die im 5. Bild eingefangene Kreuzung. Früher oder später kracht es da.
Über Beton kann man streiten, sicher ist, dass die Wände die zahlreichen Schmierfinken einladen ihre Graphomanie auszuleben, die keiner braucht.
In reply to Es gibt schon zwei kritische… by Manfred Klotz
"die Wände die zahlreichen…
"die Wände die zahlreichen Schmierfinken einladen ihre Graphomanie auszuleben, die keiner braucht."
Das wäre schon wieder eine Aufwertung zum tristen grau. Bei uns werden solche Wände gezielt für Graffiti freigegeben.
Bin mit dem Rad…
Bin mit dem Rad durchgefahren und es ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig! Der große Test fällt dann, wenn von Norden oder Süden die Radtouristen in Horden kommen, dann wird's eng! Interessante Radwege gibt's in Bozen sowieso zuhauf, wie z.B. in der Claudia-Augusta-Straße, wo es im S-Kurven Rhythmus durch die Straße geht ;-)
Gruselige Infrastruktur,…
Gruselige Infrastruktur, insbesondere die Kreuzung welche sich bestimmt zu einem Unfallschqerpunkt entwickelt. Und für die Betonmauern wären Geländer die bessere Wahl gewesen.
Die Meinung zum Mischverkehr teile ich nur bedingt. Diese setzt voraus das Auto und Fahrrad sich gleichberechtigt und mit angepasster Geschwindigkeit bewegen und begegnen. Ansonsten kann ich die Niederlande und Dänemark zur Anschauung empfehlen.
Caramaschi e Fattor non…
Caramaschi e Fattor non sanno pedalare e per questo chi se ne frega.
Die positive Perspektive:…
Die positive Perspektive: Bessermacheraufgaben für die neue Stadtregierung. ;-))
Dem Herrn auf dem letzten…
Dem Herrn auf dem letzten Foto sollte man die Verwendung eines Helms empfehlen, wenn er den Kreisverkehr ;-) dort öfters gegen die bei uns übliche Fahrtrichtung befährt...
Diese Radwegabschnitt mit…
Diese Radwegabschnitt mit den zwei Abzweigungen ist eine völlige Fehlplanung. Die befahrbaren Radspuren sind zu eng und hier von einen Kreisverkehr zu sprechen ist Hohn. Ich fordere den/die Planende/n auf, eine Runde im Kreisverkehr zu drehen und dann in eine Kamera zu sagen, was er/sie sich dabei gedacht hat. Zudem werden die kopfhoch ausgeführten Betonwände bis unmittelbar in den Kreuzungsbereich hinein auf dieser Höhe gehalten und nehmen den Nutzunden jegliche Sicht. Kann mir nicht erklären, wie man im Jahr 2025 so eine verkorkste Fahrradinfrastruktur planen und ausführen kann.
Premesso che i problemi…
Premesso che i problemi della città sono ben altri, e che sono stra ultra convinto che in un mondo civile e ideale, le automobili, in città, tassativamente elettriche, dovrebbero circolare sotto terra, onestamente non posso giudicare questa nuova struttura perché da ciclista (e pure da pedone) non l'ho ancora percorsa. Per il "problema" del cemento si può rimediare grazie all'ausilio di grafittari, magari in un contest. Comunque, a prescindere dalla bontà della viabilità invito tutti i ciclisti e pedoni ad avere buon senso e non correre come pazzi ma andare a velocità adeguata per fermarsi in tempo. Così da evitare inutili incidenti.
"Kann die Baukommission von…
"Kann die Baukommission von Bozen die Pläne nicht lesen?"
Soviel betonierter Schwachsinn ..., zusätzlich zur grausigen Vergewaltigung der historischen Altstadt von Bozen ..., passiert gewiss kaum einer Dorf-Baukommission!!!