Historische Reise in die Gletscherwelt

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Besonderes Event im Zuge einer Fotoausstellung
„Und nun nähern wir uns dem Berg der Berge, dem Gipfel aller Gipfel. Meine Damen und Herren: Sehen Sie den Montblanc!“: 40 Minuten lang hat sich der Präsentator, der Geograf Dr. Ludwig Kögel, dargestellt von Patrick Rina in Ekstase geredet, bis er schließlich am Höhepunkt seines Vortrags angelangt ist. Auf den Tag genau 90 Jahre zurück versetzt wurden Besucher des Laternvortrags im Lumen am vergangenen Wochenende. „Werden und Wandel des lebenden Alpengletschers“ führte die Besucher 53 Fotos samt Ausführungen lang auf eine Reise in die Vergangenheit. Diese Bilder, gezeigt als Vortrag in unzähligen Sälen, vor allem der Alpenvereine des Alpenbogens, waren Anfang des letzten Jahrhunderts bis Anfang des Zweiten Weltkriegs, ein Höhepunkt. „Stellen Sie sich vor, Sie haben kein Handy, kein Tablet, keinen Computer, praktisch überhaupt kein Gerät, auf dem man Bilder darstellen kann. Sie haben zuhause keinen Fernseher, nur ein paar von den Nachbarn haben ein Radiogerät“ sagte Historiker Florian Trojer in seiner Einführung. Er war es, der 2008 rund 5.000 Laternbilder inventarisiert und digitalisiert hat, damit sie nun wieder zur Verfügung stehen. Erfasst waren zum Höhepunkt des Laternbilder-Booms in der Zwischenkriegszeit etwa 50.000 verschiedene Motive von allen Gipfeln und Gebirgsgruppen der Ostalpen. Heute liegen sie im Archiv des ÖAV in Innsbruck. Eine Auswahl von Laternbildern sind noch bis 18. April im Lumen am Kronplatz im Rahmen einer Sonderausstellung, kuratiert vom AVS, zu sehen; der historische Laternbildvortrag am Samstag war das Gustostück.
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Erhabene Sprache, beredte Gestik: Sprung in die Vergangenheit
Der „eifrige und emsige“ Assistent des Geografen Ludwig Kögel, dargestellt von AVS-Mitarbeiter Philipp Ferrara, schiebt - mit weißen Handschuhen bekleidet – vorsichtig ein Laternbild nach dem anderen in den Projektor. Laternbilder sind auf 9 mal 12 Zentimeter großen Glasplatten gebannte Fotos, die in eigens vorgefertigte Holzrahmen geschoben werden, die in den Projektor passen. Darin befindet sich eine Lichtquelle und so werden die Bilder an die Wand projiziert. Im „Lumen“ war die gesamte historische Ausstattung im Saal, die Technik wurde aber nachgestellt, die Bilder mittels modernen Projektors an die Wand geworfen. Das machte die Show aber nicht weniger unterhaltsam. Vor allem die ungewohnte Sprache sorgte immer wieder für Lacher. Immer wieder wandte sich der Moderator an sein Publikum mit „geneigtes Publikum“ oder „meine verehrten Damen und Herren“, eindrücklich gestikulierte er mit Armen, teilweise ruderte er geradezu, um die Wichtigkeit seiner Ausführungen zu unterstreichen – immerhin handle es sich bei der heutigen um eine Veranstaltung zur „Förderung der Volksbildung“. So erläuterte der Geograf in blumigen und für heutige Begriffe schwulstigen Umschreibungen Fachbegriffe aus der Welt der Gletscher. Wiederholt kam er auf „Gletscherschrund“ zu referieren. „Der Gletscherschrund kommt allgemein da zur Ausbildung, wo mächtigere, in Bewegung geratene Firnmassen sich von weniger mächtigen, am Felsengrund anhaftenden losreißen, ein Vorgang, der besonders in den Zonen des Übergangs von den mäßig geneigten Firnmulden zu steilen, ebenfalls firnbedeckten Hintergehängen sich einstellt, geehrtes Publikum“, so der Referent – der es sich nicht verkneifen konnte, den Zeigefinger fuchtelnd zu erheben, um dieser fachlichen Belehrung auch die entsprechende Wichtigkeit zu verleihen.
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Beeindruckende Schwarzweiß-Bilder von Gletschern vor 100 Jahren
Im Vortrag wurden Bilder aus Zeiten noch großer Eismassen auf den Alpengletschern gezeigt: So staunte das Publikum über Eismeere am größten Alpengletscher, dem Aletsch-Gletscher in der Schweiz, beeindruckende Spalten am Dachstein und dem Gepatsch-Ferner, Gletscherzungen, Bergschrunde an der Hochwilde oder der Trafoier Eiswand, Firnmulden, Gletscherseen, Gletschertore, Moränen und Gletschertische. Schmunzelnd wurde der schier atemlose Vortrag des Geografen aufgenommen – was in Zeiten vor der Existenz von Kurzvideos in den Sozialen Netzwerken Menschenscharen in ihren Bann zog, würde heute wohl Säle leer lassen….Wenn es nicht eine bewusste Entscheidung des Publikums wäre, sich voll auf eine Reise in das letzte Jahrhundert einzulassen und sich der Entschleunigung eine dreiviertel Stunde lang hinzugeben.
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