Politics | Interview

“Von der SVP befreien!”

Sigmund Kripp über die “Machtspiele” des Bauernbundes, den “Sparringpartner SVP”, ein “herrliches Druckmittel” – und die Frage, ob er in die Politik zurückkehrt.
Sigmund Kripp
Foto: Bioland Südtirol

Es war 2008. Sigmund Kripp kandidiert für den Landtag. Damals ist er noch Mitglied der Grünen, die er 2015 verlassen wird. Kripp legt sich mit einem mächtigen Gegner an. Er bringt den Südtiroler Bauernbund gegen sich auf, als er ihm vorwirft, das Vertrauen seiner Mitglieder “in schamloser und unerträglicher Art und Weise missbraucht und zu rein parteipolitischen Zwecken – immer zugunsten der SVP – verwendet” zu haben. Die Geschichte landet vor Gericht. Der damalige Bauernbund-Obmann Georg Mayr wirft Sigmund Kripp Verleumdung vor. Der Fall wird schließlich archiviert.
“Der Bauernbund lässt sich nicht das Recht nehmen, jene Kandidaten und jene Partei zu unterstützen, die er für die beste Vertretung der Interessen des ländlichen Raums und der Landwirtschaft hält”, gibt der SBB damals Konter. Und das seien nun einmal die SVPler. Neun Jahre später scheint eine kleine Revolution vollzogen. “Es war immer schon klar, dass sich auch andere Kandidaten außer jenen der SVP der Wahl stellen können”, sagte SBB-Direktor Siegfried Rinner am Donnerstag (31. August) in der Tageszeitung im Hinblick auf die internen Vorwahlen zur Ermittlung der Landtagskandidaten, die der SBB 2018 unterstützen will.
Was sagt der Partschinser Baron und Bio-Weinbauer dazu?

salto.bz: Herr Kripp, begrüßen Sie die Öffnung des Bauernbundes?
Sigmund Kripp: Schauen Sie, in Deutschland und Österreich ist es üblich, dass in den wichtigsten Bauernzeitungen alle Parteien ihre Landwirtschaftspolitik vorstellen können bzw. dazu mit denselben Fragen konfrontiert werden. Der Leser kann sich dann aus den unterschiedlichen Antworten ein Bild machen. Der Bauernbund an sich sollte keine Kandidaten bevorzugen oder als “seine” betrachten. Die WählerInnen sind mündig genug, aus transparenten Vergleichen ihre KandidatInnen zu erkennen – egal, welcher Partei sie angehören. Daher wiederhole ich: Alle zur Landtagswahl antretenden Parteien im “Landwirt” vorstellen und zur Landwirtschaft befragen. Keine Unterstützung bestimmter KandidatInnen durch den SBB!

Das große Raubwild ist jetzt eben im Fokus und dient herrlich als Druckmittel.

Das Zugehen auf Nicht-SVP-Kandidaten ist immerhin ein erster Schritt. Warum hat man ihn Ihrer Meinung nach gemacht?
Der Bauernbund hat immer eine sehr wichtige Rolle gespielt, wenn es um schnelle, kapillare Information bzw. Willensbildung ging. Das kann Vorteile, aber auch Nachteile mit sich bringen. Heute, wo nur mehr 7 Prozent der Bevölkerung landwirtschaftlich determiniert ist, ist auch die Rolle des SBB unwichtiger geworden. SVP-intern blieb sie bisher aber entscheidend. Vielleicht bilden sich da jetzt Risse, weil einfach zu viele Bauern nicht mehr SVP-gebunden sind; ganz im Gegenteil!

Inwieweit, glauben Sie, war Landesrat Arnold Schuler ausschlaggebend für den Schwenk – der vom Bauernbund nicht gewollte Landwirtschaftslandesrat?
Das kann ich nicht beurteilen. Auch Schuler gehört der SVP an und damit dem alten Machtsystem bzw. Machtspiel, das ich ablehne und das schädlich war und ist für Südtirol.

“Es gibt viele oppositionelle Bauern”, sagt auch der Freiheitliche Parteiobmann Andreas Leiter Reber. Er ist einer der ersten Oppositionellen, der angekündigt hat, an den SBB-internen Vorwahlen teilnehmen zu wollen. Weiters sagt er: “Der Bauernbund hat sich endlich emanzipiert.” Sie dürften ihm in beidem zustimmen?
Die Machtspiele der Bauernbundführung sind undurchsichtig und das ist grundsätzlich schlecht. Sie dienen nicht den Mitgliedern. Der SBB hat sich dadurch zum Sparringpartner der SVP gemacht. Er sollte sich davon befreien. Und wie bereits gesagt: Es gibt gerade im Bauernstand sehr viele Nicht-SVP-Wähler, denken Sie an die im ländlichen Raum gut verankerte Süd-Tiroler Freiheit, aber auch an die Freiheitlichen.

Ich denke, dass es unter den Bauern mehr “Abtrünnige” gibt, als man denkt.

Und Grüne – wie Sie es bis vor nicht allzu langer Zeit waren?
Es gibt auch grüne Bauern, aber das sind sehr wenige. Auch wenn sie vielleicht öfters die Vordenker im Dorf waren und sind. Die grüne Partei hat es jedenfalls nicht geschafft, ein erkennbares grünes Landwirtschaftsprogramm zu erstellen oder – falls vorhanden – es mit entsprechenden Personen zu besetzen.

“Wir werden jeden Politiker unterstützen, der sich für eine bär- und wolfsfreie Zone einsetzt”, sagen Rinner und SBB-Obmann Leo Tiefenthaler. Und erhöhen damit den Druck auf die SVP. Die scheint sich von den Bauern vor sich her treiben zu lassen. Landesrat Schuler und Landeshauptmann Kompatscher posieren mit grimmiger Miene für einen Zeitungsbericht, in dem sie ankündigen, den Ausstieg Südtirols aus dem “Life Ursus”-Projekt vorzubereiten und auch in Sachen Wolf hart durchgreifen zu wollen. Lassen sich die Bauern davon überzeugen, weiterhin das Edelweiß anzukreuzen?
Schwer abzuschätzen. Das große Raubwild ist jetzt eben im Fokus und dient herrlich als Druckmittel. Nachdem die entsprechenden Schutzgesetze aber national bzw. international gelten, kann auch die SVP nicht viel ändern. Das heißt, der Druck geht ins Leere oder willfährige Kandidaten machen sich lächerlich.

Auch die Süd-Tiroler Freiheit hat sich in Stellung gebracht und sichert den Bergbauern in Sachen Bär und Wolf “Rückhalt im Landtag” zu. Wie ernst nimmt der Bauernstand solch schmeichelnde Worte?
Auch die STF kann die betreffenden Gesetze nicht aus der Welt schaffen. Sie sollte sich besser für die Wiedereinführung von Hirtenhunden sowie die Ausbildung von Hirten mit diesen einsetzen. Im Allgemeinen denke ich, dass es unter den Bauern mehr “Abtrünnige” gibt, als man denkt. Die parteipolitische Uniformität der SBB-Führung darf nicht darüber hinweg täuschen.

Der Bauernbund an sich sollte keine Kandidaten bevorzugen oder als “seine” betrachten.

Sie selbst haben jüngst mit Vertretern der STF eine “politische Weinprobe” – Zitat Bernhard Zimmerhofer – gemacht. Schauen Sie sich nach Ihrem Austritt von den Grünen nach einer neuen politischen Heimat um?
Das war eine sehr lustige und informative Weinprobe mit einem regen Gedankenaustausch zur Selbstbestimmung und Sezession. Aber mehr als eine Prise Gewürz für die Gerüchteküche war sie nicht.

Kommt für Sie eine Rückkehr in die Politik in Frage? Als Kandidat des Bauernbundes?
Soweit ich weiß, ist der SBB noch keine Partei und hat daher auch keine direkten Kandidaten. Ich müsste also zuerst in eine Partei eintreten und dann noch vom SBB unterstützt werden. Beides halte ich momentan für extrem unwahrscheinlich.

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Sigmund Kripp Fri, 09/01/2017 - 08:35

Vielleicht noch eine Ergänzung: Laut Regionalgesetz Nr.7 vom 13. August 1998 ist Verbänden - wie dem SBB - Wahlwerbung in den 60 Tagen vor der Wahl VERBOTEN. Ich habe den Eindruck, dass sich der SBB in den letzten Wahlkämpfen um dieses Gesetz nicht gekümmert hat. Ich zitiere das Gesetz:
REGIONALRAT
REGIONALGESETZ VOM 13. AUGUST 1998, NR. 7
Bestimmungen über die Wahlwerbung von
Verbänden, Vereinigungen und Gewerkschaften l
Art. 1 - Wahlwerbung von Verbänden, Vereinigungen und Gewerkschaften - (l) Verbänden, Vereinigungen und Gewerkschaften, die gemeinnützigen Charakter haben, die Begünstigungen der Volontariatsbestimmungen in Anspruch nehmen, Patronatsdienste leisten oder in irgendeiner Form Mittel aus den öffentlichen Haushalten erhalten, ist ab dem sechzigsten Tag vor jenem, der dem für die Wahlen des Regionalrates festgelegten Tag vorausgeht, jegliche Werbetätigkeit für Kandidaten und für Parteien verboten.
Art. 2 - Inkrafttreten - (l) Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Region in Kraft.

Fri, 09/01/2017 - 08:35 Permalink