Economia | Landwirtschaft

Unsere armen Bauern

Die Südtiroler Landwirtschaft hat Angst, dass ihre Erfolge und ihr Drang, sich abzuheben, madig geredet werden. Ich riskiere es trotzdem!
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.

Die Südtiroler Landwirtschaft hat Angst, dass ihre Erfolge und ihr Drang, sich abzuheben, madig geredet werden. Die Landwirtschaft – gemeint sind mehr deren Verband und die Genossenschaften, und nicht die einzelnen Bauern – betrachtet sich als unantastbar. Sie zu kritisieren gleicht schon einem Sakrileg und Kritik wird fast schon wie Blasphemie empfunden. Ich wage es aber trotzdem!

Maria Lichtmess am 2. Februar war in Vergangenheit in der Bauernwelt ein wichtiger Feiertag (Beginn des neuen Bauernjahres). Er war der Zahltag der Dienstboten (Knecht und Diarn/Magd), die dann bis St. Agatha am 5. Februar frei hatten. Dieser Tag wurde in Südtirol auch „Schlenggl-Tog“ genannt. Die Dienstboten wechselten an diesem Tag die Dienststelle (gingen von einem Bauern zum anderen - schlenkern).
Also ein passender Tag, etwas zur Bauernwelt  zu schreiben. Die Landwirtschaft genießt in Südtirol – seit ich gedenke – verschiedene Privilegien. Kein anderer Berufsstand, keine andere Gesellschaftsschicht haben z. B. eigene Radio- und TV- Sendungen (wöchentlich zweimal auf Rai Südtirol): Der „Südtiroler Landwirt“, ein Athesia-Printmedium und zugleich Verbandszeitung, erscheint vierzehntägig und hat im Unterschied zu Gewerkschaftsblättern eine eigene Redaktion – ähnlich wie die Südtiroler Wirtschaftszeitung. Also haben Politiker und Funktionäre viele Möglichkeiten, ihre Klientel (samt weichenden Erben und anderen an der Landwirtschaft Interessierten) zu erreichen und zu beeinflussen. So erklärt sich vielleicht auch, warum deren Politiker so gut gewählt werden.

Der Stand der Bauern

Die Bauern haben aber auch ein starkes Standes-Bewusstsein – oder sogar –Dünkel! Das hat sicher damit zu tun, Grund und Boden, Wald und Feld, Haus und Hof zu besitzen. Und deswegen wollen sie sich nichts dreinreden lassen. Wir Nicht-Bauern und Verbraucher ihrer Produkte möchten aber auch mitreden, denn die Landschaft und die Natur gehören nicht nur ihnen allein, sondern allen. Außerdem könnten die meisten Bergbauern ja gar nicht leben, wenn nicht wir Steuerzahler (sie zahlen ja keine bzw. kaum Steuern) ihnen die vielen Beiträge und Finanzierungen ermöglichten, bis hin zu den Luxus-Urlaub-auf-dem-Bauernhof-Betrieben.
Sie fahren die größeren Autos als wir, verkaufen ihre Produkte oft überteuert, wollen von jedem einfachen Lebensmittel ein Markenprodukt oder eine Delikatesse machen. Und wir sollen auch diese bezahlen!?
Über Urlaub auf dem Bauernhof wurde auf diesem Portal schon öfters geschrieben. Goggl Totsch hat letztes Jahr aufgedeckt, dass sogar der Verein für freiwillige Erntehelfer mit Geldern finanziert wird, welche für soziale Zwecke vorgesehen waren. Brauchen Bergbauern Sozial-Hilfe? Ich glaube nicht – und versuche jetzt auch dafür Belege zu finden.

Die Goaß als Hobby

Ein alter Vers lautet „Die Goaß isch die Kua va die gonz ormen Leit“. Das ist heute weit gefehlt. Das Passeiertal ist einerseits der Inbegriff von armen Bergbauern und andererseits der Bergziegen-Zucht. Die Passeirer Bergziege ist sogar eine eigene Rasse. Die Überraschung ist aber, diese Ziegen werden nur mehr zu einem kleinen Teil gemolken. Ich habe schon länger diese Informationen gewonnen. Aber ab heuer ist es offiziell. Im Reimmichls-Kalender, dem Kalender der Bauern, gibt es einen Beitrag zu diesem Thema. Da kann man folgendes lesen“….welche die Ziegen als Hobby halten und kaum Wert auf die Produktion von Fleisch und Milch legen“ Ja wenn sich Bergbauern die Goaße nur mehr zum Hobby halten können, dann kann es ihnen nicht schlecht gehen! Oder? Dazu kommt noch, dass die Ziegenzüchter anscheinend vom Land oder der EU Zucht- oder Halteprämien kassieren (und wird bezahlt diese?). Viele Züchter sind aber keine Bauern, sondern weichende Erben in anderen Berufen, die Freude an der Tierzucht haben. Aber als solche würde sie diese Beiträge nicht erhalten. Also müssen sie mit dem Bauern, bei dem sie ihre Ziegen im Stall halten, eine Art schräges Geschäft machen, damit dieser die Prämien stellvertretend erhält. Die Verbandsleute – und noch viele mehr – wissen das und reden darüber  mit Neid und bei vorgehaltener Hand. Aber es funktioniert anscheinend gut!

Der Vergleich der Arbeitszeit und des Einkommens

Ich habe den Eindruck, dass sich die Bergbauern mit den Lohnempfängern vergleichen möchten: soviel Geld für so viele Stunden. Sicher geht diese Rechnung nicht auf. Aber Bauern haben weniger Ausgaben, müssen nicht zur Arbeit fahren, müssen nicht auswärts essen usw. – nein sie haben vieles davon aus eigener Produktion! Aber was sie am wenigsten bedenken: sie besitzen meist geräumige Häuser, bezahlen keine oder kaum Steuern. Wenn sie ihre Produkte am Hof (Hofladen, Hofschänke, Bauernmarkt) verkaufen, bezahlen sie keine Mehrwertsteuer. Sie dürfen sogar noch einen Teil dazu kaufen und als Eigenprodukte weiterverkaufen. Und das wird gar nicht kontrolliert. Also müssen wir davon ausgehen, dass auf Hofschänken, Urlaub-auf-dem-Bauernhof-Betrieben, Bauernmarkt nicht nur das drin ist, was drauf steht. Aber wir bezahlen brav, weil wir glauben, gute Produkte zu erhalten und die Landwirtschaft zu unterstützen. Bestimmte Bauern lachen sich aber ins Fäustchen. Arm sind möglicherweise nur noch jene, welche nicht mehr mit der Zeit mitkommen (nicht informiert sind, das Gesuchstellen entweder zu lästig ist oder dabei überfordert sind), keine Förderungen beantragen und folglich auch keine erhalten. Sie leben genügsam und möglichst autark.
Das Beste was vor allem die Bergbauern haben und kaum wertschätzen sind: das Leben in der schönen Natur, bei guter Luft, mit wenig Stress und gesunder Ernährung, falls sie ihre Erzeugnisse verwenden. Oft ist es ihnen aber zu lästig, eigene Butter zu machen, den Tieren Grünfutter zu geben, usw. Viele „stellen“ die Milch (sie wird von den Genossenschafts-Molkereien eingesammelt) und kaufen sich dann Milch, Sahne, Butter, Jogurt und Käse im Laden. Häufig sogar H-Milch! (Wie tief sind sie nur gefallen?!) Sie haben oft gar keinen Bezug mehr zu ihren Naturprodukten und deren Qualität. Aber uns wollen die Verbände und Genossenschaften weis machen, welche edlen Produkte sie uns bieten. Sie schaffen dafür eigene sündteure Marken, die dann ja wir wieder mit Steuergeldern bezahlen können. Man will sich abheben – auch mit den Preisen. Aber wir einfachen Konsumenten, deren Kaufkraft immer geringer wird, können da nicht mehr mithalten, wobei die guten Produkte – sofern sie das halten, was die Werbung verspricht – ja speziell uns zustünden!

Landwirtschaft, ein unerschöpfliches Thema

Ja, dieses Kapitel finde ich unerschöpflich. Ich kann nicht alles schreiben, an was ich denke. Ich kann auch nichts aufdecken, da ich zu wichtigen Informationen keinen Zugang habe. Ebenso habe ich auch keine Informanten mit brenzligen Informationen. Das wäre ein Thema für Christoph Franceschini, sofern er nicht schon von vorneherein kapituliert, weil er sonst auswandern müsste?! In welcher (un-)-zivilisierten Gesellschaft leben wir denn, wenn wir Angst haben müssen, die Wahrheit zu schreiben??
Um genaue Daten über Steuern und Beiträge offen zu legen sowie Geheimnisse aufzudecken, wäre die Opposition zuständig, wenn sie das nicht nur als Kleinkram einschätzt!

Ein eigenes Kapitel wäre alles rund um die Obst- und Weinwirtschaft; da fühle ich mich aber nicht kompetent. Ebenso aktuell ist auch die Frage, wie sich die Landwirtschaft im Sinne der Klimaneutralität, der Artenvielfalt usw. weiter entwickeln müsste? Einige diesbezügliche Andeutungen habe ich schon in den folgenden Beiträgen gemacht: https://www.salto.bz/de/article/09102019/gegen-klimaerwaermung-konkret-suedtirol oder/und https://www.salto.bz/de/article/16122019/ein-weiter-so-ist-keine-option