Politica | Schule

Identität auf dem Spiel?

Der Preis, den Südtirol für eine gemischtsprachige Schule zahlen müsste, sei zu hoch, warnt die Süd-Tiroler Freiheit. Bestes – warnendes – Beispiel sei das Aostatal.
Schule
Foto: Südtirolfoto/Helmuth Rier

Viel Diskussionsstoff liefert der Vorschlag von Francesco Palermo auch knapp zehn Tage nachdem ihn der Senator der Öffentlichkeit präsentiert hat noch: die Einführung mehrsprachiger Schulklassen dort, wo eine bestimmte Nachfrage besteht. Wohlwollend stehen sowohl Teile der hiesigen Volksvertreter als auch Sprachwissenschaftler und Kulturschaffende dem Vorschlag Palermos gegenüber. Einer mehrsprachigen Schule gar nichts abgewinnen können hingegen die Politiker rechter Parteien – italienisch- als auch deutschsprachiger. Letztere sehen darin eine Bedrohung für die deutschsprachige Bevölkerung im Land – “ein echtes Risiko für eine ethnische Minderheit” (Freiheitliche), “eine Gefahr für den Fortbestand der deutschen Sprachgruppe” (Süd-Tiroler Freiheit).

Aller gegensätzlichen Behauptungen zum Trotz – “unsere Forschungsergebnisse keinen Anlass zur Besorgnis”, meint etwa EURAC-Forscherin Andrea Abel – malt die STF ein apokalyptisches Szenario: Werde die gemischtsprachige Schule in unserem Land Realität, sei auf lange Frist die “Identität der Süd-Tiroler” gefährdet. Bestes – warnendes – Beispiel dafür sei, so Sven Knoll, das Aostatal. Die autonome Provinz hat nach 1948 ein zweisprachiges Schulsystem eingeführt, in dem Französisch und Italienisch denselben Stellenwert haben. Gemeinsam mit seinem Parteikollegen Cristian Kollmann ist Knoll in die kleinste italienische Region an der Grenze zu Frankreich gereist, um die Probe aufs Exempel zu machen. Das Fazit der beiden ist ernüchternd: “Die Folgen dieser fehlgeleiteten Schulpolitik sind verheerend und haben zu einem erheblichen Identitätsverlust geführt.”

Ihre These untermauern Knoll und Kollmann mit Gesprächen, die sie mit aostanischen Lehrpersonen, Politikern und Bürgern geführt haben und am Mittwoch auf Youtube veröffentlichen. So wollen die beiden folgendes herausgefunden haben: “Ein großer Teil der Bevölkerung weiß heute nicht einmal mehr, warum das Aostatal überhaupt eine Autonomie hat. Viele Menschen fühlen sich nicht mehr als Aostaner, sondern als Italiener. Das Erlernen der französischen Sprache und deren Gebrauch in der öffentlichen Verwaltung wird inzwischen von vielen Bürgern als unnötiger Kostenfaktor und als völlig überflüssig empfunden, da ohnehin alle Italienisch sprechen würden.”

Die Süd-Tiroler Freiheit im Aostatal.

Die Einführung gemischtsprachiger Schulen habe im Aostatal “die französische Schriftsprache zur Fremdsprache gemacht und den autochthonen Dialekt, das Frankoprovenzalische, weitgehend zurückgedrängt”, stellen Knoll und Kollmann fest. Sie fragen sich: “Wollen wir so eine Entwicklung auch für Süd-Tirol?” Für jene, die nun mehrsprachigen Unterricht an Südtirols Schulen fordern – und denen es laut Knoll und Kollmann einzig “um die Zerstörung der deutschen Schule” geht –, haben die beiden STF-Exponenten nur mahnende Worte übrig: Die gemischtsprachige Schule im Aostatal sei “ein Fehler” gewesen, den Südtirol nicht wiederhole dürfe.