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Limitierte Berlinale

Vom 1. bis 5. März läuft die 71. Berlinale. Coronabedingt ohne Live-Publikum. Das soll erst im Sommer die Filme sehen. Ein Vorgeschmack mit Leinwand- und Berlinnostalgie.
Berlinale
Foto: Berlinale

"Corona-Fall in Südtirol!" Vor einem Jahr war diese Meldung beim IDM-Empfang in der Berliner Kalkscheune lediglich ein Gesprächsthema am Rande. Bei dem Fest mit viel Lokalkolorit am Faschingsdienstag 2020 wollte kaum jemand über das heikle Virus im Anmarsch sprechen, das einen Tag vorher, am Rosenmontag, offiziell in der Heimat angekommen war. Dass genau Corona ein Jahr später immer noch Grund sein soll, weshalb sich große wie kleine Filmfestivals in den virtuellen Raum vertschüssen, konnte damals niemand ahnen.
Warteschlangen vor Kinokassen gibt es zur Berlinale 2021 jedenfalls keine. Auch keine Partys. Außer in der Erinnerung.


„Aufgrund der aktuellen COVID-19-Situation haben die Internationalen Filmfestspiele Berlin ein neues Festivalformat für 2021 entwickelt“ heißt es auf der Internetseite des Festivals und, dass vom 1. bis 5. März lediglich das Industry Event für die Branchenplattformen European Film Market (EFM), Berlinale Co-Production Market, Berlinale Talents und der World Cinema Fund mit einem Onlineangebot stattfindet. Nur Berlinale Talents und World Cinema Fund öffnen dabei ihr digitales Programm neben dem Fach- auch dem öffentlichen Publikum. Vom 9. bis 20. Juni wird es dann ein Summer Special der Berlinale geben, mit zahlreichen Filmvorführungen – in Kinos oder beim Open Air. 

Filme im Wettbewerb

Die Filmauswahl für den Hauptwettbewerb wurde vor wenigen Wochen vorgestellt. Fünfzehn bärenstarke Filme gehen ins Rennen: Albatros (von Xavier Beauvois), Babardeală cu bucluc sau porno balamuc (von Radu Jude), Ghasideyeh gave sefid (von Behtash Sanaeeha, Maryam Moghaddam), Guzen to sozo (von Ryusuke Hamaguchi), Herr Bachmann und seine Klasse (von Maria Speth), Ich bin dein Mensch (von Maria Schrader), Inteurodeoksyeon (von Hong Sangsoo), Memory Box (von Joana Hadjithomas & Khalil Joreige), Nebenan (von Daniel Brühl) Una película de policías (von Alonso Ruizpalacios), Petite (von Céline Sciamma) Ras vkhedavt, rodesac cas vukurebt? (von Alexandre Koberidze), Rengeteg – mindenhol látlak (von Bence Fliegauf), Természetes fény (von Dénes Nagy) und Fabian oder Der Gang vor die Hunde (von Dominik Graf). Dieser Film verspricht ein besonderes Berlin-Feeling. Er führt zurück in die vor 90 Jahren erschienene "Moralisten-Geschichte" von Erich Kästner. Und zeigt das Berlin am Vorabend der Bücherverbrennung. 

Fabian – Going to the Dogs / Quelle: Lupa Film


Der Literaturwissenschaftler Sven Hanuschek hat zu dem von Kästner 1931 veröffentlichten Roman umfassendste Forschungen betrieben und auch das ursprüngliche Typoskript von Fabian aus Kästners Nachlass aufgearbeitet. „Dem Erst-Lektor waren einige Passagen zu heiß: zu explizit sexuell, in einem Teilkapitel sicher auch zu politisch“, erzählte Hanuschek in einem Kulturelemente-Interview 2013 (in welchem es auch um Kästners Meran-Urlaub 1933 ging, sowie um Kästners Erlebnisse zu Kriegsende in Nordtirol). Im Atrium Verlag veröffentlichte Hanuschek, ebenfalls 2013, Erich Kästners ursprüngliche, ungekürzte Fabian-Version mit textkritischem Apparat und ausführlichem Nachwort unter dem Titel Der Gang vor die Hunde – also gleichlautend wie der aktuelle Wettbewerbsfilm. Ob es nun für den Hundsfilm zum Bären reichen wird?

Die Jury

Regisseur*innen von sechs Goldenen-Bären-Gewinnerfilmen (u.a. Gianfranco Rosi, Regisseur von Fuocoammare) werden über die Filme im Wettbewerb entscheiden. Ihre Entscheidungen werden sie während des Industry Events am 5. März ab 12 Uhr (MEZ) in einer Videopräsentation verkünden.

Dalla und Trocker

Auch zwei Filme mit "Italien-Bezug" haben es auf die Berlinale 2021 geschafft: Ronny Trockers Spielfilm Der menschliche Faktor wird in der Sektion Panorama gezeigt. Die Hommage Per Lucio läuft hingegen im Berlinale Special. Gestützt auf Erinnerungen von Dallas Manager und Freund Tobia Righi und auf Archivmaterial, lässt Regisseur Pietro Marcello das Leben des Sängers Revue passieren.
Attenti al lupo! Attenti all'orso! 

Human Factors von Ronny Trocker wird nach dem Sundance-Festival nun auch auf der Berlinale gezeigt / Quelle: Zischlermann Filmproduktion