Società | Wanderwege

Von Wegen und Steigen…

...und dem richtigen Maß!
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Foto: Karin Leichter

Text: Karin Leichter

Beitrag in Zusammenarbeit mit dem Alpenverein Südtirol
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16.000 Kilometer Wanderwege – eine stolze Zahl, die Südtirol vorweisen kann. Zum Vergleich: In der gesamten Schweiz gibt es 65.000 Kilometer Wanderwege, im Verhältnis zur Fläche ist das doch deutlich weniger. Und in Österreich betreuen ÖAV und DAV gemeinsam gerade mal 30.000 Kilometer. Das Angebot für den Wanderer und Bergsteiger in Südtirol ist also groß. Aber was steckt hinter dieser Zahl?

Heute umfassen Wanderwege nicht mehr nur Wege für „zu Fuß Gehende“, also Wege und Steige, die sich dem Gelände angepasst dahinschlängeln und Teil der Natur sind, sondern auch befahrbare Wege sind Teil des Wegenetzes, und das sogar in beachtlicher Größenordnung.
Rund 45 Prozent aller Wanderwege in Südtirol sind befahrbar, das heißt es handelt sich um Traktorwege, Forststraßen und Asphaltstraßen. Kann es sich bei Traktorwegen auch für den Wanderer um noch recht abwechslungsreiche Strecken handeln, sieht das bei geschotterten Forststraßen und vor allem asphaltieren Straßen ganz anders aus. Das monotone Schritt vor Schritt Setzen ist ermüdend und wenig inspirierend. Das weiß jeder, der sich schon mal mit Kindern auf eine „Forststraßenwanderung“ begeben hat.

Aus Wegen werden Straßen …

Mit der fortschreitenden Motorisierung und der Zunahme des Individualverkehrs bekamen die talnahen Wege nach und nach Konkurrenz durch Straßen. Das gut ausgebaute Straßennetz erreichte das Mittelgebirge, und durch die Erschließung von hochgelegenen Weilern und Höfen wurde die individuelle Zufahrt bis in große Höhen möglich und auch entsprechend genutzt. Die Wege und Steige wurden entweder direkt zu Straßen umfunktioniert oder aber kaum mehr begangen und verloren an Bedeutung. Auch alte Gassen und Kirchwege verwilderten zusehends. So führt heute der Aufstieg von Mitterolang über den 5er-Weg zur Prackenhütte über zwei Drittel der Strecke bzw. über 550 Höhenmeter auf Asphalt. Oder der Planetenweg bei Obergummer: Dieser verläuft nur etwas mehr als die Hälfte der gesamten Rundstrecke asphaltfrei. Auch der Aufstieg zum Weiler Kammerschin im Pfunderertal erfolgt über die Straße, nur einmal wird der alte Steig als Abkürzung zwischen zwei Kehren noch genutzt.

... und Forststraßen

In den letzten Jahren hat zusätzlich die starke Erschließung der Almen und Wälder dazu geführt, dass in noch größeren Höhen bis hinauf in die Almregionen Wege und Steige zunehmend verschwinden. Zum einen wird die Straße einfach über die bestehende Trasse des ursprünglichen Wanderweges gelegt und der Wanderer muss zwangsläufig mit der Forststraße vorliebnehmen. Zum anderen zieht die Forststraße mit geringer Steigung in Kehren hinauf und schneidet damit den alten Weg, der häufig steil und damit anstrengend den Hang hinauf verläuft. Dabei wird die korrekte Wiederanbindung des Steiges oft vernachlässigt und der Einstieg ist kaum mehr zu finden. Auch stellt sich der Wegehalter die zum Teil berechtigte Frage zum hohen Aufwand, den es bedeutet, den alten Steig weiterhin zu erhalten, wo es doch nun eine bequeme Alternative gibt. Verständlich, aber trotzdem schade, denn so verlieren viele Höfe- und Almenwanderungen ihren eigentlichen Charme. So zählen die knapp neun Kilometer von Schleis zur Schleiser Alm über Straße, Traktorweg und Forststraße sicherlich nicht geradezu den spannendsten Zustiegen. Der Forststraßenaufstieg zur Valsalm im hintersten Pfunderertal punktet zwar mit beeindruckender ursprünglicher Landschaft, die aber durch die langgezogenen Kehren gleich wieder entzaubert wird. So werden auch der Zu- und Abstieg bei Gipfeltouren zu einem mühsamen Unterfangen.

Wege ohne Hindernis

Aber keine Sorge, es bleiben ja immerhin 55 Prozent der Wanderwege, die diesen Namen verdienen. Aber wie lange noch? Auch hier werden vermehrt Forderungen laut, gewisse Wege etwas zu begradigen, die Neigung auszugleichen, Steine und Wurzeln zu entfernen oder den Weg gar einzuschottern. Das ist am Speikboden schon zu sehen: Der erste Teil des Kellerbauerwegs sowie der Verbindungsweg vom Mühlwalderjöchl zur Weizgrubalm weisen die perfekte Breite, Neigung und Oberfläche auf. Hier kann auch der Halbschuhtourist ohne weiteres wandern, denn keine Unregelmäßigkeit und kein störender Stein fordern den Wanderer, die Füße auch mal zu heben. Mehr und mehr übertragen wir also unsere städtischen, uniformen Gewohnheiten auch auf die Berge, in die Natur, dort wo wir uns eigentlich von der alltäglichen Monotonie erholen wollen. Natürlich haben auch solche Wege und Forststraßen ihre Berechtigung. Schließlich gibt es eben nicht nur gut geübte Geher, die Naturerlebnis und Abwechslung suchen. Auch bestimmte Gesellschaftsgruppen müssen berücksichtigt werden! Menschen mit Beeinträchtigung, Personen, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, und nicht zuletzt Eltern mit Kinderwagen haben genauso den Drang, sich in der alpinen Natur zu bewegen und ihre Energie in der frischen Bergluft aufzutanken. Dafür stehen bereits einige Möglichkeiten bereit.

Eine Frage des richtigen Maßes

Dennoch muss es unser Ziel sein, die noch bestehenden Wege und Steige – und natürlich gibt es diese noch zur Genüge – in ihrer Natürlichkeit zu erhalten, sie nicht zu sehr zu „Kunstobjekten“ zu machen. Es muss selbstverständlich sein, dass wir Wanderer auch unregelmäßige Schritte machen müssen oder dass ein Stein, auf den wir treten, auch mal wackeln kann. Das beeindruckende Wurzelwerk, über das wir steigen müssen, sollte uns ins Erstaunen versetzen, und ein manchmal etwas anstrengendes Auf und Ab des Weges sollte uns dafür danken lassen, dass wir uns das Fitnessstudio sparen können. Es liegt an den Wegehaltern, die vom neuen Wegegesetz geforderten „Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Benutzbarkeit der Wanderwege“ richtig zu dosieren und die Wanderwege entsprechend den lokalen Gegebenheiten gut zu warten. Es liegt aber auch an uns Wanderern, unsere Erwartungen der Natur anzupassen und nicht die Natur an unsere Erwartungen.